SWR Kultur Wort zum Tag

04JUN2024
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Der Klassiker: ich sitze mit zwei Damen in einer Vierergruppe im Zug und natürlich bekomme ich ihr Gespräch mit. Und traue meinen Ohren nicht. Die beiden Frauen sind dunkelhäutig und sprechen darüber, wie sie jeden Tag Rassismus erleben. In Köln. Die eine Frau arbeitet in einer Arztpraxis, und es passiert ihr relativ häufig, dass Menschen sich nicht von ihr aufnehmen lassen wollen. Sie fragen dann nach der Kollegin, die da hinten sitzt. Wahrscheinlich, weil sie deutsch aussieht. Dass sie aber Türkin ist, wissen die Patienten natürlich nicht. Sie machen solche Spielchen in der Praxis aber nicht mit. Entweder die Patientinnen lassen sich von ihr aufnehmen, oder eben gar nicht.

Ich kann das alles nicht fassen und in diesem Moment im Zug kann ich das auch nicht aushalten und schalte mich ein. „Sie erleben das jeden Tag? Heute, im Jahr 2024?“ „Na klar,“ sagt die andere Dame, „Ich werde auch erstmal grundsätzlich auf Englisch angesprochen und dann wundern sich alle, wenn ich auf Kölsch antworte, dass ich in Deutschland geboren bin. Dann kommt direkt die Frage: Ja, und woher kommst Du eigentlich?
Oder letztes Jahr war ich im Krankenhaus. Niemand hat mit mir gesprochen. Bis ich sie freundlich darum gebeten habe, dass mal jemand mit mir spricht. „O Gott, die kann ja deutsch“, ist einer Pflegerin rausgerutscht. So läuft das.“

Die beiden erzählen, wie ihr Alltag aussieht, und wie sie immer wieder behandelt werden.
Ich bin jetzt Anfang 40 und ja, ich gehöre zur Generation, in der die ersten Menschen mit nicht weißer Hautfarbe im Ort aufgefallen sind. Wir haben sie mit großen Augen gemustert, bis wir sie kannten. Ich gehöre aber auch zu der Generation, in der die Kinder der sogenannten türkischen Gastarbeiter in meinem Dorf geboren sind. Wir haben immer zusammengehört, sind gemeinsam zur Schule gegangen oder haben zusammen Sport gemacht.

Dieses Gespräch im Zug hat mir klar gemacht, wie krass das Leben vieler Menschen hier in Deutschland sein muss. Wie beschwerlich manchmal. Wie lange dauert es wohl noch, bis in jedem Kopf angekommen ist, dass Menschen Menschen sind? Egal, wie die Hülle ist. Der Kern ist das Menschsein.

Und jetzt muss ich einmal ganz klassisch am Ende mit der Bibel daherkommen: Im Johannesevangelium sagt Jesus: „Ich habe den Menschen die Herrlichkeit gegeben, die du, Gott, mir gegeben hast, damit sie eins sind, wie wir eins sind.“ (Joh 17,22).

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