SWR4 Abendgedanken

05JAN2022
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Gold, Weihrauch und Myrrhe. Das sind die Geschenke, die die drei Sterndeuter in der Bibel dem neugeborenen Jesuskind darbieten. Kein Mensch würde heute bei der Geburt eines Kindes solche Geschenke machen. Heute schenkt man eher eine Strampelhose oder ein Mobile für den Wickeltisch. Allenfalls vielleicht noch eine Geldanlage in Gold für das spätere Leben.

Schon in den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt haben Theologen über die Bedeutung dieser Geschenke nachgedacht.

Sie sagten, dass das Gold die Königswürde von Jesus zeigt. Ein König war in biblischer Zeit ein Mensch, der im Auftrag Gottes das Volk leitet und schützt. Hinter diesem Geschenk steckt also etwas, was ich jedem neugeborenen Kind wünsche: Dass es geschützt und geborgen aufwächst und später auch für andere ein Mensch ist, bei dem sie sich geborgen fühlen.

Der Weihrauch, den die Sterndeuter schenken, steht für das Göttliche. Man verwendet Weihrauch vor allem bei Gottesdiensten. Für mich bedeutet dieses Geschenk, dass die Menschen, die auf Jesus treffen, erleben, wie sich hinter dem Menschlichen das Gesicht Gottes zeigt.  Jesus hat den Menschen gezeigt,  dass er ihnen rundum gut gesonnen ist und dass er trotz ihrer Fehler ihre Würde sieht. Ich habe es neulich im Gespräch mit einem jungen Mann erlebt, den ich als Lehrer erwischt habe als er gegen die Hausordnung verstoßen hat. Er hat so ein schlechtes Gewissen gehabt, dass er dachte, ich sehe nur noch seinen Fehler. Als ich ihn aber auch auf das angesprochen habe, worauf ich vorher schon stolz bei ihm war, hat ihn das wie umgedreht. Er hat sich aufgerichtet, mir wieder in die Augen geschaut und gestrahlt.

Auch das ist etwas, was ich jedem Kind wünsche: Dass ich ihm in die Augen schauen und diese göttliche Würde sehen kann.

Das dritte Geschenk, die Myrrhe, ist fast eine Provokation. Myrrhe ist ein Baumharz, das man in das Öl für die Totensalbung gemischt hat. Es deutet also darauf hin, dass das Jesus-Kind sterben wird. Aber auch darauf, dass es im Tod bei Gott aufgehoben ist. Eigentlich ein schöner Wunsch für das Neugeborene, weil es zeigt, dass sein ganzes Leben vom Anfang bis zum Ende in Gottes Hand geborgen ist.

Ich würde mich nicht trauen, Eltern zur Geburt so ein Geschenk zu machen. Aber je länger ich darüber nachdenke, wünsche ich jedem Menschen, wofür diese drei Gaben stehen:  Dass Gott ihn voller Barmherzigkeit durchs Leben begleitet, gerade auch dann, wenn er Fehler macht. Und besonders, dass das Leben von der Geburt bis über den Tod hinaus in Gottes Händen geborgen ist.

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