SWR1 Begegnungen

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Mitarbeiter der Werkstatt Ökonomie in Heidelberg. Er koordiniert den ökumenischen Prozess „Umkehr zum Leben- den Wandel gestalten."

Gelingt der „große" Wandel ?
Was brauche ich für ein gutes Leben? Manchmal denke ich, wäre es nicht besser, wir wären reicher an Beziehungen und nicht so scharf auf Dinge? Besser und gerechter? Für Klaus Heidel ist eines sicher: Wir verbrauchen auf jeden Fall zu viel fossile Energie: Die CO2 Emissionen müssen runter. Weil der Klimawandel das Leben bedroht. Ein Erlebnis bei einer Konferenz in Thailand hat ihm das sehr nah gebracht.

Dort stand ein Vertreter einer pazifischen Kirche auf, der sagte: Wir müssen nicht nur mit der Gemeinde umziehen, wir müssen auch mit unseren Friedhöfen umziehen. Weil, wenn die Ahnen im Meer versaufen, verlieren wir unsere Identität.

Der Wandel kommt, da ist Klaus Heidel sicher, aber es kommt darauf an, ob und wie wir ihn gestalten. Wie der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung (WBGU)1 ist er sogar sicher: Der Wandel wird „groß": Wie wir mit der Umwelt umgehen, wie wir wirtschaften, wie wir ihn gerecht gestalten. Klaus Heidel ist Mitarbeiter der „Werkstatt Ökonomie"2, eines kirchlichen think tanks in Heidelberg. Sein Büro kommt mir vor wie geschaffen für Klaus Heidel: Andauernd Reisedurchsagen, direkt unter seinem Bürofenster fahren die Züge ein in den Heidelberger Hauptbahnhof. Da muss man einfach beweglich bleiben, nach vorne denken, in die Zukunft. Auch für den 60jährigen gibt es keinen Stillstand. Nicht, dass er wie ein Getriebener wirkt, von Angst. Engagiert, nüchtern und klarsichtig beschreibt er den Klimawandel.

Das Dramatische an der Situation ist, dass ein Zeitfenster offen ist für die nächsten 5 bis 10 Jahre, in denen die globalen Emissionen sinken müssen. Wenn dies nicht gelingt, besteht die Gefahr, dass die Folgen nicht mehr beherrschbar sein werden.

Ich weiß das auch: Stillstand können wir uns nicht mehr leisten. Und ich ahne auch, dass der Wandel, der auf uns zukommt, sehr tief gehen wird.

So dass eine konsequente Reduktion von Emissionen auch dazu führen wird, dass wir uns von der Vorstellung eines ständigen Wirtschaftswachstums verabschieden müssen.

Der gelernte Historiker sieht - wie viele andere Fachleute - uns am Beginn einer neuen Epoche. Wie damals vor 200 Jahren, als die Industrialisierung das Leben verwandelt hat.

So wie die Einführung der fossilen Brennstoffe Auswirkungen auf die Politik, auf die Gesellschaft, auf die Wirtschaft hatte, so wird die Verabschiedung fossiler Brennstoffe unser Sozialgefüge, unser wirtschaftliches Gefüge, unser politisches Gefüge - und das auch global - ziemlich verändern.

Wir stehen am Beginn einer großen „Transformation", d. h. sollten nicht denken, es geht nur um kleine Anpassungen.

Was mich ärgert ist, wir wissen, dass diese Transformationsprozesse, wenn sie sozial gerecht durchgeführt werden sollen, sehr gründlich vorbereitet werden müssen. Wir müssen jetzt anfangen zu forschen. Und es gibt nichts. Das ist ähnlich fatal wie im Bereich der sozialen Sicherung: In einer Situation, in der wir ein Nullwachstum haben oder gar ein Schrumpfen, brechen diese Systeme zusammen. Es fehlt der politische Wille. Wir könnten jetzt anfangen. Je länger wir warten, desto teurer wird es.

Und Sie und ich als Einzelne? Sind wir weiter als die Politik? Klaus Heidel sieht uns eher im Dilemma: Wir schaffen nicht den Sprung vom Wissen zum Handeln.

‚Warum ich, warum jetzt, warum hier?' Man bestreitet gar nicht die Dramatik, aber für sich persönlich findet man Ausflüchte, oder wir bilanzieren: etwa ‚Ich kaufe im Bioladen, ich fahre viel Fahrrad, ich spare Energie, also darf ich im Urlaub nach Thailand fliegen.'

Jetzt, habe ich gedacht, jetzt appelliert er wohl moralisch. Nicht die Spur. Als Christ glaubt er: Menschen können sich wandeln, können aufbrechen, neues probieren. Das sind fundamentale Erfahrungen des Christentums. Aber gelingt nicht unter moralischem Druck, sondern mit Zuversicht, angstfrei und mit Hoffnung. Klaus Heidel setzt darauf, dass in den Kirchen Kräfte des Wandels wachsen.

Wenn wir diese Brücke schlagen zwischen Ostern und Pfingsten, dann könnten wir als Kirche wirklich Vorreiter des Wandels werden, weil die Menschen spüren würden, da haben einige nicht nur etwas begriffen, sie leben Alternativen vor. Wir werden als Kirche lernen müssen, dass die Kirche eine Gabe Gottes ist für die Verwandlung der Welt. Angesichts bestimmter Herausforderungen kann ich als Christ gar nicht anders, als dass ich mich für die Schöpfung einsetze.

Vorreiter Kirche ?!
Wie geht es Ihnen, wenn Sie vor einer ganz neuen Aufgabe stehen? Mir wird da mulmig. Kann ich mich trauen zu gehen? So ähnlich geht es mir vor dem „Großen Wandel."
Klaus Heidel ermutigt, zuversichtlich aufzubrechen, auf die Suche, nicht abwarten. Gerade Christen, auf allen Ebenen.

Es wäre dringend erforderlich, dass die kirchlichen Wohlfahrtsverbände die Garantie sozialer Gerechtigkeit als ihre Kernaufgabe begreifen. Das zweite ist, dass wir neue Systeme sozialer Sicherung brauchen und hier brauchen wir Vordenker, die andere Modelle entwickeln.

Modelle, die solidarisch tragen, auch wenn es kein Wirtschaftswachstum mehr gibt. Und er sieht Landeskirchen und Diözesen herausgefordert.

Die Landeskirche könnte den Rahmen schaffen, dass auch Entscheidungsstrukturen verändert werden. Ich gehe davon aus, dass diese Transformation wesentlich dezentralere Entscheidungsstrukturen verlangt, als wir sie haben.

Gemeinden vor Ort brauchen diese Freiheit, damit sie sich selbst auch verändern und helfen, wo Einzelne ohnmächtig sind.

Ich kann von der allein erziehenden Mutter nicht auch noch verlangen, wenn sie abends nach Hause kommt, dass sie sich auch noch Gedanken macht, wie sie ökofair einkauft. Wenn ich möchte, dass sich ihr Einkaufsverhalten ändert, muss ich als Gemeinde Strukturen bereitstellen, die das ermöglichen.

Das finde ich mutig und ermutigend. Er fühlt sich nicht als Experte, der anderen vorschreibt, was zu tun ist. Er traut ihnen zu, dass sie Orte des Wandels werden.

Wenn eine Gemeinde einmal damit anfängt, sich einmal die Herausforderungen der Zeit anzuschauen, dann fragt, was heißt das für den Einzelnen, für uns als Kirchengemeinde, wird sie automatisch zu der Frage kommen, was heißt das für meine öffentliche Verantwortung. Sie wird nach der Rolle der Kommune fragen, nach der Rolle des Landkreises.

Fragen, Antworten suchen. Alternativen probieren. Es ist ein Prozess, ein Weg, der anfangen muss. Klaus Heidel selbst sieht sich dabei als Berater, Schnittstelle. Ich finde, das hat auch was Prophetisches.

Das ist auch der Charme, weil ich nicht mehr sagen kann, ‚wenn Du nicht meinem Weg folgst, schlag ich Dir die Rübe ein, denn Du verhinderst das Heil der Menschheit.'
Das wird eine sehr bunte Landschaft werden. Vielleicht werden Gemeinden plötzlich anfangen, lokale Banken zu gründen, vielleicht werden Kirchen sich beteiligen an der Bildung neuer Genossenschaften. Wir werden ganz neu fragen müssen: 'Wie organisieren wir Produzieren und Konsumieren, vor Ort.'

Mir wird klar: Dieser Wandel, der nötig ist, auf den man hoffen muss, wird nicht oberflächlich, er berührt mein Verhalten, mein Denken. Unsere Lebenskultur. Klaus Heidel prophezeit, dass sogar meine Art zu glauben sich verändern wird. Dass wir Menschen uns sehen als Teil der Schöpfung. Die Gott ehrt. Aber mehr ich spüre auch: Das Leben könnte spannend werden und erfüllter, wenn ich mich dem Wandel nicht verschließe, sondern mitgehe, mit suche, neue Werte z. B.

Dann ist eben nicht mehr chic, ein großes Auto zu haben, sondern einen Lebensstil zu pflegen, der mir gut tut und der Schöpfung gut tut.
So werden wir lernen, dass wir mit der Schöpfung gemeinsam von Gott reden. Die Schöpfung ist nicht um des Menschen willen da. Das wird uns sofort klar, wenn wir begreifen, wie klein wir sind in dieser unglaublichen Größe der Schöpfung. Das, glaube ich, ist das Spannende an diesen ganzen Prozessen, dass sie zutiefst religiös sind.

1) „Welt im Wandel" - Das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung finden Sie hier

2) mehr zur Werkstatt Ökonomie finden Sie hier

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15231
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