Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

14JUL2023
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¿Sich auf der Straße festkleben, damit der Verkehr zum Stillstand kommt!? Das ist schon eine krasse Maßnahme. Da steckt viel Wut drin und Enttäuschung, wenn jemand sich das antut. Jedenfalls ahne ich, wie verzweifelt jemand sein muss. Leichtfertig oder nur, um zu provozieren, nimmt von denen keiner in Kauf, beschimpft, verletzt oder verhaftet zu werden. Wer sich so am Rand des Strafbaren bewegt, sieht keine andere Lösung mehr für das, was ihm wichtig ist. Und erntet auf der anderen Seite, bei denen, die es eilig haben und von A nach B wollen, auch jede Menge Ärger. Oder sogar Wut, der bei manchen an Hass grenzt. Und da jetzt eine Lösung finden? Vermitteln zwischen denen, die ein Recht darauf haben, sich auf der Straße zu bewegen, und denen, die ihren Protest ausdrücken über eine Situation, die sie nachts nicht schlafen lässt?

Das ist schwierig. Es setzt in jedem Fall die Bereitschaft voraus, sich miteinander zu verständigen. Das ist das A und O in einer offenen Gesellschaft. Und wird immer wichtiger, je härter es dort zugeht, wo öffentlich gestritten wird. Sei es im Netz oder in Talkshows, sei’s in Leserbriefen oder wenn im Freundeskreis diskutiert wird. Dass einer den anderen restlos überzeugt, wird kaum der Fall sein. Viel wichtiger ist es, sich zu verstehen, die Position des vermeintlichen „Gegners“ zu kennen und sich ehrlich mit ihr auseinanderzusetzen. Am Ende muss fast immer ein Kompromiss stehen, mit dem beide leben können, der aber auch beide ernst nimmt. Ob das bei den Klima-Klebern schon so ist? Ich fürchte: Nein. Eine große Zahl vor allem junger Leute fühlt sich nicht nur unverstanden, sie haben viel mehr den Eindruck, dass einfach nicht genügend getan wird fürs Klima, dass ihnen gar nicht richtig zugehört wird. Deshalb ist es notwendig, sie einzuladen: in unsere Gemeinderäte, in den Landtag, zu Debatten in Parteien und zu Bürgerforen. Noch wichtiger ist, dass wir einem Teil ihrer Forderungen Recht geben und sie in die Tat umsetzen. Nämlich den Teil, wo es schon längst höchste Zeit: beim schnelleren Bau von Windrädern und Sonnenkollektoren zum Beispiel. Aber leider versickert ein ordentlicher Teil der Energiewende dort, wo das Geld sitzt. Und in viel zu komplizierten juristischen Verfahren. Es rächt sich bereits jetzt, dass zu viel Zeit vertrödelt wurde.

Es ist wichtig, dass keiner ins politische Abseits gedrängt wird, gezwungen sein Anliegen außerhalb unseres Rechtsstaats zu vertreten. Wer das auch so sieht, sollte dabei helfen, dass alle die Möglichkeit haben, gehört zu werden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37973
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