SWR4 Sonntagsgedanken

28APR2024
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Ich bin Badezimmersänger. Ich bin Flurpfeifer. Ich bin Fahrstuhlsummer. Ich verrutsche zwar immer wieder in den Tonarten. Aber ich singe gerne. In den meisten Fällen aus guter Laune oder weil ich meine Laune aufhellen möchte.

Entweder sing ich das, was mir gerade besonders gefällt oder aber die Sachen, die ich von klein auf kenne, auch Lieder aus dem Gesangbuch. In den meisten Fällen sind das die Lieder, die wir damals im Kindergottesdienst gesungen haben. Mit 8 Jahren habe ich wahrscheinlich einfach mitgesungen, mit 10 vielleicht auch über die Texte nachgedacht. Und kurz vor der Konfirmation haben wir uns natürlich über manches Lied auch amüsiert.

Ein Beispiel: Am Schluss des Kindergottesdienstes haben wir oft ein Segenslied gesungen:  „Herr, wir bitten komm und segne uns“ gesungen. Und immer, wenn die Stelle kam: „Lege auf uns Deinen Frieden“ dann haben mein Freund und ich so getan, als würde etwas Schweres auf uns drauf liegen. Bei der Zeile:  „Segnend halte Hände über uns“. Da haben wir Pfarrer gespielt und der Luft vor uns die Hände aufgelegt. Und bei „Rühr uns an mit Deiner Kraft“ haben wir so getan, als würden wir in einem großen Topf Suppe rühren. Haha, haha.

Wir fanden das damals natürlich fürchterlich witzig. Und unsere Leiter mussten ebenfalls grinsen, wenn sie uns Quatschköpfen zugeschaut haben.   Wir waren ja noch ziemlich klein und ziemlich stolz auf uns, dass wir wussten: Rühren heißt beides! In der Suppe rühren und berühren und bewegen. Und wir haben eben gerne auch mal Quatsch gemacht.  

Aber, und das hätten wir nicht vermutet: Über die Jahre hinweg – erst in der Kinderkirche, dann im Konfirmandenunterricht und noch darüber hinaus - ist das Lied sehr bei uns geblieben. Es ist tatsächlich ein Lebensbegleiter geworden.  

Herr, wir bitten komm und segne uns hat mich nie mehr verlassen. Im Studium haben wir es gesungen. In meiner ersten Gemeinde gehörte das Lied zum Repertoire des Gemeindechores. Die Jugendlichen, mit denen ich Gottesdienste feiere, singen es gerne.

Und manchmal singe ich es im Bad oder pfeife es im Flur. Die Rührbewegung mache ich mittlerweile nicht mehr. Stattdessen spüre ich dem Gefühl nach, wie dieses Lied aus meiner Kinderzeit mich heute prägt und wie sehr es meine Beziehung mit Gott und Welt beschreibt.

Die Melodie ist fröhlich und motiviert zum Mitsingen. Der Text ist dann aber ziemlich ernst. Zum Beispiel der Vers: „In den Streit der Welt hast du uns gestellt, deinen Frieden zu verkünden…“ Wir Christinnen und Christen stehen im Leid und im Streit der Welt. Und unsere Aufgabe ist es, Frieden zu verkünden und Liebe zu bezeugen. Damit das gelingt, braucht es den Segen Gottes.

Ich entdecke in diesem Text immer wieder meine Verantwortung in der Welt. Und ich entdecke das gern in einem Segenslied, weil Gott mir den Mut gibt, mich Leid und Streit entgegen zu stellen.

Als Kind habe ich den Text so klar nicht verstanden. Da haben wir uns immer nur auf den Kehrvers gefreut. Erst als Jugendlicher und junger Mann habe ich gemerkt: Die Welt ist nicht so fröhlich und beschwingt, wie die Melodie des Liedes es vermuten lässt. Mein Glaube steht auf der Hoffnung, dass alles, was Menschen niederdrückt, beschwert und sogar tötet nicht das letzte Wort hat. Dass Gott jedes Leid bei sich aufnimmt und wegnimmt. Und dass er uns seinen Segen mitgibt, damit wir uns gegen das Leid stemmen – und bereits zu Lebzeiten.

Wenn ich dieses Lied singe oder pfeife, erinnere ich mich an diesen Gott. Meine Hoffnung. Und an meine Verantwortung, genau hinzusehen. Und dann gebe ich mein Bestes. Weil ein Lied, dass ich nun seit 30 Jahren mit mir trage, mein Gottvertrauen aktiviert. Vielleicht haben Sie ja auch so ein Lied, das sie schon lange begleitet und das so für Sie wirkt.

Ich jedenfalls pfeife mir gleich ein „Herr, wir bitten, komm und segne uns.“ Und wenn mein Freund und ich uns ab und zu im Gottesdienst treffen, machen wir immer noch kleine Rührbewegungen mit der Hand. Und dann grinsen wir verstohlen und merken: Uns ist was Gutes passiert.

Ihnen einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39791
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