SWR4 Abendgedanken RP

„Singt ein neues Lied dem Herrn“, heißt ein Lied im Gotteslob, dem Katholischen Gesangbuch. Und damit das mit dem neuen Lied auch klappt, soll nach über dreißig Jahren ein neues Gebet- und Gesangbuch herausgegeben werden. Auch das ist neu: die Kirchengemeinden dürfen mitarbeiten an diesem neuen Buch. Im heutigen Blickpunkt verfolgen wir den Beginn dieses ehrgeizigen Projekts.

Teil I

Gau-Algesheim hat es gut. Die Katholische Gemeinde Sankt Cosmas und Damian hat nämlich einen erfahrenen Kirchenchor. Und deshalb kann die Gemeinde schon mal testen, was vielleicht schon bald bundesweit in katholischen Kirchen im Advent gesungen wird: Zum Beispiel „Tochter Zion“
Tochter Zion hat zwar schon mehrere hundert Jahre auf dem Buckel, aber trotzdem war es nicht drin im alten Gesangbuch. Und vierstimmig schon gar nicht. Neue Töne in der Katholischen Kirche – nach über dreißig Jahren soll es ein neues Gesangbuch geben. Neue Lieder, das heißt auch: zeitgemäße Stücke, beliebte Taize-Gesänge und mehrstimmige Lieder. Sie sollen ab jetzt bis nächstes Jahr Pfingsten getestet. „Unsere Besten“ aus 2000 Liedern sozusagen. Für diesen Testlauf wurden bundesweit cirka 180 Gemeinden ausgewählt, städtische und ländliche Gemeinden, mit oder ohne Kirchenchor, der ganz normale Durchschnitt eben. Sankt Cosmas und Damian in Gau-Algesheim gehört auch dazu. Der Vorsitzende des Christian-Erbach-Chores Benno Neuhaus erklärt, wie die ganze Gemeinde bei diesem Testlauf mitmacht:

Das immer kleine Elemente schon mal mit reingenommen werden, dass man auch immer rückfragt, wie das denn bei den Menschen ankommt und dann so peu a peu Dinge ersetzt, bis wir dann tatsächlich irgendwann auch mal das komplette neue Buch haben werden ...
Bis dahin heißt es erst mal neue Lieder ausprobieren, Fragebögen ausfüllen, Bewertungen aufschreiben und die Ergebnisse einsenden. In Würzburg wird dann eine bundesweite Kommission die endgültige Auswahl der Lieder treffen, die dann ins neue Gesangbuch aufgenommen werden.


Aber nicht nur Lieder werden getestet. Auch Gebete und Vorschläge für christliche Familienfeiern soll das neue »Gotteslob« enthalten. Auch die werden schon jetzt von einigen Test-Familien in der Praxis erprobt. Gertrud Krassuski hat schon einige Anregungen für Weihnachten gefunden.



Verständlich und zeitgemäßer soll es werden, das neue Gesangbuch, und die Lebenssituation der Menschen von heute besser wiederspiegeln. Kerstin Kitzinger bringt ihre Wünsche auf den Punkt:

Das halt für jeden was dabei ist, also bekannte Lieder, aber auch neue Lieder, und halt auch Lieder, die die Kinder von der Melodie und auch vom Text her schnell lernen können.
Wie das geht? Kerstin Kitzinger hat schon klare Vorstellungen, was passieren muss, damit das neue Gesangbuch auch in den Familien ankommt. Vor allem, so sagt sie, müssten die Texte in der Sprache von heute sein.
Das es eigentlich ja auch irgendwie ein gewisses Bild in einem hervorruft und nicht so abstrakt ist, also es müsste ein bisschen blumigere Sprache sein und mehr so plakativ.


In Gau-Algesheim ist das neue Gesangbuch schon angekommen. Aber was passiert mit den Erfahrungen in dieser und anderen Gemeinden? Und: Was muss noch passieren, bis endlich das neue Gesangbuch vorliegt? Das hören Sie nach der nächsten Musik.

Teil 2

Ein schmales Buch, einfach und edel, in Grau und dunklem Rot, vierhundert Seiten, das ist der Testkandidat. Ausgewählte Teile des neuen Gebet- und Gesangbuches werden seit dem ersten Advent in ausgewählten Gemeinden und Familien auf ihre Praxistauglichkeit getestet. Etwa vom Christian-Erbach-Chor in Gau-Algesheim. Diözesankirchen-Musikdirektor Thomas Drescher betreut den Testlauf in der Diözese Mainz. Dabei interessieren ihn gleich mehrere Dinge:

Ist das machbar, ist das singbar, zum Beispiel auch mehrstimmige Sachen, kann man das mit einer Gemeinde machen, ist das Lied zu neu, oder ist der Text zu schwierig, ist das layout in Ordnung, kann man die Noten gut lesen, so verschiedene Dinge werden einfach probiert, das wird dann evaluiert, und im Herbst nächstes Jahr wird das dann entschieden wie es gemacht wird, was reinkommt...

Thomas Drescher weiß schon jetzt, wo nachgebessert werden muss: Zum Beispiel beim äußerlichen Erscheinungsbild. Die blasse Schrift können ältere Gottesdienstbesucher nur schlecht lesen. Bei den Liedern ist die Sache nicht ganz so einfach:

Es ist ja mit der Liedauswahl sehr schwierig, denn im Fundus sind über zweitausend Lieder, die gesichtet worden sind, und es können vielleicht dreihundert oder vierhundert in das Gesangbuch kommen, von daher weiß man, dass lange nicht alle Wünsche erfüllt werden können, und es wird sicher immer welche geben, die sagen, och warum ist das nicht reingekommen, das wird bei uns so gern gesungen, das lässt sich nicht verhindern.

Aber auch für diese aussortierten Lieder gibt es noch eine zweite Chance. Während noch gar nicht klar ist, welche Lieder in das deutschlandweite Gebet- und Gesangbuch kommen, arbeitet Thomas Drescher schon mit einigen Kollegen an der Auswahl für den Mainzer Anhang.
Einfacher ist es, die Gebete auszuwählen. Denn da gibt es kaum regionale Vorlieben. Der Test in Familien und Gemeinden soll zeigen, ob die Gebete und Texte in der Praxis auch angenommen werden. Wer will, kann das gleich im Advent ausprobieren:

Gütiger Gott, voll Freude erwarten wir das Fest der Geburt Jesu, deines Sohnes. Er macht hell, was in unseren Herzen dunkel ist, er kann trösten, wo wir traurig sind. Lass uns spüren, dass er uns nahe ist. Gib uns die Kraft, selbst aufzubrechen, und ihm entgegenzugehen, Christus unserem Bruder und Herrn. Amen.

Mit diesem Gebet könnte eine Familienfeier im Advent beginnen. Dazu findet man im Neuen Gesangbuch noch einige Vorschläge zu Texten aus der Bibel und Liedern, die dazu passen. Ob das bei den Menschen ankommt, das wollen die Macher des neuen Gesangbuches wissen. Warum dieser riesige Aufwand betrieben wird und warum ein neues Gesangbuch so wichtig ist, das hören Sie nach der nächsten Musik.

Teil 3

„Wer singt, betet doppelt“, hat schon der heilige Augustinus gesagt. Und neuere Forschungen belegen, dass gemeinsames Singen glücklich machen kann. Der Atem fließt besser, der Stress wird langsam kleiner und manchmal werden sogar Glückshormone ausgeschüttet. Wer in einem Chor oder in einer Band singt, kann das bestätigen. Es ist ein tolles Gefühl, wenn viele Stimmen zusammen einen Raum zum Klingen bringen, einen Kirchenraum füllen. Nicht umsonst gibt es in vielen Gemeinden Gospelchöre oder Jugendbands. Singen ist eine tiefe Form von Spiritualität.
Aber was singen? Zwar liegt in jeder Katholischen Kirche das Gotteslob aus, das Gesangbuch der Kirche. Doch viele Menschen können mit den Liedern darin nur noch wenig anfangen. Verstehen die Sprache aus dem achtzehnten Jahrhundert nicht. Haben Schwierigkeiten mit der Spiritualität von Neunzehnhundertvierzig. Wehren sich gegen Liedzeilen wie: „Der Satan löscht die Lichter aus.“
Das alte katholische Gesangbuch, das Gotteslob, ist in die Jahre gekommen – von der Sprache, von der Theologie, von den Themen her. In vielen Gemeinden gibt es deshalb zusätzliche Liederhefte. Dort finden sich die ganzen Hits aus Jugend- und Familiengottesdiensten.
Das neue Gotteslob hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Es will neu und alt verbinden, die Generationen zusammenbringen, das Buch für den Glauben der Glaubenden werden. Will für das ganz normale religiöse Leben einer Familie da sein, die Sprache von Menschen heute sprechen, will genutzt werden – nicht nur im Raum der Kirche. Eine klasse Idee. Viele Familie heute wollen gemeinsam singen und beten können. Aber dafür braucht es ein praktisches Gebets- und Gesangbuch. Mit Liedern, die Kinder mögen, oder zeitgemäßen Gospels, die man auch unterm Weihnachtsbaum singen kann, ohne dass es kitschig wird. Und Gebeten, die in einer Sprache geschrieben sind, die wir heute verstehen. Also, höchste Zeit für ein neues Gesangbuch! Wenn jetzt einige Gemeinden an der Entstehung eines neuen Gesangbuches beteiligt werden, ist das nur sinnvoll. Nur so kann das Gesangbuch auch das Buch aller Menschen werden.
Aber das Probeexemplar zeigt auch: Es braucht Mut, diese Ziele umzusetzen. Und manche Lieder und Texte lassen erkennen, dass es manchmal nicht so einfach ist, mutig zu sein.
Trotzdem: Das neue Gotteslob ist wichtig. Vor allem, wenn es die Lieder enthält, die die Menschen etwas von der Nähe Gottes in einem Ton, einer Melodie, einem Satz spüren lassen.
Deshalb muss die Katholische Kirche insgesamt viel Herzblut in ihre Kirchenmusik stecken. Jede Gemeinde sollte die Möglichkeit haben, einen Kirchenchor, eine Jugendband oder ein Gospelprojekt zu finanzieren. Gemeinsame Singwochenenden könnten vielen Familien den Zugang zur Musik und zum Neuen Gesangbuch wieder erleichtern. Und dabei könnte auch der Schatz entdeckt werden, der in vielen alten Kirchenliedern steckt. Es gibt noch viel zu tun, bis das neue Gebet- und Gesangbuch bei den Menschen ankommt. Aber das Ziel ist klar: „Wer singt, betet doppelt“.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=2698
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