SWR1 3vor8

28MAI2023
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Ich weiß nicht, auf welche Bibelstelle sich der Erzbischof von Canterbury bezogen hat, als er Charles zum König gesalbt hat. Ihn allein, und ausdrücklich nur ihn. Die Stelle, die heute im Mittelpunkt aller christlichen Gottesdienste steht, kann es kaum gewesen sein. Denn dort heißt es: Und alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt.[1] Alle! Das ist für mich das ausschlaggebende Wort in jenem Bericht der Apostelgeschichte, in dem es um Pfingsten geht. Pfingsten: Das Fest des Heiligen Geistes. Von dem mit Nachdruck betont wird, dass er auf alle Welt, die gesamte Menschheit gekommen ist. Es werden dort ausdrücklich die unterschiedlichen Nationen und Völker genannt, die einander fremd und oft feindlich waren. Parther, Meder und Elamíter, Bewohner von (…) von Phrýgien und Pamphýlien, (…) Juden und Proselýten, Kreter und Áraber[2]. Aber das wird in Zukunft ganz anders sein, verheißt die Apostelgeschichte im Neuen Testament der Bibel. Denn der Geist, von dem da die Rede ist, der macht, dass die Menschheit sich versteht. Und gemeint ist damit nicht nur die Sprache, sondern man wird die Eigenheiten des anderen verstehen, seine kulturelle Prägung, die Art und Weise zu denken. Es kommt nun nicht mehr auf die Unterschiede an - die bleiben bestehen - sondern darauf, trotzdem einander gut zu sein. Für mich ist es eine berauschende Vorstellung, dass Gott das in uns angelegt hat; dass wir diese Möglichkeit abrufen können, wenn wir nur wollen. Ich kann den Fremden, der in mein Land kommt, gastfreundlich empfangen. Ich kann mit dem teilen, der weniger hat. Ich kann mich bemühen, die zu verstehen, die anders sind. Das alles kann ich, wenn ich will. Und Gottes Geist unterstützt mich dabei, dass es gelingt.

Möglich ist es deshalb, weil wir alle gleich sind. Nicht einer ist König, sondern alle. Nicht einer ist Priester, der allein die Wahrheit von Gott verkündet, sondern gemeinsam sind wir Gottes Volk. Das ist der Kern dessen, was Taufe bedeutet. Und was sich von der Königssalbung so grundsätzlich unterscheidet. Die christliche Taufe, so verstanden, ist eine echte Revolution gewesen: Jeder und jede Getaufte ist Priesterin, Prophetin, Königin. Wenn wir genau hinschauen, wie viel Wert wir auf Unterschiede legen, dann spüren wir, wie revolutionär das bis heute ist. Und wie enorm anspruchsvoll, an jenen Geist zu glauben, der an Pfingsten begonnen hat, unsere Welt zu durchdringen. Und hoffentlich bis heute zu verändern.

 

 

[1] Apostelgeschichte 2,4

[2] Apostelgeschichte 2,9-11

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