SWR1 Begegnungen

05FEB2023
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Eckart von Hirschhausen Foto: Julian Engels

… und mit Eckart von Hirschhausen. Man kennt ihn. Als Arzt und Komiker, als Fernsehmoderator. Ich treffe ihn in Ulm. Nach einem seiner letzten Bühnenauftritte als Kabarettist. Seine Zeit und sein Engagement will er künftig den Themen seiner Stiftung[1] widmen: gesunde Menschen auf einer gesunden Erde. Eckart von Hirschhausen will aufrütteln und aufmerksam machen. Auf die dramatischen Folgen des Klimawandels. Weil er das Gefühl hat: Wir haben es immer noch nicht kapiert. Seine letzte Bühnenshow trägt nicht ohne Grund den Titel „Endlich!“.

Ich hatte vorher viele Programme gemacht, über den menschlichen Körper, zur menschlichen Seele, zu Glück, zu Liebe, zu Wundern. Und dann dachte ich: So, jetzt mal an das dickste Brett, nämlich unsere eigene Endlichkeit, unsere Sterblichkeit. Und eng damit verbunden ist für mich auch, dass mit dem Nicht-akzeptieren-Wollen, dass wir endlich sind, wir ja auch die Erde ruinieren. Wir glauben, es gibt unendlich viele Ressourcen. Und es gibt eben genau das Gegenteil. Weil wir eine spirituelle Leere haben, die mit Hyper-Konsum versuchen zu füllen, und damit die Situation eben immer bedrohlicher wird.

Dass wir bereits in einer extrem bedrohlichen Situation sind – und zwar hier in Deutschland - ist für Eckart von Hirschhausen längst klar.

Mit dem Ahrtal, mit einem Dürre-Sommer, mit brennenden, Wäldern, die alle lokalen Feuerwehren überfordern, mit Missernten, mit einem Rhein, einer Lebensader, die plötzlich austrocknet. Also die Zeichen sind alle da und trotzdem denken wir immer noch: Ja, das war jetzt ein Jahrhundertereignis und hoffen, wenn es einmal im Jahrhundert schon mal so war, dann reicht es ja, dann kommt es auch nicht wieder.

Ist das tatsächlich der Grund, warum viele bis heute den Klimawandel nicht richtig ernst nehmen?

Ich glaube, dass wir bislang die falschen Geschichten erzählt haben. Wir haben immer gesagt, Klimakrise ist ein Problem von Eisbären oder von mir aus auch von Inselstaaten, die überschwemmt werden. Wir haben immer so getan, als wenn wir das irgendwie aus Liebe zu der Natur oder zu Menschen im globalen Süden machen müssten. Die sind viel, viel härter getroffen als wir jetzt, aber jeder Mensch auf dieser Erde, auch in den reichen Ländern, wird leiden.

Mit einem simplen Beispiel macht Eckart von Hirschhausen klar, warum unser System Erde in Schieflage geraten ist:

Solange in unserem Wirtschaftssystem ein Baum mehr wert ist, wenn wir ihn in Bretter zerschneiden, als wenn er mit Wurzeln und Blättern wachsen kann, so lange werden Bäume gefällt. Das heißt, wir haben auf eine kuriose Art den Wert der Schöpfung vergessen wertzuschätzen. Und damit sind wir alle in einem Hamsterrad gefangen, wo eben nicht mehr der Jutebeutel den Unterschied machen kann, sondern nur eine wirksame Klimapolitik.

Eckart von Hirschhausen ist Arzt und Fernsehmoderator. Und engagierter Kämpfer gegen den Klimawandel und für eine gesunde Erde. Denn von deren Zustand hängt auch unsere Gesundheit ab.

Es gibt biologische Grenzen, aus denen wir als Menschen uns nicht befreien können. Und die liegen in unserer Körperlichkeit. Also wir bestehen aus Eiweißstoffen, die bei 42 Grad ihre Struktur ändern. Und dann denkt man, das ist aber sehr theoretisch, dann sage ich: Nein. Jeder hat doch schon mal ein Ei gekocht.

Was er dann erzählt, erschreckt mich. Denn: Ein Ei wird hart, wenn man es in warmes Wasser legt, da reichen gute 40 Grad schon aus.

Das heißt, dieses Ei hat irreversibel, unumkehrbar für immer seine Struktur verändert. Warum erzähle ich das? Woraus besteht ein Ei? Aus Wasser, aus Fett und aus Eiweiß. Woraus besteht unser Hirn? Aus Wasser, aus Fett und aus Eiweiß. Aus exakt den gleichen Baustoffen. Mit genau den gleichen biologischen und physikalischen Grundgesetzen. Die sind nicht verhandelbar.

Das ist der wissenschaftliche Blick. Doch es gibt noch einen zweiten. Der hat mit seiner Geschichte zu tun. Hirschhausen kommt aus einer Pastorenfamilie. Seine Vorfahren waren über mehrere Generationen hinweg Pfarrer im Baltikum.

Wir müssen diese Schöpfung bewahren, und zwar nicht aus Übereifer oder aus Moral, sondern weil wir Menschen davon abhängen. Und ich glaube, dass diese Idee, dass die Erde eigentlich ein Lebewesen ist, dass wir leben, weil es anderes Leben gibt - die Erde mit den verschiedenen Lebensformen auch als beseelt wahrzunehmen, das ist etwas, was ganz wichtig ist, weil wir können nur schützen, was wir schätzen.

Es kommt also nicht von ungefähr, wenn Eckart von Hirschhausen eine ganz konkrete Vorstellung davon hat, welche Rolle die Kirchen bei der Bekämpfung des Klimawandels spielen müssten.

Ich träume davon, dass jede Kirche in jedem Dorf Solarpanels auf dem Dach hat. Ich träume davon, dass jede kirchliche Einrichtung eine pflanzenbasierte Küche hat, also dass wir endlich aufhören, Billigfleisch in jedem Kita-Hort, in jedem Krankenhaus anzubieten. Das ist echt unchristlich, dieser Pamp.

Und er träumt davon, dass die Kirchen auf den Gedanken der Nächstenliebe noch etwas draufpacken. Dafür hat er ein neues Wort kreiert. Er sagt: Es braucht die Über-Nächstenliebe:

Über-Nächstenliebe bedeutet über Grenzen hinweg auch Menschen mit in die Empathie mitzunehmen, die weiter weg sind. Und Über-Nächstenliebe im Sinne von: Die Generationen, die kommen sollen - wir haben diese Erde halbwegs heil übernommen, wir sollten sie nicht in deutlich schlechterem Zustand weitergeben, als wir sie empfangen haben.

Zum Abschluss unseres Gesprächs frage ich Eckart von Hirschhausen, was ihn mehr antreibt, der Wissenschaftler in ihm oder der Christ. In seiner Antwort höre ich beide – und einen Kabarettisten, der es sehr ernst meint:

Es gibt einen Himmel und eine Erde. Und jede Tonne CO2, die wir da hochpusten, uns unsere eigene Luft dreckig machen und uns selber die Hölle machen - im wahrsten Sinne - erfüllt das, was im Vaterunser steht, nämlich wie im Himmel, so auf Erden. Also da können wir alte Weisheiten neu interpretieren und hoffentlich daraus auch Kraft schöpfen für die Veränderung, die jetzt ansteht.

 

[1]https://stiftung-gegm.de/

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37062
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