SWR4 Abendgedanken

24JUN2024
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„Nun beginnt der Ernst des Lebens!“ Ich weiß noch, wie mein Vater das gesagt hat, als unser Sohn vor Jahren in die Schule gekommen ist. In wenigen Tagen endet seine Schulzeit. Und nun? Wird das Leben noch ernster? Auf eigene Weise stehen der jungen Generation alle Türen offen. Wohin man hört, überall werden Fachkräfte gesucht: im Handwerk, der Industrie, im Einzelhandel oder auch in der Wissenschaft. Die junge Generation hat im Grunde genommen freie Wahl, das zu tun, worauf sie Lust hat. Das klingt großartig; macht die Entscheidung, was es denn nun für eine Ausbildung oder ein Studiengang sein soll, aber nicht leichter. In früheren Jahrzehnten war vieles einfach gegeben. Mein Vater hat schlicht den elterlichen Betrieb übernehmen müssen, bei mir waren manche Ausbildungsgänge einfach überfüllt und kamen daher von vornherein nicht in Frage.

Ich hoffe, unser Sohn wird in den kommenden Jahren einen Beruf finden, der ihn erfüllt. Und ich wünsche mir, dass er sich dabei die notwendige Zeit nimmt. Denn meiner Erfahrung nach braucht es etwas Zeit, bis man bei sich selbst alle Gaben entdeckt, die Gott in einen gelegt hat. Da geht es ja nicht einfach um das, was man in der Schule gelernt hat.

Das eigene Talent, die Begabung oder Begeisterung für eine Sache spült das Leben - vielleicht auch durch einen Zufall - irgendwann auf eigene Weise hervor. Das kann eine Begegnung im Urlaub sein, ein erfahrener Meister, der einem ein neues Fachgebiet eröffnet oder ein Mensch, der einen einfach begeistert. In den vergangenen Jahren habe ich ein paar Menschen kennengelernt, die den Mut gefunden haben, sich mitten im Leben für einen anderen Beruf zu entscheiden. Sie wagen sich an etwas Neues. Warum nicht? Auch ich habe den Studiengang gewechselt, hatte vor der Theologie etwas anderes im Sinn.  Paulus, der große Apostel aus der Bibel, hat das auch getan. Der gelernte Zeltmacher hat auf einmal gespürt, dass in seinem Leben etwas ganz anderes dran war als das, was bisher sein Leben geprägt hatte. Paulus hat sich eines Tages entschieden, das Evangelium in der Welt auszubreiten und hat darin seine Erfüllung gefunden. Solch eine Erfüllung im Beruf wünsche ich unserem Sohn und all den anderen jungen Menschen, die sich jetzt auf den Weg ins Berufsleben machen, ebenso wie denen, die grade auf der Suche nach einem Neubeginn sind. Mit etwas Gottvertrauen und Geduld, da bin ich mir sicher, wird sich das finden, was das eigene Herz erfüllt.

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