SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken

04AUG2019
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„Wollen wir nicht wieder glauben: / ans Herz, etwas darunter die Seele / wie an das Haltbarkeitsdatum auf Mayonnaisegläsern“.

Dieser schräge Satz steht in einem Gedicht des jungen deutschen Autors Benjamin Maack. Ich habe es neulich in einem Vortrag gehört. An das Herz oder an die Seele glauben wie an das Haltbarkeitsdatum auf Mayonnaisegläsern – zuerst fand ich das nur lustig. Doch dann habe ich angefangen, darüber nachzudenken.

Viele Leute sagen ja: Ich kann nur glauben, was ich sehe. Aber das Haltbarkeitsdatum von Lebensmitteln ist ein gutes Beispiel dafür, an wie viele Dinge wir in unserem Alltag glauben. Auf dem letzten Mayonnaiseglas, das ich gekauft habe, steht: Mindestens haltbar bis 30.09.2019. Also hab ich das bedenkenlos gekauft. Bis zum 30. September wird die Mayonnaise nicht schlecht, glaube ich. Und am 1. Oktober? Na ja, das ist schon ein kleines Risiko, nicht wahr? Auf jeden Fall müsste das Geschäft die Mayonnaise spätestens dann billiger anbieten. Und zum Beispiel am 7. Oktober darf die eigentlich gar nicht mehr verkauft werden.

Ob die Mayonnaise wirklich bis zum 30. September gut und eine Woche später möglicherweise schlecht ist – das wissen wir nicht. Das glauben wir. Woran könnten wir noch glauben? Einfach so, ohne es groß zu hinterfragen?

„Wollen wir nicht wieder glauben?“ Ganz beiläufig kommt diese Frage. So wie: „Wollen wir nicht was im Fernsehen gucken?“ oder: „Wollen wir nicht morgen in den Zoo gehen?“

Wollen wir nicht wieder an das Herz und die Seele glauben? Wollen wir nicht wieder glauben, dass das Leben einen guten Kern und einen tieferen Sinn hat? Dass alles gut wird und dass die Liebe am Ende siegt? Dass sich Vertrauen lohnt, weil die Menschen im Grunde gut sind? Dass diese Welt gut geschaffen ist und sich einmal alles wunderbar fügen wird?

Diese Fragen bewegen mich. Da ist mein Herz schon am Arbeiten. Ich frage mich nämlich: Ist die Welt, die ich erlebe, nicht oft sehr herzlos? Viele fragen sich das. Aber was könnte besser gegen Herzlosigkeit helfen als einfach mehr Herz? Und dann die Seele. In der Bibel ist das ein Wort für die Persönlichkeit eines Menschen. Alles, was mich ausmacht, was mich zu diesem unverwechselbaren Menschen macht, was mich letztlich mit Gott verbindet – das ist meine Seele, sagt die Bibel. Herz und Seele – wollen wir daran nicht wieder glauben?

Ich trau mich nicht so direkt, das einfach mal meine Nachbarn zu fragen. Oder die Leute an der Supermarktkasse. Vielleicht, wenn die Kundin vor mir ein Mayonnaiseglas aufs Band legt. Aber die Antworten, die würden mich schon interessieren! Denn ich glaube wirklich: Wir brauchen in unserer Welt mehr Mut, an Herz und Seele zu glauben! Würde das nicht alles verändern?

Über den Glauben gibt es in der Bibel übrigens einen schönen Satz. Der Glaube ist – so heißt es da – eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.

Feste Zuversicht, dass das eintritt, worauf man hofft. Mir kommt jetzt ein alter Mann in den Sinn, den ich über viele Jahre gekannt habe. Vor ein paar Monaten ist er ruhig und friedlich gestorben. Typisch für ihn war: Immer wieder, bis zuletzt, hat er sich kleine Ziele gesetzt. Die wollte er noch erreichen. Das hat ihm immer wieder neue Hoffnung gegeben. Sein Herz ist davon fest geworden und seine Seele ruhig. Fest verbunden mit Gott, den er immer wieder gebeten hat, das nächste kleine Ziel erreichen zu dürfen.

Von diesem Mann habe ich gelernt, dass die Ziele nicht so groß sein müssen. Es können überschaubare Ziele sein – so wie: Ich möchte noch den Geburtstag meines Enkels erleben. So eine Zuversicht muss man üben. Aber das kann man jeden Tag. Das sind viele kleine Hoffnungsschrittchen. Viele kleine Portionen Glaube. Eine Vertrauenstreppe, auf der ich immer wieder eine Stufe höhergehe.

Eine solche Einstellung ändert wirklich alles, meine ich. Ich merke es sofort, wenn andere Menschen mit einer solchen Hoffnung durchs Leben gehen. Mit einem festen Herz und einer ruhigen Seele. So einem Vertrauen darauf, dass ihr Leben gut gemeint ist und dass das Ende gut sein wird. Das sind Menschen, bei denen ich gerne bin. Sie strahlen etwas aus, das mir sehr gut tut. Etwas von ihrem Glauben übertragt sich auf mich.

Übrigens ist das alles andere als ein Schönwetterglaube. Die Menschen, an die ich da gerade denke, die haben teilweise schreckliche Dinge erlebt. Ihr Vertrauen in das Leben ist eigentlich schwer erschüttert worden. Die Narben von diesen Wunden müssen sie bis zum Tod tragen. Und doch strahlen sie etwas Ruhiges aus. Etwas Fröhliches sogar. Sie denken darüber gar nicht einmal nach, habe ich das Gefühl. Dieser Glaube, dieses Vertrauen – das kommt ihnen einfach aus Herz und Seele. So selbstverständlich – ja, wie unser Alltagsglaube an das Haltbarkeitsdatum von Lebensmitteln.

Schräger Vergleich, ich weiß. Aber so ist es. Eine feste Zuversicht auf das, was ich hoffe. Ich zweifele nicht daran, auch wenn ich es nicht sehe. Ich vertraue, ich glaube. Ich übe Hoffnung, jeden Tag. Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=29170
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