SWR1 Begegnungen

09JUN2024
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Militärpfarrer Markus Konrad Copyright: Militärseelsorge Zweibrücken

Martin Wolf trifft den Militärpfarrer Markus Konrad

Der 53-Jährige Priester aus dem Bistum Mainz ist seit einem Jahr katholischer Seelsorger beim Fallschirmjägerregiment der Bundeswehr im pfälzischen Zweibrücken.

Als wir uns in Mainz begegnen, ist er unauffällig gekleidet. Im Dienst aber ist er von den Soldaten oft kaum zu unterscheiden. 

Also für einen Soldaten ist es ja nicht so leicht erkenntlich, weil ich, zumindest wenn ich unterwegs bin mit den Soldatinnen und Soldaten, auch oft Uniform trage. Das ist dann bei mir ein Arbeitsschutzanzug, obwohl es gleich aussieht. Aber Sie wissen dann trotzdem, wenn Sie das Kreuz auf der Schulterklappe finden: Okay, der steht jetzt außerhalb von Befehl und Gehorsam. Mit dem kann ich reden.

Und das tun sie auch. Wenn ein Soldat, eine Soldatin zu ihm kommt, sagt er, dann brennt auch immer etwas auf der Seele.

Da geht es um eine Freundin, die vielleicht sechs Jahre jetzt mitgetragen hat, dass der Partner Soldat ist, aber jetzt irgendwie sagt, wir wollen doch jetzt mal Familie gründen, wie soll man denn das machen? Es geht um Fragen von Todesfällen, die den Soldaten sehr nahegehen. Krankheit von Angehörigen. Vielleicht das Gefühl, nicht genug nah dran sein zu dürfen in dieser Zeit. Das macht das Familienleben und auch die Beziehung mit Freunden nicht ganz einfach.

Vor ein paar Wochen erst hat Markus Konrad sogar Schlagzeilen gemacht, weil er eben nicht nur in seinem Büro sitzt und wartet, ob einer kommt. Er geht raus mit den Soldatinnen und Soldaten, denn ...

Militärseelsorge ist Seelsorge am Arbeitsplatz. Dazu gehört am Anfang ihres Dienstes ja dazu, dass sie auf den Sprungturm gehen und dann quasi 12 Meter da jetzt runterspringen sollen. Und dann haben mir (auch) Soldaten angeboten, auch mal so einen Turm hochzusteigen und dann irgendwie diesen Schritt ins Leere zu tun. Das fand ich schon sehr spannend, sehr extrem.

Fünf Mal ist er da runtergesprungen, erzählt er, und hat das kleine Abenteuer offenbar unbeschadet überstanden.

Militärpfarrer bei den Fallschirmjägern, der sollte schon auch so ein bisschen Interesse haben, auch an Abenteuer usw., und da sind die Soldaten gern bereit, mich dann mit einzubeziehen. Also bei Übungen mal mit dem Flieger zu fliegen und mal dieses Gefühl zu haben, wie das ist, wenn dieser Flieger hoch und runter geht und in den Wendungen und Drehungen dann ist.

Was dann den Magen schnell mal an seine Grenzen bringt, wie er berichtet. Ist es denn wichtig, so dicht am Alltag der Soldatinnen und Soldaten dran zu sein?

Ich glaube, dadurch wächst eine Vertrautheit. Man gehört dann so ein bisschen dazu. Und diese Bereitschaft, jemand Dinge anzuvertrauen, der so etwas dazugehört und gleichzeitig auch Outsider ist, die ist, glaube ich, bei den Soldatinnen und Soldaten sehr hoch. Das habe ich in der Pfarrei nicht so einfach erlebt.

Was mir nochmal deutlich macht, worauf es in der Seelsorge wohl vor allem ankommt. Sich für die Menschen zu interessieren und, soweit es geht, an ihrem Lebensalltag Anteil zu haben.

[Musik]

Ich spreche mit Markus Konrad, der als Militärgeistlicher für die Fallschirmjäger der Bundeswehr in Zweibrücken da ist. Das ist kein Stubendienst im Pfarramt. Als Seelsorger rückt er auch in die möglichen Einsatzgebiete seines Regiments mit aus.

Also der Militärpfarrer geht eigentlich immer mit. Nicht in der Kampfzone, sondern immer dorthin, wo sie nach dem Auftrag wieder zurückkehren.

Und der Pfarrer ist dadurch vielleicht so was wie der psychologische Ersthelfer auch. Also meine Aufgabe sehe ich darin, immer auch den Versuch zu machen, die Themen zu öffnen und möglichst schnell, wenn der Soldat Bilder im Kopf hat, Dinge gesehen hat, mit ihm darüber ins Gespräch zu kommen.

Und so eine erste Unterstützung anzubieten, wenn schlimme Erlebnisse aus dem Einsatz schwer auf der Seele liegen. In einem Ernstfall wäre es ihm aber auch wichtig, zusammen mit den Führungskräften darauf zu schauen, dass der moralische Kompass nicht verlorengeht.

Ich halte diesen Gedanken des Kompasses und der Orientierung schon für sehr wichtig, damit man sich nicht in Gefühlen wie Rache, absoluter Feindschaft verliert. Man darf das, glaube ich, nicht unterschätzen. Und es wird, glaube ich, jedem Menschen so gehen, wenn er viel Schlimmes erlebt. Und daran mitzuwirken, dass das eben in einem Rahmen bleibt, der auch dem Soldaten selbst die Gelegenheit gibt, sich nicht zu verlieren. Daran, würde ich sagen, muss auch der Militärpfarrer mitwirken.

Nun spricht unser Verteidigungsminister ja offen davon, dass wir „kriegstüchtig“ werden müssten. Ein Wort, das Viele verschreckt hat. Wie erlebt er das unter den jungen Soldatinnen und Soldaten, mit denen er zu tun hat?

Den Soldaten, denen ich jetzt begegne, die haben schon auch die Bereitschaft einzutreten. Manchmal bin ich da nachdenklich und ich merke auch: Die Soldaten, die schon länger dabei sind, die also noch einen größeren Rucksack an Erfahrungen haben, die sind da auch zögerlicher. Insofern wird es, glaube ich, sehr differenziert unter den Soldaten aufgenommen. Kriegstüchtigkeit? Ich würde für mich immer eher definieren: Verteidigungstüchtigkeit. Bereit sein, im Zweifelsfall was entgegenzusetzen.

Und doch stehen Christen ja in dieser Spannung zwischen dem Recht, sich wenn nötig auch gewaltsam zu verteidigen und der Friedensethik eines Jesus von Nazareth.

Es bleibt ein Dilemma, das es auszuhalten gilt. Ich bin schon sehr zögerlich, weil ich glaube, dass Krieg immer eine Dynamik entfacht, nämlich auch eine Dynamik zum Bösen. Das soll man nicht unterschätzen. Das ist oft so eine Spirale, die sich ergibt. Und trotzdem sich einfach schutzlos dem anderen irgendwie auszuliefern, halte ich auch für keine richtige Position. Also, man gibt ja nicht nur sich dann preis, sondern vielleicht auch Menschen und Werte, die einem wichtig sind.

Als Pfarrer steht er für die Botschaft Jesu. Wie kann man die verkündigen, in dem Bereich, in dem er nun arbeitet?

Ich habe es in meinem täglichen Dienst eigentlich mit Menschen zu tun, die vielleicht in einem hohen Maß nicht mehr die Kirchentüren öffnen würden für sich. Und ich finde, dann bin ich jeden Tag eigentlich herausgefordert zu fragen: Was habe ich vom Evangelium verstanden? Und wie möchte ich das so durchbuchstabieren, dass auch einer, dem das vielleicht fremd ist, zumindest vielleicht eine Ahnung davon hat: okay, da scheint es für den was zu geben, was doch dem Leben auch noch mal eine Tiefe gibt. Auch noch mal einen Halt gibt, auch in schwierigen Situationen, was vielleicht Geld, Ansehen, Dienstgrad nicht so einfach geben kann.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40059
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