SWR1 Begegnungen

Annette Bassler trifft Nora Weisbrod, Mitglied der Projektgruppe „Open Ohr Festival", Geschäftsführende Vorsitzende des Vereins „Tagwerk"begegnungen > weisbrod.JPG

Bei der Wahl des Bundespräsidenten Joachim Gauck war sie eine der jüngsten Wahlfrauen. Nora Weisbrod, 29 Jahre, Betriebswirtin. Für ihr Engagement im Verein „Aktion Tagwerk", an dem sich 190000 Schüler in Deutschland für Kinder in Afrika engagieren, wurde sie geehrt. Aber heute ist sie wie alle Jahre auf dem Open Ohr Festival in Mainz. Pfingstgeist zum Anfassen, wie ich finde.

Ja es ist eine besondere Pfingstatmosphäre und ja, es ist einfach auch so ein Treffen von vielen Bekannten, auch kennen lernen von neuen Leuten, es ist einfach mal die Füße hochlegen aber sich auch gleichzeitig auf Neues einlassen, weil das ist ja auch das Besondere des o Festival, dass es jedes Jahr unter einem Thema steht.

Teil 1 - Geistvolles Open- Ohr- Festival in Mainz

Eine hübsche blonde Frau in Jeans streckt mir freundlich die Hand entgegen. Das Büro, das sie mit Kolleginnen der Organisation Human Help Network teilt, liegt in der Mainzer Innenstadt. Mein Blick fällt auf ein Bücherregal, an dem hängen 6 abgeschnittene Krawatten. Na klar, hier arbeitet eine Mainzerin, die mit der Mainzer Fastnacht und Open- Ohr- Festival groß geworden ist.

Ich komm aus Mainz und bin an Pfingsten noch nie woanders gewesen. Das ist bis heute so, also mit meiner Familie bin ich dort und auch viele Freunde sind da und es ist eigentlich auch ein bisschen wie ein Familientreffen.

Bei dem allerdings meine Kinder ihre Eltern nicht dabei haben wollten. Aber es gibt auch junge Eltern mit Kleinkindern im Tragetuch. Und es gibt die Alt- 68er. Seit 38 Jahren verwandelt sich die Mainzer Innenstadt an Pfingsten in Little Woodstock. Open Ohr, das ist ein Multi- Kulti- Familienfest mit politischem Anspruch.

Ja, weil wir ein Festival sind, was alle Generationen ansprechen möchte, und das tun wir nach wie vor, das ist uns auch der freien Projektgruppe ganz wichtig an dem Programm, dass die kleinen Kinder schon ihr Programm haben und einfach mal über die Wiese rennen können, aber es auch gleichzeitig das Programm für die Jugendlichen gibt und das Programm für die 60, 70, 80jährigen- die es immer noch auf dem Festival gibt und das ist Tradition und soll es auch weiterhin Tradition sein.

Bestimmt die Projektgruppe. Und plant das Programm, lädt Musiker und Künstler ein, organisiert workshops rund um das Schwerpunktthema. Und das lautet diesmal „System Neustart". Neustart durch die vielen Protestbewegungen rund um die Erde, vom Stuttgarter Wutbürger über Occupy bis zum arabischen Frühling. Jugendliche diskutieren mit Fachreferenten aus der Politik über die Frage der Teilhabe. An Macht, an Wohlstand, an Entscheidungen der großen Politik. Open_ Ohr Festival, das ist Party und Streitkultur zugleich. Ganz im Geist von Pfingsten. Ein Multikulti- Event, bei dem sich Menschen zusammenstreiten.

Ich glaube auch, dass das Open Ohr Fest auch ein eigener Geist vielleicht ist und der auch die Menschen wieder zusammenbringt und das ist auch das Besondere für uns an dem Festival.

Mich erinnert das an die biblische Pfingstgeschichte. Wo damals Leute aus verschiedenen Ländern mit verschiedenen Sprachen zusammen waren. Jeder redete in seiner Sprache und doch haben sie sich verstanden. Dieser Geist, der ist ein Geschenk, man kann ihn nicht machen. Aber man kann gute Voraussetzungen dafür schaffen. begegnungen > weisbrod1.JPG

Jeder kann sein wie er will und das ist auch das Spannende, dass man verschiedene Leute kennen lernt und auch gemeinsam vielleicht bei den Foren diskutiert und Meinungen austauscht, die dann manchmal auch auf den Wiesen abends bei der Musik weitergehen.

Teil 2: Geistvolle Schülerinitiative „Aktion Tagwerk"

Jugendliche interessieren sich nicht für Politik, sie wollen nur Party und Spaß haben- das ist wohl das gängige Vorurteil vieler Erwachsener.

Also ich kann absolut nicht das teilen, dass man sagt: junge Leute sind uninteressiert oder Politikverdrossen, das würde ich überhaupt nicht sagen-

Schließlich haben 190 Tausend Schülerinnen und Schüler von der 1. bis zur 13. Klasse letztes Jahr an der „Aktion Tagwerk" mitgemacht. Einen Tag lang haben sie eine Arbeit übernommen. Und das dabei verdiente Geld der Organisation „Human Help Network" gegeben. Und damit die Bildung der Kinder in Afrika unterstützt. Das Besondere bei der Aktion: begegnungen > weisbrod2.JPG

Dass wir eben Formen anbieten, aber sich alle jungen Leute auch selbst anschauen können, wie wollen sie sich freiwillig an diesem Tag engagieren. Und -das merke ich schon auch, und grade im Rückblick auf 10 Jahre Aktion Tagwerk- wie kreativ diese jungen Leute auch sind.

Es ist dasselbe Prinzip, derselbe Geist wie beim Open- Ohr Festival in Mainz. Die Verantwortlichen geben Impulse und schaffen Räume. Und die Jugendlichen füllen diese Freiräume mit ihren eigenen kreativen Ideen und haben selber was davon.

Weil sie mal einen Tag hinter die Kulissen eines großen Theaters schauen oder auch in einem großen Unternehmen mal gucken, wie läuft denn eigentlich das, wie  funktioniert das Unternehmen. Und darum geht's eigentlich, dass man auch für sich selbst einen Nutzen hat und gleichzeitig etwas Gutes tut und da kann auch jeder stolz sein auf sein Tagwerk, was er dann macht an diesem Tag.

Nach 10 Jahren Vereinsarbeit sehe ich bei Nora Weisbrod keine Spur von Frust oder Erschöpfung. Wie ihr das gelingt?

Dadurch, dass so was lebt! Dass es nicht stillsteht dass es auch weitergeht. Und wir haben jedes Jahr viele Schüler, die neue Aktionen finden. Oder auch hier bei Aktion Tagwerk arbeiten wir viel mit Mitarbeitern im Freiwilligen sozialen Jahr, die für ein Jahr hier sind und ihre Ideen in die Kampagne reinbringen. Und das hält eine Kampagne lebendig und macht viel Freude.

Heiliger Geist- so würde die Bibel das nennen. Ein Geist, der alle beflügelt und erfüllt und Kraft gibt. Ob sie an so einen Geist glaubt? Über persönliche Glaubensdinge mag Nora Weisbrod nicht so gern reden, das geht ihr ein bisschen zu nah. Aber:

Ich glaube durchaus, dass der Glaube  oder auch Religion generell für einen selbst eine gewisse Sicherheit bringen, eine Konstante, und dass das genau in dieser Aufbruch- und Umbruchstimmung, die momentan zu spüren ist, vielleicht für viele ein Halt ist. Auch bei jungen Leuten immer wieder das Thema aufkommt und vielleicht wieder mehr als vor 30, 40 Jahren.

Räume schaffen, in denen Andere ihre Kreativität entfalten können, das nehme ich aus dem Gespräch mit als ein Anliegen an mich als Vertreterin der Elterngeneration mit. Und dass ich selbstbewusst meinen Glauben als Impuls in die Runde gebe. Dann aber Raum lasse, damit Gottes Geist und die Kreativität der Jugendlichen auch noch zum Zuge kommen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13147
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