SWR Kultur Wort zum Tag

12JUN2024
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Menschen freuen sich aus ganz unterschiedlichen Gründen und auf unterschiedliche Weise. Mir scheint, die unterschiedlichen Freude-Typen bilden sich bereits in der Kindheit heraus. Der eine freut sich eher still für sich, die andere will in ihrer Freude die ganze Welt umarmen. Wahrscheinlich hat schon der kleine Caspar David Friedrich eher versonnen in den Sonnenuntergang am Meer geschaut und den großartigen Anblick eher still im Herzen bewegt, während Franz Beckenbauer am meisten Spaß hatte, wenn er mit anderen Jungs zusammen gekickt und ein Tor geschossen hat. Einschließlich lautstarkem Jubel. Jedenfalls kann ich mir das gut vorstellen.

Was für ein Freude-Typ man ist, bekommt man daher am besten heraus, wenn man sich an die eigene Kindheit erinnert. Was hat damals so richtig Freude gemacht? Und wie hat es sich damals angefühlt? Manche Menschen denken vielleicht an Weihnachten und an ein besonderes Geschenk, das sie damals beglückt hat. Der Puppenkinderwagen, die Märklin-Eisenbahn, das erste eigene Fahrrad: Was für eine Freude! Andere erinnern sich an ein festliches Essen, z.B. anlässlich der Konfirmation. Ich weiß noch heute, Jahrzehnte später, was es da zu essen gab und wie schön es war, mit meiner Familie zu feiern. Und, klar, auch im Mittelpunkt eines Festes zu stehen.

Das Schöne ist, dass man solche Freuden-Quellen wieder zum Sprudeln bringen kann, auch wenn man schon längst den Kinderschuhen entwachsen ist. „Geh aus mein Herz und suche Freud“ hat schon Paul Gerhard gedichtet, und mit diesem sinnreichen Hinweis kann ich mich auf Quellensuche begeben. Was hindert mich daran, einem Fußballverein beizutreten. Wenn ich mich zu alt fühle zum Kicken – meine Lieblingsmannschaft freut sich über einen neuen Fan beim Heimspiel. Ich kann mich auch auf den Weg zum nächsten Fluss oder See machen und mich dort stillvergnügt ein paar Stunden zum Sonnenuntergang hinsetzen. Dafür muss einfach Zeit sein. Wenn ich mich über einen Puppenwagen oder ein Fahrrad gefreut habe, dann wäre es doch eine gute Idee, damit ein Kind in der Familie zu beschenken. Geteilte Freude ist bekanntlich die schönste Freude, da kann man Weihnachten auch im Juni feiern. Sicher gibt es auch jemanden, der gerne mit mir richtig gut essen gehen möchte, um das Leben zu feiern.

So gesehen haben wir unsere Freude durchaus ein gutes Stück in der eigenen Hand. Wir können sie zumindest aktiv suchen: geh aus mein Herz, und suche Freud. Paul Gerhard meinte, dass die Freude, die ich auf einer solchen Entdeckungstour finde, ein Gottesgeschenk ist. Wie auch immer diese Freude sich konkret zeigt. Da kann ich ihm nur zustimmen.

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