SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken

„Da sind deine Worte wirklich auf fruchtbaren Boden gefallen!“, hat mir ein Kollege gesagt. Ich habe mich gefreut. Und verstanden, dass er das natürlich nicht ganz wörtlich meint. Meine Worte sind keine Samen. Doch so wie Samen in fruchtbarem Erdreich gut aufgehen und Frucht bringen können – genauso können Worte aufgehen und Frucht bringen. Sie können etwas bewirken bei dem, der sie hört.

Mein Kollege hat mit seinem Vergleich gemeint: Da haben dir Menschen bereitwillig zugehört. Sie denken jetzt nach über deine Worte. Sie haben sie sich zu Herzen genommen. Und früher oder später wird man sehen, was dabei herauskommt. Wirkungslos waren sie jedenfalls nicht, die Worte.

Das kann auch ganz anders sein. Jesus hat mit einer kleinen Geschichte gezeigt, dass Worte ganz unterschiedlich wirken können. Er hat von einem Sämann erzählt, der seinen Samen übers Land streut. Ein Teil fällt auf einen Trampelpfad, den die Leute sich durch das Feld gemacht haben. Es wird zertreten, und die Vögel fressen es auf. Anderes fällt auf Felsengrund, da kann es keine Wurzeln treiben und verdorrt. Wieder anderes fällt unter Unkraut und Dornen und wird davon erstickt.

Aber keine Sorge, hat Jesus dazu gesagt: Da bleibt noch genug übrig. Das fällt auf fruchtbaren Boden, geht auf und bringt hundertfache Frucht. Vielleicht übertreibt Jesus da ein bisschen. Aber sie gibt mir zu denken, seine kleine Geschichte. Wie oft gehen Worte im Geschiebe und Getriebe der Leute unter. Mir geht das immer wieder so. Und ich weiß, dass es auch anderen ständig passiert. Manchmal habe ich das Gefühl, keiner hört mehr richtig zu. Es ist wirklich wie bei den Samen, die von den Leuten zertreten werden. Was einer sagt, hat gar nicht die Chance, bei den anderen anzukommen.

Und ich kenne es auch, dass ich andere Menschen einfach nicht erreiche. Sie sind wie versteinert. Voller Schmerz, Angst oder Sorge. Hart geworden von schlechten Erfahrungen und Enttäuschungen. Ich spreche mit ihnen und merke: Eigentlich kann ich mir die Spucke sparen. Sie können mich nicht verstehen. Oder wollen sie nicht? Ob es anderen mit mir auch zuweilen so geht?

Und auch das kenne ich: Die Worte fallen durchaus auf fruchtbaren Boden. Aber da ist noch ganz viel anderes, das wächst mit ihnen. Und das wächst viel schneller. Wie Dornengestrüpp. Am Ende ist von den guten Worten nichts mehr übrig. Sie sind wie erstickt von all dem Gelaber und Geschwätz. Aber dann doch auch das: Mir sagt einer was – und ich denke: Mann, das ist es! Das ist ja die Idee! – Oder jemand sagt mir etwas so Liebes und Schönes, dass mir ganz warm wird ums Herz und ich mir diese Worte ganz lange merke. Viele Jahre vielleicht. Ja, diese Worte bringen hundertfache Frucht!

II
Ich erinnere mich zum Beispiel besonders gern daran, wie meine Großmutter mich immer verabschiedet hat. Meine Großeltern haben sehr weit von uns weg gewohnt, ich habe sie nur selten gesehen. Und wenn wir dann wieder fuhren, dann hat meine Großmutter immer gesagt: „Gott behüte dich, mein Junge.“
Als ich noch kleiner war, habe ich über diesen Satz nicht besonders nachgedacht. Das war eben einfach so ein lieber Oma-Spruch. Aber als ich älter wurde und sie das immer noch gesagt hat – da habe ich plötzlich gemerkt, wie gut mir dieser Satz getan hat. „Gott behüte dich.“

Meine Großmutter ist inzwischen seit vielen Jahren tot. Aber ihren Satz höre ich immer noch. Sie hat ihn noch gesagt, als sie schon ganz schwach und krank war und nur noch ganz leise sprechen konnte. Da habe ich immer schon auf diesen Satz gewartet. Ich wusste: Viel wird sie nicht mehr sagen, meine alte Großmutter. Aber am Ende, da wird dieser Satz kommen. Gott behüte dich.

Diese Worte kamen bei dieser frommen Frau von Herzen. Sie waren für sie das Kostbarste, was sie mir schenken konnte. Dieser Segenswunsch, der hat tief in meiner Seele Wurzeln geschlagen. Und ich denke, er hat Frucht gebracht, dieser Satz.

Ich weiß seitdem, dass wir Menschen einander mit Worten Gutes tun können. Dass wir Worte sagen können, die wie ein dicker Mantel schützen und wärmen. Worte können ja auch so nutzlos sein. Oder so furchtbar und gemein. Das sind die Unkraut-Worte, die alles andere ersticken. Aber Worte können auch andere Menschen umhüllen und aufrichten. Sie können einen Weg weisen, Hoffnung geben, stark machen in Zweifeln und Mutlosigkeit.

Wenn solche guten Worte auf fruchtbaren Boden fallen, dann können sie unendlich viel bewirken. Ein Kind, das liebevolle Worte zu hören bekommt, glaubt an sich und geht voller Vertrauen durchs Leben. Dieser Samen aus der Kindheit kann bis ins hohe Alter Frucht bringen. Meine Großmutter hat uns Enkelkindern Liebe und Gottvertrauen weitergegeben. Sie hat darauf vertraut, dass ihre Worte bei uns auf guten Boden fallen.

Heute kann ich sagen: Alles, was ich glaube, hat in diesem Segenswunsch seinen Ursprung. Das war der Same. Er ist bei mir auf fruchtbaren Boden gefallen. Nun möchte ich versuchen, davon weiterzugeben. So wie es meine Großmutter bei mir getan hat.
Und so wünsche ich Ihnen an diesem Sonntag: Gott behüte Sie!

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