SWR1 Begegnungen

Feuerflämmchen, Brausender Wind und verzückte Menschen- so erzählt die Bibel vom Pfingstwunder und: wie die christliche Kirche entsteht.
Aber was ist da wirklich passiert? Und wie konnte aus der kleinen Sekte von damals eine Weltreligion werden? Gerd Theißen, Prof. für NT in Heidelberg hat fast sein ganzes Berufsleben darüber geforscht.
In seinem neuesten schildert er anschaulich, was das Geheimnis der damals kleinen christlichen Sekte auf dem Religionsmarkt der Antike war.

Keine andere Religion oder Philosophie hat das Leben vom ersten Augenblick bis Letzten, auch bis zum Sterben, auch das verfehlte Leben, das gestrauchelt gekommen war, so aufgewertet. Man konnte den Menschen die Gewissheit geben: auch da ist Gott immer bei Euch.

Teil 1
Sein Büro in der Kisselgasse ist voll gepackt mit Büchern. Eins davon habe ich früher oft meinen Kindern vorgelesen: „Im Schatten des Galiläers“ - ein historischer Roman für Kinder, spannend und wissenschaftlich fundiert, denn die Anfänge des Christentums sind sein Spezialgebiet. Wenn er über die Situation der ersten Christen erzählt, sehe ich Flüchtlingsströme und Städte mit hohem Ausländeranteil.

Die Christen verbreiten sich, obwohl sie vom Land stammen- Galiläa, Palästina- am meisten in den Städten. In den Städten gab es viele Peregrine, Fremde die von außen kamen und die mussten sich neu kulturell definieren und gerade in diesen Kreisen hat das Christentum Resonanz gefunden. Das waren Menschen, die suchten nach einer Identität, wo sie unabhängig von ihrer Herkunft akzeptiert waren und das boten die Christen an. Sie sagten ja, egal wo ihr herkommt, allein durch den Glauben seid ihr gleichwertig und eins in Christus.

Alle eins in Christus. Aber: wie kam es zu dieser Einheit? Die Migranten damals haben ja alle möglichen Götter, Geister und Gurus verehrt. Die Pfingstgeschichte erzählt symbolisch verdichtet, wie man sich das vorstellen soll: alle sind zusammen in einem Raum, ein Wind braust durch die Fenster, Feuerflammen tanzen auf den Köpfen und die Leute fangen an, in Zungen zu reden. Da war für sie eine Kraft am Werk, aber -

offensichtlich eine Kraft, die nicht aus den Menschen stammt, die von außen ihn ergreift und zwar in einem Zustand, in dem er sich öffnet über seine Möglichkeiten hinaus, deswegen sagen die Beobachter: ja sie sind voll des süßen Weins. Man kann das „Trance“ nennen, „Extase“, „Enthusiasmus“.

Wir sind also gar nicht so weit weg von Pfingsten mit unseren Open- Air Konzerten, Grillfesten, Diskoabenden und Naturexkursionen. Extase lässt den Alltag vergessen, hilft einzutauchen in eine andere Welt. Eine Megaparty ist so etwas wie ein Sozialkitt über fremde Kulturen hinweg. Sogar dann, wenn manche anfangen, wirres Zeug zu reden. Damals: Zungenrede genannt.

Also wir können heute Zungenrede beobachten in der Pflingstbewegung. Alle Versuche, da irgendeine Sprache zu entdecken, ist vergeblich. Ich sag oft: das ist so wie Tanzen mit Worten.

Gemeinsam erlebte Extase ist eine Sache- die andere ist: die Atmosphäre, von der die Menschen ergriffen sind. Oder anders: der Geist. Der Apostel Paulus sagt:

„Was im Menschen ist, kann nur der Geist sagen, der im Menschen ist.“ Und das überträgt er dann auf Gott und sagt: „Nur durch seinen Geist kann er sich authentisch offenbaren. Wenn er nicht von seinem Geist her mitteilt, können wir nie Zugang zu ihm finden.

Das Pfingstwunder ist also die Art von Extase, in der Menschen Gott nah kommen, von seinem Geist ergriffen werden. Und das kann man an der Wirkung erkennen.

Das Fundament der Gemeinde ist in der Beziehung zu Gott die mir durch den Hl. Geist eröffnet wird. Die Folgen sind aber dann die Überwindung sozialer Grenzen. Im Urchristentum hätte Paulus nicht geglaubt, dass die Menschen von Hl Geist ergriffen sind, wenn sie meinen, sie haben eine Beziehung zu Gott, aber im Sozialen und zwischen den Völkern bauen sie Grenzen auf.


Teil 2
Mit unserem Open- Ohr Festival in Mainz sind wir heute gar nicht so weit von Pfingsten entfernt. Extatische Erlebnisse in einem Raum jenseits der Sprache gehören zum Urdatum der Christengemeinde- auch wenn wir Protestanten uns damit schwer tun. Gottes Geist, sagen die ersten Christen in der Pfingstgeschichte, verbindet uns über unsere kulturellen und konfessionellen Grenzen, ja auch über unsere Frömmigkeitsstile hinweg. Das Sprachwunder von Pfingsten.

Interessant ist, es wird nicht zurückgeführt auf eine Einheitssprache. Man könnte ja auch das Wunder zurückführen, dass alle plötzlich hebräisch können. Aber nein, Lukas schildert das so: es gab zwar die Zungenrede, aber jeder hört in seiner eigenen Sprache, dh, die Vielfalt der Sprachen wird nicht aufgehoben, etwa zugunsten eines Schnellkurses in Hebräisch.

Und das müsste doch manchen Migrationsbeauftragten heute aufhorchen lassen. Menschen müssen nicht ihre Sprache, Riten und Sitten hinter sich lassen, um sich zu einer Gemeinschaft zusammenzufinden. Nicht die Kultur verbindet, sondern das Ergriffensein vom selben Geist. Christen nennen ihn den Geist, der sich in dem Menschen Jesus von Nazareth gezeigt hat und der über seinen Tod hinaus wirkt.
Aber das war und ist alles andere als eingängig.

Wenn da die Botschaft kommt, da hat in Palästina ein netter Mensch gelebt, der sagt: seid nett zu euren Mitmenschen, da hätten die gesagt, na ja so gibt es viele. Kommt aber einer mit der Botschaft, da ist Gott auf Erden gewesen, versteckt in einem Wanderprediger und ist gekreuzigt worden und nachher lebendig gesehen worden, das ist zumindest sehr Aufsehen erregend.

Der Geist Gottes in einem einfachen Menschen, schläft und isst und aufs Klo geht? Der liebt und leidet und am Ende jämmerlich stirbt? Ja, sagen die ersten Christen, genau so.

Dann nämlich ist das ganze menschliche Leben vom ersten Augenblick bis zum letzten Atemzug von Gott akzeptiert, also es wird geheiligt und erhält einen großen Wert. Die Christen hatten keine Antwort darauf, warum es so viel Leid gibt, aber sie zogen Trost daraus, dass Gott in all diesen Leiden mit leidet und ich glaube dieser Gedanke hat dem Christentum zum Durchbruch gebracht.

Der Heilige Geist ist nicht eine Fortsetzung des Lebenskampfes, sondern ein Protest dagegen. Der Gekreuzigte, der Gescheiterte wird zum Ursprung des Lebens. Am Ende erzählt mir Gerd Theißen das am Beispiel einer Diakonisse. Die für seinen Geschmack viel zu evangelikal war. Aber- sie hat sich- ganz widerständig im Geist Jesu- um Prostituierte gekümmert, ist mit ihnen auf die Ämter gegangen.

Sag ich „Was machen Sie denn mit den Leuten?“ Sagt sie: „Ja, wissen Sie, wenn die zum Sozialamt gehen und irgendeinen Antrag stellen, die genieren sich ja so, denn dort sitzen ihre Freier. Und dann geh mit, und dann ertragen sie das.

Guter Geist setzt Maßstäbe jenseits der Moral. Ich finde das spitze. Pfingsten eben. https://www.kirche-im-swr.de/?m=1417
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