SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken

07APR2019
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Was meinen Sie: Haben Sie den Platz im Leben, der Ihnen zusteht? Oder fühlen Sie sich eher beiseitegeschoben, übersehen, missachtet?
Ich gebe zu: Mich beschäftigt das Thema. Und immer wieder kriege ich mit, wie es auch andere beschäftigt. Vor allem die, die sich irgendwie zurückgesetzt fühlen. Oft ist das ja nicht nur ein Gefühl. Da schafft einer, müht sich ab, ist immer für alle da – und dann kommt plötzlich jemand, der überholt einen sozusagen rechts. Zieht an allen vorbei. Und dann steht man da und denkt bei sich im Stillen: Also, eigentlich wäre das jetzt mein Platz gewesen! Ist der oder die wirklich so viel besser als ich? Oder einfach nur frecher? Oder – ja: rücksichtloser?!

Viele Menschen haben dieses nagende Gefühl: Ich steh nicht da, wo ich eigentlich hingehöre. Da steht schon jemand anders. Und ich muss mich nach vorne drängeln, sonst übersehen mich alle.

Eine Geschichte in der Bibel beschreibt genau dieses Gefühl. Sie erzählt von zwei Jüngern von Jesus: Jakobus und Johannes. Eines Tages sind die beiden zu Jesus gegangen und haben gesagt: Du, wenn du richtig als König über die Welt herrschst, dann lass uns links und rechts von dir sitzen. Damit alle sehen, dass wir zu dir gehören. Jesus hat geantwortet: Passt mal auf, ihr beiden. Mir wird vorher noch eine ganze Menge passieren. Nicht so angenehme Dinge. Seid ihr dann auch bei mir? Und die beiden sagen: Ja, klar! Und da sagt Jesus: Also, bei dem ganzen Unangenehmen, da werdet ihr schon dabei sein. Aber über irgendwelche Plätze hinterher – da bestimme nicht ich drüber. Das hat Gott längst geregelt.

Die Geschichte geht noch weiter. Die anderen Jünger sind natürlich sauer über Jakobus und Johannes. Was drängeln die sich einfach vor! Und da sagt Jesus: Ja, so kennt ihr das: Da sitzen welche vorne und haben die Macht, und alle müssen ihnen gehorchen. Bei euch soll das aber anders sein. Wer bei euch groß sein will, der soll den anderen dienen.

Soweit die Geschichte. Hilft die jetzt bei unserem Problem? Ja, ich denke schon. Sie lässt mich in eine andere Richtung gucken. Weg von dieser Alternative: Entweder ich steh im Mittelpunkt – oder ich werde übersehen. Vielleicht ist das ja eine falsche Alternative. Jesus zeigt eine ganz andere: Lass nicht andere Menschen für dich schaffen – frag, wie du ihnen helfen kannst.

Was brauchen die anderen von mir? Und was kann ich ihnen geben? Was ist jetzt meine Aufgabe? Wer so fragt, für den ist nicht wichtig, ob er dabei jetzt vorne oder hinten steht. Man kann auch ganz vorne stehen und den anderen dienen. Dann kann man auch ganz hinten stehen und unverzichtbar wichtig sein.

 

Ich denke jetzt an Menschen, die ich immer fragen kann, wenn was gemacht werden muss. Unermüdlich packen sie an, helfen hier, halten da fest, hören dort zu und fahren jemanden irgendwohin. Und das alles noch fröhlich lächelnd und nicht etwa mit einem miesepetrigen Gesicht. Ich finde, das sind die wirklichen Helden unserer Welt! Ich bewundere die richtig!

Aber wenn ich einen davon jetzt bitten würde: Geh mal nach vorne und sag was! – Dann tue ich dem damit vielleicht keinen Gefallen. Anpacken: ja. Immer. Aber reden: bitte nicht. Das sollen bitte andere machen.

Nun, diese anderen haben dafür vielleicht zwei linke Hände oder stolpern gerne über ihre Füße. Aber sie können gut vor anderen stehen und reden. Dann sollen sie das doch bitte machen. Soweit wäre das doch in Ordnung, und jedem wäre gedient.

Wo wir jetzt nur noch hinkommen müssen: dass nicht die einen wichtiger gefunden werden und sich auch selbst wichtiger finden als die anderen. Das kenne ich von beiden Seiten. Den, der sich was auf seine Position einbildet – und den, der denkt: Nur wenn du mit den Händen anpackst, hast du richtig geschafft. Ich finde beides wichtig. Beides zu seiner Zeit. Und am besten von dem gemacht, der es wirklich gut kann.

Da müssen wir hin. Jeder macht das gerne, was er gut kann, und dient damit den anderen. Natürlich ist man selbst danach auch ein bisschen stolz auf sich. Warum nicht. Aber das Schönste ist doch, wenn man jemand anderen damit glücklich gemacht hat. Wenn jemand sich freut und ihm sein Alltag leichter fällt. Und das passiert am besten gegenseitig.

Aber Jesus hat schon recht: Die, die wirklich oben stehen, die haben eine besonders große Verantwortung dafür, dass allen geholfen wird. Dass keiner zurückgelassen wird.

Wo mein Platz im Leben ist, das entscheidet sich nicht an vorne oder hinten. Das entscheidet sich daran, was andere gerade von mir brauchen. Wer diesen Platz für sich gefunden hat, der kann sehr zufrieden werden. Der kann sogar glücklich sein.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie diesen Platz finden. Und wenn Sie bei einem anderen Menschen merken: Der sucht noch – dann können Sie ihm vielleicht helfen, dass er seinen Platz findet.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag!

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