SWR4 Abendgedanken BW

Guten Abend, liebe Hörerinnen und Hörer.
„Der Mensch ist des Menschen Wolf“, diesen Ausspruch haben sie vielleicht schon einmal gehört. Der Gelehrte Thomas Hobbes hat diesen Satz aus der Antike bekannt gemacht. Er wollte damit ausdrücken, dass den Menschen ein Streben nach Macht prägt, ein ganz egoistisches Verlangen, das einzig und allein der Selbsterhaltung dient. Thomas Hobbes wurde am Ende des 16. Jahrhunderts in England geboren und hat in einer Zeit gelebt, die durch Bürgerkrieg und Militärdiktatur geprägt war. Wohl deshalb kam der Philosoph zu dem Schluss, dass es die Aufgabe des Staates sei, den Menschen „in Zaum zu halten“. Staatliche Macht muß die Menschen davon abhalten, aufeinander loszugehen, denn – so Hobbes – der Mensch ist des Menschen Wolf.
Wie würde ein solcher Staat nach seinen Vorstellungen aussehen? Er wäre von Angst geprägt, von Misstrauen und gegenseitiger Ablehnung. Wenn ich davon ausgehen muss, dass alle anderen Menschen mir Böses wollen, dann muss ich sie auf Abstand halten.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich wollte in einem solchen Staat nicht leben. Die Beschäftigung mit Thomas Hobbes hat mir noch einmal deutlich gezeigt, dass es im Grunde immer wieder darum geht, welches Bild ich vom Menschen habe. Daraus leitet sich alles andere ab: Meine Fähigkeit, zu vertrauen, mein Umgang mit meinem Partner oder meiner Partnerin, mein Zusammenleben in der Gemeinschaft.
Für mich ist da ein Blick in die Bibel wohltuend. Auch dort haben sich vor Jahrtausenden kluge Köpfe Gedanken gemacht, wie sie den Menschen verstehen wollen. Wie sie die menschliche Natur begreifen und beschreiben wollen. Wir finden in der Bibel vielfältige Aussagen über das Wesen des Menschen, z.B. in den Geschichten von der Erschaffung der Welt. Mir ist da ein Satz ganz wichtig geworden. Dort heißt es: „Und Gott schuf den Menschen als sein Abbild, als Abbild Gottes schuf er ihn, als Mann und Frau schuf er sie.“ Die Bibel geht davon aus, dass Gott uns gewollt hat, dass er uns als freie Wesen, als sein Ebenbild erschaffen hat. Und dass wir darauf angelegt sind, partnerschaftlich zusammenzuleben. Hier eröffnet sich ein ganz anderer Horizont. Gottes Ebenbild in mir selbst und in jedem Anderen zu sehen, das stattet alle Menschen mit einer gewissen Würde aus. Von dieser Würde kann ich ausgehen – und ich kann ganz anders auf die Menschen zugehen.
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