SWR1 3vor8

09JUN2024
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Wen würde Jesus wählen? In knapp drei Minuten ist es ja soweit. Die Wahllokale für die Europawahl öffnen. Im Wahlkampf kam es über die Frage, auf welcher Seite Jesus stehen würde, zu einer kontroversen Debatte. Jesus wäre Spitzenkandidat der Europäischen Linken im Kampf gegen die Sicherung der Europäischen Außengrenzen und die Festung Europa, behauptete ein Abgeordneter der Linkspartei. Quatsch, erwiderte ein Abgeordneter der AfD. Nur seine Partei trete glaubhaft für den Erhalt des christlichen Abendlandes ein. Jesus wäre selbstverständlich Spitzenkandidat der AfD.

Ich halte es eigentlich für unsinnig, Jesus auf diese Art für die eine oder andere Partei zu vereinnahmen.

Ich finde, es ist trotzdem nicht beliebig, was ich als Christ sage oder tue und wem ich meine Stimme gebe, damit er mich repräsentiert. Die biblischen Erzählungen machen Vorschläge, wie Zusammenleben funktioniert; Die Evangelien setzen sich kritisch mit der Gesellschaft, Machtstrukturen und Herrschenden auseinander. In diesem Sinne ist die Bibel auf jeden Fall ein politisches Buch.

Der Epheserbrief, über den heute in vielen evangelischen Kirchen gepredigt wird, macht Vorschläge, wie Zusammenleben – auch von Menschen völlig unterschiedlicher Kultur und Prägung – gelingen kann. Nämlich indem man auf das schaut, was einen mit anderen verbindet und vereint, nicht auf das, was trennt oder worin wir unterschiedlich sind. Und das finde ich immer noch einen guten Grundsatz.

Sicherlich kann man manches an der EU kritisieren.
Aber sie hat über die vergangenen Jahrzehnte doch eine gewisse Stabilität und vor allem Frieden in Europa gebracht. Und ich glaube, dass ist etwas, nach dem sich die allermeisten Menschen – übrigens auch diejenigen, die zu uns flüchten – sehnen: In Frieden und Sicherheit leben – mit einem ausreichenden Maß an materiellem Wohlstand.

Ist das nicht ein Projekt, an dem man gemeinsam bauen kann? Egal, wer wir sind oder wo unsere Wurzeln liegen? Der Epheserbrief betont: Friedliches Zusammenleben ist ein urchristliches Anliegen.

Ich glaube deshalb: Jesus würde eine Partei wählen, die Europa fördert. Die das Friedensprojekt Europa vorantreiben und nicht einstampfen will. Eine Partei, die versucht zu einen und nicht zu spalten; die nicht ausgrenzt, sondern integriert.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40055
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