SWR3 Gedanken

05JUN2024
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In der Küchenwand unserer Wohnung ist ein Loch. Nicht groß, aber man kann durchschauen. Ein Elektriker hat es reingebohrt, als wir vor zwei Jahren mal einen Stromausfall hatten. Schön sieht es nicht aus, deshalb haben wir notdürftig eine Postkarte drüber geklebt. Jedes Mal, wenn mein Blick darauf fällt, denke ich: Ach ja, das müssten wir auch mal irgendwann angehen.
So wie in meiner Küchenwand gibt es auch in meinem Leben kleinere und größere Baustellen. Unfertiges, das ich vor mir herschiebe und eigentlich mal angehen müsste. Zum Beispiel die Freundin anrufen, zu der ich den Kontakt verloren habe, weil die letzten Monate so stressig waren. Aber auch Dinge, die immer unfertig bleiben werden. Weil zum Beispiel die Person, um die es geht, nicht mehr da ist. Oder weil die Zeit, in der etwas möglich gewesen wäre, verstrichen ist. Meine Freundin kann ich heute noch anrufen. Bei meinem Bekannten, der ganz plötzlich verstorben ist, geht das nicht. Wir wollten uns schon länger mal wieder treffen und ich hatte versprochen, dass wir dann über etwas sprechen würden, das ihm wichtig gewesen ist. Dieses Versprechen kann ich jetzt nicht mehr halten. Wenn das passiert - also wenn etwas unfertig bleibt und so bleiben muss – dann kann es ganz schön schwer sein, damit umzugehen. Neben der Trauer um meinen Bekannten ist da jetzt auch noch dieses Gefühl, dass etwas offen ist. Dass da ein ganz großes Loch übrig bleibt. Was mir in so einer Situation hilft, ist mein Glaube. Das Vertrauen, dass alles, was mir nicht gelingt oder was offen bleibt, bei Gott gut aufgehoben ist. Dass ich es mir nicht auf ewig vorhalten muss, sondern es abgeben darf. Ich kann das Loch, im Gegensatz zu dem Loch in meiner Wand, nicht mehr schließen. Aber ich kann es Gott zeigen – und hoffen, dass er sich darum kümmert.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40027
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