SWR4 Abendgedanken BW

„Na, was gibt’s Neues?“ Mit dieser – wie ich dachte - unschuldigen Frage hatte ich mich den beiden genähert, die da auf dem Marktplatz standen und sich unterhielten. Aber der eine frozzelte zurück:
„Schon wieder so einer, der vom Zeitgeist erfasst ist! Immer auf der Suche nach Neuem!“
Ich kannte ihn ja gut, deshalb war ich nur kurz verblüfft: „Na, dann frag ich eben anders: welches Alte ist denn noch unerledigt?“
Und so kamen wir doch noch in ein angeregtes Gespräch, und ich habe auch ein paar Neuigkeiten erfahren. Männerklatsch eben.

Aber am Abend habe ich doch noch mal darüber nachgedacht. Das sind eigentlich zwei gute Leitfragen, mit denen man das eigene Leben und die Weltgeschichte betrachten kann und es sind gute Fragen, mit denen man die Bibel lesen kann.
Was gibt’s Neues? Und welches Alte ist noch unerledigt?
Die Bibel ist ja voll davon, dass etwas Neues geschieht, dass Gott Neues schaffen will, dass zum Beispiel seit Pfingsten ein neuer Geist in der Welt ist und die Menschen in diesem Geist leben können, mit einem neuen Herzen und mit neuen Zielen.

Also nicht immer derselbe Trott nach der Melodie: nichts Neues unter der Sonne, nicht ewige Wiederkehr des Gleichen, nicht Tretmühle und Hamsterrad. Sondern die Zukunft drängt in die Gegenwart hinein, Altes vergeht, Neues fängt an. Und Menschen brechen auf aus vertrauter Umgebung und suchen dieses Neue und finden eine neue Gemeinschaft, die alle miteinander verbindet: Juden und Heiden, Männer und Frauen, Arme und Reiche, Gesunde und Kranke, Alte und Junge, Fromme und Sünder.
Aber daneben gibt es in der Bibel auch Altes, an das sich zu erinnern lohnt, weil es noch unerledigt ist und darauf wartet, erfüllt oder vollendet zu werden. Nicht zuletzt deshalb haben die Christen am so genannten Alten Testament festgehalten. Denn es erinnert an die großartigen Verheißungen Gottes und es hält die Sehnsucht wach nach einem Leben, wo jeder genug hat und von seiner Hände Arbeit leben kann und genießen kann, was auf seinem Land wächst, wo keiner mehr das Kriegshandwerk lernt und die Schöpfung aufatmen kann.

Wenn man die Bibel so liest als Buch der Verheißungen Gottes, dann weckt und bestärkt sie unseren Hunger und Durst nach Brot für alle, nach einem Leben in Gemeinschaft, in Frieden und in Gerechtigkeit.
Und deshalb ich bin froh, dass die Kirchen an den alten Worten festhalten: Barmherzigkeit, Mitleid, Trost, Schutz der Schwachen, Sturz der Tyrannen, Freiheit und Gleichheit.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3881
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