SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken

14MAI2023
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Ostern ist längst vorbei. Fünf Wochen schon. Aber in der Kirche dauert die Osterzeit bis Pfingsten. Fünfzig Tage lang ist für Christen jeden Tag Ostern, jeder Tag ein Fest. Heute auch. Ein Fest der Auferstehung. Wer glaubt, der glaubt: Dass der Tod nicht das letzte Wort hat, sondern das Leben über den Tod siegt. Und darüber kann man gar nicht genug jubeln, davon soll man nicht aufhören zu sprechen. Weil es das Größte ist. Weil es die Ur-Angst von uns Menschen – dass wir sterben müssen – in seine Grenzen verweist. Ja, wir müssen sterben. Aber damit ist nicht alles aus und unser Leben war nicht umsonst. Daran glauben die, die sich Christen nennen.

Ein Gebet für den Gottesdienst an diesem Sonntag spricht ausdrücklich davon. Wörtlich heißt es da: „damit das Ostergeheimnis, das wir in diesen fünfzig Tagen feiern, unser ganzes Leben prägt und verwandelt“. Ostern, die Auferstehung wird als Geheimnis verstanden. Und Geheimnisse sind naturgemäß weder leicht zu verstehen noch einfach in Worte zu fassen. Ein Geheimnis hat immer einen Rest, der sich nicht zeigt und den man nicht erklären kann. Der aber trotzdem da ist. Mit zunehmendem Alter wird mir das immer wichtiger. Es fällt mir nämlich schwer, vollmundig von der Auferstehung zu sprechen. Als wäre das so selbstverständlich wie das Amen in der Kirche. Ist es bei mir nicht. Ich glaube daran, dass nicht alles aus und vorbei ist, wenn ich einmal sterbe. Aber darüber zu sprechen, das fällt mir eher schwerer als es früher der Fall war. Das hat eben damit zu tun, dass Ostern ein Geheimnis ist. Ganz begreifen werde ich das nie. Trotzdem glaube ich, hoffe ich. Und es hilft mir, dass so viele Menschen das seit zweitausend Jahren getan haben; und dass die Hoffnung auf die Auferstehung nie verstummt ist seither.

Nun geht das Gebet heute aber noch einen Schritt weiter. Meine gesamte Existenz soll von Ostern bestimmt sein. So, dass ich mir gar nicht vornehmen muss, fünfzig Tage lang zu feiern. Es soll von allein so allein, automatisch. Puuh! Das ist ein riesiger Anspruch. Er ist so groß, dass ich schnell merke, wie er mich überfordert. Denn der Tag heute ist gar nicht anders als die Tage sonst das Jahr über. Ich feiere nachher den Gottesdienst mit und da ist von Ostern die Rede, und was es für unser Leben bedeutet. Aber das ändert nichts daran: Da fehlt noch ganz schön viel, bis dahin, dass ich ganz und gar durchdrungen wäre von Ostern. Wie also gehe ich mit diesem Anspruch um? Dazu gleich mehr nach etwas Musik.

INSTRUMENTALZWISCHENSPIEL

Die Osterzeit dauert in der Kirche noch bis Pfingsten. Noch zwei Wochen also. Ich beschäftige mich deshalb heute in den SWR4-Sonntagsgedanken mit der Frage: Wie kann ich österlich leben? Besser womöglich, als es mir bisher gelungen ist.

Denn der Osterglaube ist keine Theorie. Es genügt nicht davon zu sprechen, ihn mit Worten zu bekennen. Wenn es einen Wert haben soll, dass Christen an die Auferstehung von den Toten glauben, dann muss sich das in ihrem Leben auswirken. Es muss sozusagen praktische Konsequenzen haben. Ich denke, es gibt genügend Anlässe, damit anzufangen, Punkte, wo ich ansetzen könnte.

Wer glaubt, dass der Tod nicht über das Leben siegt, muss sich dem Tod in seinen vielfältigen Formen aussetzen. Der Tod ist ständig präsent, und es ist falsch wegzuschauen oder ihn gar aus dem Leben auszublenden. Wenn ich schwer krank werde, dann weist das auf den Tod hin, vor dem ich nicht fliehen kann. Wenn ich an einem schweren Verkehrsunfall vorbeifahre, dann weist mich das unerbittlich darauf hin, wie brüchig mein Leben ist. Wenn ich in den Nachrichten die zerstörten Häuser in der Ukraine oder im Sudan sehe, geht es dort um den Tod. Ich soll mich daran nicht weiden, nicht gaffen, als wär’s ein Spektakel. Aber ich soll auch nicht wegschauen, als ob es mich nichts anginge. Der Tod ist in dieser Welt; er ist in mir. Und es liegt auch an mir, was ich ihm entgegensetze. Es ist gut, wenn ich mir als Kranker helfen lasse an Leib und Seele und mich nicht in mein Schicksal ergebe. Und wenn ich sterben muss, ist es gut, wenn ich vorbereitet bin. Ein Testament zu schreiben hilft, und mit Freunden darüber zu sprechen, was mir wichtig ist, was geschehen soll, wenn ich einmal nicht mehr da bin. Oder sich rechtzeitig von Dingen zu trennen, die einmal so wichtig waren, aber angesichts des Todes wertlos sind. Da wird dann Ostern sehr schnell konkret. Mir hilft es auch, immer und immer wieder über meine Zweifel zu sprechen, mich mit anderen darüber auszutauschen, wo unser Glaube schwach ist. Auf die Dauer prägt das dann wirklich meine Einstellung dem Tod gegenüber. Es vertreibt das mulmige Gefühl zumindest ein bisschen, das ich oft spüre, wenn ich an den Tod denke. Ich weiß nicht, ob ich einmal so weit komme, dass ich gar keine Angst mehr vor dem Tod habe. Von tiefgläubigen Menschen sagt man ja, dass es so sei. Bis dahin lasse ich mich von besagtem Gebet dieses Sonntags ermutigen, dass mein ganzes Leben von Ostern geprägt und verwandelt wird. So kann man Ostern auch verstehen: Als Fest, das jedes Jahr aufs Neue Mut macht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37619
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