SWR1 3vor8

02JUN2024
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Ja, wo kämen wir da hin? Wo kämen wir hin, wenn Regeln und Gesetze nur gelten, wenn sie mir in den Kram passen. Wenn sich im Supermarkt einfach jeder einstecken würde, was er will. Oder wenn ich jeden, dessen Meinung mir nicht passt, ungestraft verprügeln könnte. Wo sowas im Extremfall endet, führt Putin in Russland gerade vor. In blanker Willkür nämlich und im Recht des Stärkeren.

Insofern ist es ein etwas heikler Satz, den Jesus im Streit mit den damaligen Schriftgelehrten mal gesagt hat: Gott hat den Sabbat für den Menschen geschaffen, nicht den Menschen für den Sabbat. Also ist der Menschensohn Herr auch über den Sabbat. (Mk 2,27f) Und damit meinte er sich. Ganz schön anmaßend. Der Sabbat, muss man wissen, war als verpflichtender Ruhetag im jüdischen Gesetz vorgeschrieben. Gläubigen Juden war und ist er heilig. Wenn sich Jesus und seine Jünger scheinbar selbstherrlich darüber hinwegsetzen, bringt das seine Gegner also zu Recht in Wallung. Die Jesusjünger hatten sich nämlich ein paar reife Ähren abgerissen, während sie durch ein Feld wanderten. Und das galt den Frommen schon als Arbeit und war verboten.

Doch Jesus stellt den Sabbat gar nicht in Frage. Er weist nur auf etwas sehr Wichtiges hin: Regeln und Gesetze sind dazu da, dass es klappt mit dem Zusammenleben. In der Gesellschaft wie in der Religion. Sie schaffen Leitlinien, wie ich mich verhalten soll. Aber: Regeln existieren nie um ihrer selbst willen. Wenn sich nicht mehr erschließt, wofür sie eigentlich da sind. Ihr Wert für ein gutes Zusammenleben nicht mehr deutlich wird, dann werden sie irgendwann brüchig.

Nun ließ sich die Sabbatruhe aus der Geschichte von der Erschaffung der Welt begründen. Am siebten Tag, heißt es da nämlich, ruhte Gott sich aus. Gott selbst gönnt sich Ruhe! Und so dürfen, ja sollen auch die Menschen ihre Arbeit am siebten Wochentag ruhen lassen. Mit allerhöchstem Segen sozusagen. Die Erfindung des Sabbats war also ein Gewinn an Lebensqualität für alle. Die Christen haben den freien Tag der Juden später übernommen und auf den Sonntag verlegt. Und wenn heute immer wieder über Sinn und Unsinn einer allgemeinen Sonntagsruhe diskutiert wird, dann sollte man den Satz Jesu zumindest mitbedenken. Dass Gesetze für uns Menschen da sind und nicht umgekehrt. Dass man den Sinn eines gemeinsamen Ruhetags, der vielleicht nie für alle, aber doch für möglichst viele da ist, nicht leichtfertig aushöhlen sollte. Er ist quasi ein Geschenk an uns und an diesem einen Tag dürfen wir alle mal die Seele baumeln lassen. Einen erholsamen Sonntag wünsche ich Ihnen heute!

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