SWR4 Abendgedanken RP

Die Zeit zwischen Ostern und Pfingsten. Für uns sind das heute herrliche Frühlingstage. Für die Gründergeneration des Christentums war das eine Zeit voller Wunder.
Denn damals entstand die christliche Kirche. Und die setzte sich schnell gegenüber allen anderen Kulten und Religionen der Antike durch. Warum? Gerd Theißen, Professor für Neues Testament in Heidelberg:

Keine andere Religion oder Philosophie hat das Leben vom ersten Augenblick bis zum Sterben, auch das verfehlte Leben, das gestrauchelt war, so aufgewertet. Man konnte den Menschen die Gewissheit geben: auch da ist Gott immer bei Euch.

Teil 1

Christus ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden. Seit Jahrtausenden grüßen sich Christinnen und Christen so am Ostermorgen. Vielleicht kennen Sie diesen Gruß. Ich genieße immer wieder die fröhliche Atmosphäre, in der dieser Gruß ausgetauscht wird.
Für die erste Christengeneration war Ostern nicht nur ein Fest. Es war auch das Ende eines Alptraums. Denn sie hat Jesus noch erlebt, wie er Kranken geheilt und Hungrige satt gemacht hat. Für Jesus haben sie ihren Beruf als Fischer oder Handwerker aufgegeben und ein neues Leben angefangen. Und dann sein Tod am Kreuz, verzweifelt, mit einem Schrei auf den Lippen.
Sollte das alles zu Ende sein? -Aber dann stand er plötzlich wieder vor ihnen, an Ostern.

Und die Jünger und Jüngerinnen haben nichts Anderes erfahren als dass Jesus als er selbst wieder lebendig ist, aber verändert, verwandelt. Also mit einem Leib, der durch Türen gehen kann, der plötzlich verschwunden sein kann, der auch vom Himmel her als Licht erscheint, also nicht gebunden an unsere Grenzen, aber gezeichnet durch die Wundmale, erkennbar an der Stimme, also alle Merkmale der persönlichen Geschichte sind bei Jesus aufgehoben und bewahrt.

Klaus Berger, Professor für Neues Testament in Heidelberg hat fast sein ganzes Leben über Jesus und die erste Christengeneration geforscht. Für ihn ist klar: Jesus ist leibhaftig auferstanden. Nicht nur als Idee. Nicht nur so, dass seine Sache weitergeht.
Mit bloßer Logik, meint Berger, kommt man im Leben nicht weit. Und er erklärt mir das so:
Es gibt vier Türen, die zu den verschiedenen Räumen unserer Wirklichkeit führen. Hinter der ersten Tür finden wir den Raum der Naturwissenschaft. Da ist alles die Folge von Ursache und Wirkung. Da gibt es Gesetze, die kann man was berechnen und beweisen.

Türe zwei kann man schon nichts mehr beweisen, da geht es um unsere Wertvorstellungen, ob der Mensch eine Würde hat, dass er frei ist, dass er von Anfang an ein Mensch ist, das kann man nicht beweisen.

Hinter der dritten Türe finden wir den Bereich von Kunst und Kitsch, Poesie und Musik, Dinge, die wir zum Leben brauchen. Da kann man auch nichts beweisen.

Und die Türe vier geht es um die unsichtbare Welt Gottes, des Teufels der Dämonen, der toten Seelen, alles, was die Menschen seit hunderttausend Jahren beschäftigt, nicht nur das Christentum. Hier gelten andere Regeln. Es gilt nicht das Verhältnis von Ursache und Wirkung, sondern hier ist es unverhältnismäßig. Die Unverhältnismäßigkeit eines Wortes.

Zum Beispiel das Wort, wenn ein Mensch einen anderen segnet. Oder wenn jemand Ja sagt vor einem Traualtar. Ja zu einem anderen. Dieses Ja ist unverhältnismäßig stark, viel stärker als jedes andere Ja. In Gottes unsichtbarer Welt ist das so, meint Klaus Berger,

dass manchmal die Vollmacht, die Macht so geballt ist, dass sie einfach platzt und das nennt man dann ein Wunder.

Und so ähnlich muss man sich das vorstellen, das Wunder der Auferstehung Jesu. Da ist Gottes Macht so stark, dass etwas platzt. Und da ist auch aus dem Tod heraus neues Leben geplatzt, aufgebrochen. Der Tod ist nicht mehr das Ende, er hat nicht das letzte Wort. Er ist vielmehr der Anfang der Geschichte mit Gott. Das aber verändert das Leben und das menschliche Miteinander von Grund auf.


Teil 2
Christus ist auferstanden! Nein, Jesus ist nicht erbärmlich als Verbrecher zugrunde gegangen. Er ging durch den Tod und er lebt. Für die erste Christengeneration war das der Startschuss. Danach hat sich alles verändert. Das Verhältnis zum eigenen Tod, zu dem, was im Leben wichtig ist. Und das Verhältnis untereinander.
Vieles war damals jedoch ganz anders als heute, deshalb ist es wichtig, die Bibel genau zu studieren, so der Theologe Klaus Berger.

Und dann kommt man zu der Einsicht, das war damals sehr viel anders und dann muss man genau darauf achten, wie reden die Menschen über Trauer etwa. Trauer wird in der Gemeinschaft vollzogen, gesellschaftliches Ereignis, nicht die Arbeit eines Einzelnen und Freude äußert sich indem man miteinander ein Fest feiert, aber nicht, indem man still vergnügt vor sich hingrinst. Also die soziale Seite des Menschen ist viel ausgeprägter in der Bibel und das kann man nur durch kleine Beobachtungen lernen.

Also wie war das damals in den Gründerjahren des Christentum? Der Theologe Gerd Theißen hat auch darüber geforscht.

Die Christen verbreiten sich, obwohl sie vom Land stammen. Galiläa, Palästina, am meisten in den Städten. In den Städten gab es Peregrine, Fremde die von außen kamen und die mussten sich neu kulturell definieren und gerade in diesen Kreisen hat das Christentum Resonanz gefunden. Das waren Menschen, die suchten nach einer Identität, wo sie unabhängig von ihrer Herkunft akzeptiert waren und das boten die Christen an. Sie sagten ja, egal wo ihr herkommt, allein durch den Glauben seid ihr gleichwertig und eins in Christus.

Alle eins in Christus. Ob nun Sklave, Zeitarbeiter oder Professor. Ob aus Anatolien oder New York, ob mit Häuschen im Grünen oder Sozialwohnung. Alle gleichwertig und eins in Christus. Entscheidend ist der gemeinsame Glaube daran, dass Jesus auferstanden ist vom Tod. Dass Gott ihm auch als Leidendem und Sterbenden nah war.

Dann nämlich ist das ganze menschliche Leben vom ersten Augenblick bis zum letzten Atemzug von Gott akzeptiert, also es wird geheiligt und erhält einen großen Wert. Die Christen hatten keine Antwort darauf, warum es so viel Leid gibt, aber sie zogen Trost daraus, dass Gott in all diesen Leiden mit leidet.

Und das hat auch Außenstehende berührt und berührt noch heute. Und es macht Mut, das Leben, wie es nun mal ist, aus Gottes Hand anzunehmen. Weil Gott auf unsrer Seite ist. Weil Gott uns liebt, auch und gerade, wenn unser Leben scheinbar nicht gelungen ist.

Keine andere Religion oder Philosophie hat das Leben vom ersten Augenblick bis zum Sterben, auch das verfehlte Leben, das gestrauchelt war, so aufgewertet. Man konnte den Menschen die Gewissheit geben: auch da ist Gott immer bei Euch.

Diese Botschaft hat das Christentum damals aus dem unüberschaubaren Religionsmarkt herausgehoben. Der Glaube an den Gott, der ins tiefste Leid mit hinein- und hindurchgeht.
Das ist heute noch überwältigend, obwohl oder gerade weil es mit dem logischen Verstand so schwer zu fassen ist. Was heißt das für uns heute?


Teil 3
Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden! Mit diesem Ruf haben die ersten Christen nicht nur die Herzen der Menschen der damaligen Welt berührt. Sie haben eine Gemeinschaft gegründet, die sich in weniger als 100 Jahren im ganzen Mittleren Osten ausbreitete und heute eine Weltreligion ist.

Was ist das Geheimnis seines Erfolgs? Es ist der Glaube daran, dass gilt, was Jesus gelebt hat: Kranke heilen, Ausgegrenzte wieder in die Gemeinschaft zurückholen, und überhaupt: miteinander eine Gemeinschaft haben in der gilt: Du bist für wertvoll in Gottes Augen. Und Gott liebt dich, auch wenn äußerlich alles dagegen spricht.
In diesem Geist haben die ersten Christen eine neue Gemeinschaft aufgebaut, so Gerd Theißen, Professor für Neues Testament.

Das Fundament der Gemeinde ist in der Beziehung zu Gott die mir durch den Heiligen Geist eröffnet wird. Die Folgen sind aber dann die Überwindung sozialer Grenzen. Im Urchristentum hätte Paulus nicht geglaubt, dass die Menschen von Heiligen Geist ergriffen sind, wenn sie meinen, sie haben eine Beziehung zu Gott, aber im Sozialen und zwischen den Völkern bauen sie Grenzen auf.

Gott holt Menschen aus ihrer Einsamkeit und Verlorenheit heraus. Gottes Geist verbindet Menschen untereinander. Das feiern wir am kommenden Pfingstfest. An Pfingsten erleben die ersten Christen, dass sie plötzlich über die Grenzen von Sprache, Sitte und Kultur miteinander reden und einander verstehen können. Dieses Pfingstwunder, das die Bibel beschreibt ist ein fröhliches Kauderwelsch verschiedenster Sprachen, so Gerd Theißen

Man könnte ja auch das Wunder zurückführen, dass alle plötzlich hebräisch können. Aber nein, Lukas schildert das so: es gab zwar die Zungenrede, aber jeder hört in seiner eigenen Sprache, das heißt, die Vielfalt der Sprachen wird nicht aufgehoben, etwa zugunsten eines Schnellkurses in Hebräisch.

Das Besondere der verschiedenen Gruppen und Typen wird nicht ausgelöscht. Es wird integriert. Es darf sein- als Teil eines großen Ganzen. Der neuen Gemeinschaft derer, die an den Auferstandenen glauben. In dieser Gemeinschaft geht es nicht darum, sich gegen Andere durchzusetzen, sondern sich für Andere einzusetzen. Nicht den Sieg gewinnen sondern den Anderen für den Glauben gewinnen. So ein Umgang miteinander hat manchmal ein unkonventionelles Gesicht. So erzählt mir Gerd Theißen von einer Frau, die ihn als Christin sehr überzeugt hat. Warum?
Sie war eine sehr fromme Diakonisse, ein bisschen zu fromm für sein Empfinden. Aber sie hat sich- ganz im Geist Jesu- um die gekümmert, die am Rand unserer Gesellschaft stehen. Um die Prostituierten in ihrer Stadt. Wenn sie in Not waren, ist sie mit ihnen aufs Sozialamt gegangen.

Sag ich zu ihr:„Was machen Sie denn mit den Leuten?“ Sagt sie: „Ja, wissen Sie, wenn die zum Sozialamt gehen und irgendeinen Antrag stellen, die genieren sich ja so, denn dort sitzen ihre Freier. Und dann geh mit, und dann ertragen sie das. https://www.kirche-im-swr.de/?m=3469
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