Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Lebensgeschichten können die große Geschichte prägen. Das gilt ganz sicher für Papst Johannes XXIII. Mit 78 und schon sehr krank hat Johannes das Zweite Vatikanische Konzil einberufen, fast auf den Tag heute vor 50 Jahren. Es war wie die Summe seines langen Lebens. Sein Weg hatte ihn u.a. nach Bulgarien und Griechenland, in die Türkei und nach Frankreich geführt. Von 1925 - 1952 war er in diesen Ländern Diplomatischer Vertreter des Vatikans und knüpfte viele Kontakte zu evangelischen und orthodoxen Christen, zu Juden und Muslimen, ebenso zu Menschen, die keiner Religion angehörten. Damals hat er im Gottesdienst sogar auch in türkischer Sprache gebetet.
Die Wirkung dieser Jahre zeigte sich im Konzil. Zum 1.Mal waren Vertreter aus allen 5 Erdteilen dabei, außerdem evangelische Beobachter. Zum 1. Mal hat auch ein Konzil darauf verzichtet, Lehren für falsch zu erklären und ihre Vertreter zu verurteilen. Stattdessen wollte man den eigenen Glauben positiv darlegen und die Wahrheit auch im Denken anderer sehen.„Wir wenden uns ... allen zu, die Gott anerkennen und in ihren Traditionen wertvolle Elemente der Religion und Humanität bewahren, und wir wünschen, dass ein offener Dialog uns alle dazu bringt, die Anregungen des (Heiligen) Geistes treulich aufzunehmen und mit Eifer zu erfüllen." (Gaudium et spes, 92) heißt es in einem Konzilstext. Die Bischöfe beschließen sogar eine „Erklärung über die Religionsfreiheit" und sagen darin, dass die Menschen nur freiwillig glauben können und dass niemand zum Glauben gezwungen werden darf. (vgl.Dignitatis humanae, 10) Ähnlich begegnet das Konzil den Gläubigen anderer Religionen. Es sagt: „Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist." (Nostra aetate, 2) Am engsten verbunden sehen sich die Bischöfe naturgemäß mit den Gläubigen der anderen christlichen Konfessionen. Und sie sagen: Die Verbundenheit wiegt schwerer als das Trennende.Hier finden sich frühe Gedanken von Papst Johannes wieder. Pfingsten 1944 hatte er in Istanbul vor einer bunt gemischten Gemeinde gepredigt, daß im Lichte des Evangeliums die trennenden Gedanken nichts gelten. Wörtlich hat er gesagt: „Jesus ist gekommen, um alle diese Schranken niederzureißen." (zit. Peter Hebblethwaite, Johannes XXIII., Zürich 1986, 255)    Heute, 50 Jahre nach dem Konzil, bleibt hier noch sehr vieles zu tun.

 

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