SWR1 Begegnungen

Weihnachten zeigt: Das Wichtigste im Leben ist die Liebe! 

„Ist die Botschaft vom „Frieden auf Erden“ nicht doch eine Lüge?“

Ich treffe in München Heribert Prantl, Journalist und Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung. Der Jurist überrascht die Leserschaft seiner Zeitung immer wieder zu den großen christlichen Feiertagen mit einem Leitartikel. Der politische Journalist wird da fast zum Prediger, wenn auch außerhalb der Kirche. Eines seiner Themen: Zahlen bestimmen unsere Zeit.

Ich glaube, die Weihnachtsgeschichte sagt uns letztendlich, dass andere Dinge zählen als die Zahl. Weihnachten ist für mich das Fest, das hinter der Zahl steckt. Hinter der Zählung steckt das Wichtigste, und das Wichtigste ist die Liebe. Es klingt pathetisch, aber wenn man sich’s ein bisschen überlegt, weiß jeder aus eigener Erfahrung: Das Wichtigste im Leben ist die Liebe.

An Weihnachten, da erklärt uns Gott seine Liebe, hat ein Theologe mal gesagt. Die Liebe Gottes gilt allen Menschen, das weiß auch Heribert Prantl, doch bei der Geburt Jesu stehen Menschen im Mittelpunkt, von denen das nicht zu erwarten war.

Es ist die große Erzählung vom Schicksal kleiner Leute. Es geht nicht um das Schicksal des großen Kaisers. Es geht um das Schicksal von Maria und Josef, das ist für mich das besondere, dass mit der Erzählung vom Schicksal kleiner Leute sich die Weltgeschichte verändert. Diese Geburt hat, das muss jeder Atheist zugestehen, die Weltgeschichte verändert.

Als politischer Journalist schreibt Heribert Prantl über innenpolitischen Parteienstreit, über Wahlen und Politikerrücktritte. Er erinnert auch Politiker an das biblische Gebot der Wahrhaftigkeit. Und auch daran, sich für den Frieden einzusetzen, der in der Weihnachtsgeschichte der Menschheit verkündet wird. Und diese Botschaft vom Frieden auf Erden – sie ist noch immer nicht eingelöst.

Ist es womöglich ne Lüge, wenn seit 2000 Jahren gesagt wird: Frieden den Menschen auf Erden? Wo ist der Friede in diesen 2000 Jahren geblieben? Ist es eine große Forderung, die die Weihnachtsbotschaft an uns stellt? Ihr sollt den Frieden richten! Der fällt nicht runter! Da fallen nicht Engel vom Himmel und legen euch den Frieden auf den Weihnachtstisch. Sondern ihr alle, die ihre an Weihnachten in der Kirche seid und nicht in der Kirche seid, seid dafür da, für den Frieden zu sorgen.

Für Heribert Prantl ist das Weihnachtfest kein diffuses Gefühl. Die Geburt Jesu vor 2000 Jahren hat politische Akzente gesetzt. Und heute? Im Jahr 2014 war viel von der Gewalt zu hören, die von Religionen ausgehen kann. Und genau da setzt Heribert Prantl an:

Der Weg von Weihnachten nach Dreikönig ist ja nicht weit. Am Dreikönigstag feiern wir, dass 3 Könige den Weg zu Gott suchen.Da gehen – in meiner Auslegung – die großen Religionen, machen sich miteinander auf den Weg, suchen miteinander diesen Gott, den sie verschieden nennen, der aber der Gleiche ist. Müssen sich natürlich vorher überlegen, auf welchem Weg gehen wir da hin, was bringen wir mit, wie nähern wir uns dem Gott, den sie miteinander als das große Gemeinsame suchen. 

Feiertage geben dem Leben einen Rhythmus

Heribert Prantl ist Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung. An den christlichen Feiertagen wie Weihnachten, Ostern oder Pfingsten versucht der studierte Jurist, eine Brücke zu schlagen zwischen politischem Alltag und dem tieferen Sinn des Feiertages. Feiertage sind Heribert Prantl generell wichtig:

Christliche Feiertage unterbrechen den Alltag, sie geben Alltag und dem Jahr einen bestimmten Rhythmus. Man stimmt sich ein auf einen Feiertag, man beschäftigt sich mit dem Feiertag, man fragt, warum feiert man ihn. Man fragt sich das, wenn man so aufgewachsen ist, sehr vertraut mit dem christlichen Brauchtum, als Ministrant, der ich viele Jahre lang war, man sehr nahe ist am eigentlich zu Feiernden, und das wirkt schon ein ganzes Leben lang nach. 

Die Kindheit verbrachte der 61-jährige Heribert Prantl in der Oberpfalz in einem katholisch geprägten Umfeld. Der Kirchgang am Sonntag war feste Tradition, die hohen Kirchenfeste waren voller Brauchtum, erzählt er mir, als ich ihn in München besuche. Traditionen haben für ihn eine Aufgabe bis heute.

Ich glaube schon, dass diese Tage mit ihren schönen Ritualen, die man auch pflegen soll, einen leichter zur Besinnung kommen lassen als es an anderen Tagen passiert. Ich denke, der Feiertag ist dann Anlass, auf der Leiter ein bisschen höher zu steigen und auf die Dinge herunterzuschauen, neu den Überblick zu kriegen.

Heribert Prantl sollte ja eigentlich Pfarrer werden. Er wurde auf ein katholisches Knabenseminar geschickt, doch dort hielt er es nicht lange aus. Es wurde ihm alles zu eng und zu muffig. Der Beruf des Priesters hat für ihn aber bis heute eine besondere Anziehungskraft.

Eine gute Predigt zu halten, das ist doch eine Faszination. Man muss sich mal überlegen: Der Kirchgang geht zurück, und gleichwohl sind es noch Hundertausende, die jeden Sonntag vorm (…) Prediger sitzen und zuhören. Das ist doch eine gewaltige Möglichkeit, die man da hat.

Zu den Feiertagen wird Heribert Prantl selbst zum Prediger in der eigenen Zeitung. Im jeweiligen Leitartikel denkt er nach über die großen Fragen des Lebens und des Sterbens, des Glaubens und des Nicht-Glaubens.  Mich beeindruckt, wie begeistert sich Heribert Prantl für theologische Fragestellungen interessiert. Auch nach dem 10. Weihnachts-Leitartikel wird ihm nicht langweilig.

Es reizt mich selber das Ungewisse daran, das Geheimnisvolle, wenn Sie so wollen. Das Geheimnisvolle, das in den großen Feiertagen steckt und das für einen politischen Journalisten eine Herausforderung ist. Wie schlage ich eine Brücke vom politischen Alltag  zu dem, was ich für den Gehalt der Feste halte. Das ist eine so eigene, so besondere Aufgabe, dass für mich darin schon ein Teil des Geschenkes steckt, das ich mir selber mache.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18901
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