SWR2 Wort zum Tag

oder: ein pfingstliches Motto 

Wenn ich in Saarbrücken zu tun habe, führt mich mein Weg oft zum alten Friedhof St. Johann. Nicht nur um dort an verstorbene Verwandte zu denken, sondern weil ich ein Grab besonders gern aufsuche. Umgeben von einer prächtigen Rhododendronhecke liegt dort das Ehrengrab von Willi Graf. Schon seit meiner Schulzeit ist mir Willi Graf wichtig, auch wenn ich ihn natürlich nicht gekannt habe. Der Gedenkstein, auf dem oft eine weiße Rose liegt, sagt das Wichtigste: „Willi Graf – Ein Kämpfer gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft in der studentischen Widerstandsbewegung Weiße Rose – hingerichtet am 12. Oktober 1943. Wie die Geschwister Scholl. Die Studenten der Weißen Rose hatten den Mut, den Nazis die Stirn zu bieten, und haben dafür mit dem Leben bezahlt. Ich weiß nicht, ob ich die Kraft gehabt hätte, ob ich aufgestanden wäre, den Mund aufgemacht hätte, das gelebt, was ich so oft von der Kanzel lese:„... wer sein Leben verliert, wird es gewinnen.“ Ich weiß es nicht. Ich bin mir da nicht so sicher. Ich fand es immer sehr berührend, wenn Willi Grafs ältere Schwester, die ich noch kennen lernen durfte, zugab, dass sie das selbst auch nicht gekonnt hätte. Jedenfalls nicht so. Sie hat dann gerne erzählt, dass ihre Mutter, wenn sie damals auf die Straße trat und pflichtgemäß mit Heil Hitler begrüßt wurde, im schönsten Rheinisch –die Grafs stammen aus der Nähe von Euskirchen – antwortete: „Und Ihnen auch einen juten Tach.“ Das waren die kleinen Widerstände im Alltag. Ich habe seine Schwester mal gefragt, was Willi heute tun würde, gegen was er heute opponieren würde, und im Satz gemerkt, wie blödsinnig diese Frage ist -so als würde man als Berufswiderständler geboren. Man weiß nie genau, wann man gefordert wird. „Jeder Einzelne trägt die ganze Verantwortung ...“, schreibt Willi Graf in einem seiner Briefe. Warum ich das heute sage? Weil wir in der Pfingstwoche sind – und weil ich glaube, dass kein Mensch so was aus eigener Kraft schafft und dass Gottes Geist immer noch dazwischenfunken kann und den Herren der Welt die Leviten liest und vielen das Rückgrat stärkt und den Mut gibt, den Mund weit aufzumachen, wenn es auf den Einzelnen ankommt. „Seid stark und voller Gottvertrauen“, schreibt Willi Graf in seinem Abschiedsbrief an seine Familie. Seid stark und voller Gottvertrauen! Ein gutes Motto auch heute. Im Geist von Pfingsten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=22040
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