SWR3 Gedanken

Schriftgelehrtebringeneine Ehebrecherin zu Jesus und wollen von ihm die Bestätigung, dass sie zum Tod durch Steinigung verurteilt werden soll. Das in der Männergesellschaft seiner Zeit übliche Urteil für eine Frau, die ein Verhältnis zu einem anderen Mann hatte. JesusaberbücktsichniederundschreibtmitdemFingeraufdieErde.  Hä? Wie bitte? Es geht für die Frau um Leben und Tod und Jesus malt mit dem Finger im Sand herum? Das konnt ich lange nicht verstehen. Meinem Gefühl nach hätte er denen mal eine Rede über den Wert des Lebens und die Unmenschlichkeit der Todesstrafe halten müssen. Die Frau in Schutz nehmen, oder sie zumindest mal fragen, was passiert ist. Und er malt mit dem Finger im Sand rum. Nach einer ganzen Weile erst blickt er dann doch auf und sagt: WervoneuchohneSündeist,werfealserstereinenSteinaufsie.“ Dann malt er ganz ruhig weiter in den Sand. Und das bewirkt mehr als jegliche Verteidigungsrede. Die Ankläger geben tatsächlich klein bei und gehen, weil keiner fehler- und sündenfrei ist. Das hat gesessen. Und trotzdem habe ich mich immer gefragt, warum er das nicht gleich sagt, sondern erstmal in den Sand malt.

Mittlerweile glaube ich, um Dampf aus der Situation zu nehmen. Egal, was er sagt oder tut, die Ankläger wollen Blut sehen und sokann es nur zum Streit zwischen Jesus und ihnen kommen. Wenn er die Frau verurteilt, widerspricht er sich, weil er immer Vergebung predigt. Wenn er sie nicht verurteilt, verstößt er gegen das geltende religiöse Gesetz. Eine Sackgasse. Scheinbar.

Denn das Malen in den Sand lässt eine Pause entstehen. Einen Moment für alle, in dem sie sich beruhigen können. Unddasnehme ich in meinen Alltag mit: Wenn die Stimmung gereizt ist, ein Streit unausweichlich scheint, dann denke ich an Jesus und seine Sandmalerei.  Und versuche mich nicht zu einer spontanen Reaktion hinreißen lassen, die ich hinterher bereuen könnte. Bevor ich etwas sage oder tue geistig in den Sand malen. Innerlich einen Schritt zurücktreten und ruhig werden. Und erst aus dieser Ruhe heraus entscheiden.

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