SWR2 Lied zum Sonntag

19FEB2023
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Wohin geht die Reise? Was kann den Weg weisen? Den Weg durchs Leben – oder auch nur durch die nächste Zeit?
Auf See sind das Sterne. Die sieht man dort besonders gut. Meerstern – stella maris: Mit diesem Namen rufen Seefahrer seit alters Maria an, die Mutter Jesu. Sie ist der Stern, der den Weg weist, auf dem Meer und im Leben.
Ave, maris stella – gegrüßt seist du, Meerstern: So beginnt ein sehr altes Gebet. Und so hat es der norwegische Komponist Edvard Grieg 1898 vertont:

Ave, maris stella,
Dei mater alma
atque semper virgo,
felix caeli porta.

„Meerstern, sei gegrüßet, Gottes hohe Mutter, allzeit reine Jungfrau, selig Tor zum Himmel!“
In meiner evangelischen Erziehung gab es keinen Platz für solche Sätze. Doch Griegs ruhig atmende Musik schenkt mir einen Zugang dazu. Ich male mir aus, wie dieses Lied nachts auf einem Schiff gesungen wird, unter freiem Himmel, unter den Sternen. Menschen aller Sprachen und Nationen finden in den alten lateinischen Worten zusammen.
Das wäre in der Tat das Tor zum Himmel. Das hätte etwas Erlösendes – so wie es in der nächsten Strophe heißt: „Lös der Schuldner Ketten, mach die Blinden sehend, allem Übel wehre, jeglich Gut erwirke“:

Solve vincla reis,
profer lumen caecis,
mala nostra pelle,
bona cuncta posce.

Die so besungene Maria ist nicht nur der strahlende Stern am Meereshimmel. Sie ist auch die sehr aktive Fürsprecherin der Menschen. Wenn ich auf so einem Schiff wäre, dann würde ich mitsingen. Würde der Größe dieses Gebets nachgehen, Wort für Wort, Atemzug für Atemzug.
Maria als Gegenüber zu Gott und zu den Menschen: Das hat schon etwas Faszinierendes, Anziehendes, auch für mich. Die Musik von Edvard Grieg zeichnet Maria mit sanfter Stärke und einem langen Atem. Voller Vertrauen und Liebe bleibt sie dran, bis die Not gelöst ist. Weil sie Gott hört. Und uns Gott hören lässt.

Vitam praesta puram,
iter para tutum,
ut videntes Jesum
semper collaetemur.

„Gib ein lautres Leben, sicher uns geleite, dass wir einst in Freuden Jesus mit dir schauen.“
Da geht die Reise hin. Vitam puram, ein reines Leben – das ist wohl eine Utopie, ein Ort, den es nicht gibt. Aber es gibt den Weg dahin. Mit Gottes Hilfe bleiben wir auf Kurs. Wie Maria, die einmal einem Engel geantwortet hat: „Ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast.“

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T + M: Ambrosius Autpertus, 8.Jh. / Edvard Grieg 1893/98
Musik: Mogens Dahl Chamber Choir, Sacred North, Track 5, Exlibris EXLCD30127

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