SWR1 Begegnungen

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Teil 1. Kommunikation und Kirche


Ich hole Joachim Frank vom Bahnhof auf. Dort steigt er gerade aus dem Zug. Unter dem einen Arm stapelweise Zeitungen. In der freien Hand einen Roller. So komme er schneller über lange Bahnsteige und durch Innenstädte. Er hat wenig Zeit und so kommen wir schnell ins Gespräch. Und ich kriege mit: Joachim Frank übt den Spagat. Täglich. Dabei ist kein Turner, sondern Journalist. Und trotzdem stimmt das mit dem Spagat. Denn Frank arbeitet in Köln, ist aber zuständig für Zeitungen in Berlin und Frankfurt. Und ist studierter Theologe. Was ebenfalls mit einem Spagat verbunden ist: 

Ich bin praktizierender Katholik, ich gehe zur Kirche. Das wissen die Kollegen wiederum. Das hat natürlich innerhalb der Redaktion Folgen, weil man auch teilweise als derjenige verhaftet oder in Anspruch genommen wird, der da von der Kirche ist. Ich bin nicht von Kirche, aber ich fühle mich dem Laden zugehörig.  

Er erzählt, dass er Theologie studiert, in der Kirche gearbeitet hat. Dann aber wollte er sich neu orientieren. Und hatte Glück:

Damals war noch die Zeit, wo das so gerade noch funktioniert hat, wenn man gesagt hat: Ich mach mal irgendwas mit Medien. Einerseits weil mich das immer schon gereizt hat, mit Sprache zu arbeiten. Auf der anderen Seite habe ich auch gemerkt, dass beide Tätigkeitsfelder durchaus miteinander zu tun haben. Nämlich es geht immer im Wesentlichen um Kommunikation.

 Kommunikation, das heißt: Sprechen können. Etwas zur Sprache bringen können. Und genau das will ja auch die Kirche. Sie will im letzten Gott zur Sprache bringen - und Menschen für die Sprache Gottes öffnen. Und doch macht Frank deutlich, dass Kirche und Medien auch Wesentliches unterscheidet.

 In den Medien, in den privaten Medien geht es ja doch immer auch um wirtschaftlichen Erfolg letztlich, also man ist da ganz anderen Kriterien und Bewertungsmaßstäben dann noch mal ausgesetzt, als im Raum der Kirche, wo ja angeblich „Erfolg" nicht zu den Vokabeln Gottes gehört.

 Trotzdem: An Pfingsten erinnert sich die Kirche an eine Erfolgsgeschichte. Denn Pfingsten gilt als Geburtsfest der Kirche. Die ersten Christen gehen hinaus in die Welt, erzählen von ihrem Glauben - und haben Erfolg. Die Kirche: Das älteste Kommunikationsunternehmen der Welt. Frank sieht das ähnlich - aber er mahnt auch Nachbesserungsbedarf an.

 Unterdessen, glaube ich, hat sich die Kirche gerade in unseren Breiten eben sehr gut damit eingerichtet, dass sie doch die Meisterin der Kommunikation und das älteste Kommunikationsunternehmen der Welt ist, aber kommuniziert oft nicht mehr so ganz auf der Höhe der Zeit oder hat sich eben zurückgezogen so auf ihre bestimmten Sprach- und Deutungsmuster.

 Frank verfolgt sehr genau, wie die Kirche in der modernen Medienwelt handelt. Und er macht sich Gedanken, was Kirchenfrauen und -männer von Journalisten und vom Mediengeschäft lernen können.

 Bei vielen wäre das, würde ich mal sagen, so eine unvoreingenommene Neugier auf alles, was so auf einen zukommt.

 Die Neugier gilt gerade im Bereich der Medien. Frank sieht mit Spannung, wie die Kirche neue Medien nutzt, wie sie mit ihnen umgeht. Kirche im Netz, Kirche auf Facebook. Hier sieht Frank vor allem ein Problem.

 Die ganzen neuen Medien sind in erster Linie mal ein großer Demokratisierungsschub. Kanzelton, Predigt, Verkündigung oder gar lehramtliche Autorität spielt im Netz keine Rolle - da ist erstmal alles gleich.

 Teil 2. Glauben als Journalist

 Joachim Frank ist Journalist und Theologe. Beide, das erzählt er mir, als wir uns unterhalten, verbindet eines: Beide sind Übersetzer. Ihr gemeinsames Interesse:

 Dinge verständlich zu machen, plausibel zu machen, zu erklären, den Leuten nahe zu bringen.

 Eine schwierige Aufgabe, finde ich. Heute sind doch viele Zusammenhänge so komplex, dass die Übersetzung schwer fällt. Politik, Wirtschaft, Gesellschaft: Auch Journalisten haben Probleme, hier den Überblick zu bewahren. Und Position beziehen zu können. Frank sieht das auch so, bemängelt aber, dass die Kirche oft vor ihrer Übersetzungsarbeit zurückscheut.

 Das ist, glaube ich, auch so ein Problem, dass viele Fragen in der Kirche zu schnell zu Glaubenswahrheiten erklärt werden. Davon gibt es tatsächlich ja nur ganz wenige. Und selbst die sind immer der Deutung bedürftig. Und das Verständnis ändert sich in der jeweiligen Zeit. Und da kommt es darauf an, das zeitgemäß für die heutige Zeit zu interpretieren.

 In unserem Gespräch, das erlebe ich mit Spannung, nimmt Frank immer wieder beide Seiten ein. Einerseits ist er praktizierender Katholik, und macht daraus kein Hehl. Andererseits sieht er die Kirche auch aus den Augen eines Journalisten. Nämlich kritisch.

 Was die Kirche betrifft und deren Vertreter betrifft, glaube ich, dass sie leicht in eine doppelte Falle zu gehen drohen, nämlich als Moralapostel oder Moralprediger herangezogen zu werden. Immer wenn so Ethikdebatten sind, dann ist plötzlich gefragt, was die Kirche dazu sagt. Die andere Falle ist, dass dann alles, was in der Kirche passiert, umso kritischer, umso misstrauischer und wohlmöglich umso hämischer beäugt wird.

 Mir kommt da natürlich der Missbrauchsskandal im letzten Jahr in den Kopf. Auch hierzu bezieht Frank ganz klar Stellung.

 Also, dass der Missbrauchsskandal einen derartigen Sturm gegeben hat, hat nicht zuletzt damit zu tun, dass die Kirche, im Gegensatz zu Sportvereinen und anderen Institutionen, immer als diejenige aufgetreten ist, die besondere moralische Ansprüche formuliert, und dann muss sie sich dem natürlich auch in besonderem Maße stellen. 

 Ist es nicht auch deswegen, so wende ich ein, weil es eine große Sehnsucht nach Werten gibt? Nach Menschen und Institutionen, die authentisch sind? Die ehrlich sind und halten, was sie versprechen?

 Ja, es gibt natürlich diese Sehnsucht nach Werten als Ausdruck gelingenden Zusammenlebens. Und wenn man sieht, wie oft eben Zusammenleben scheitert, im zwischenmenschlichen aber auch im Gesellschaftlichen, ist klar, dass das als Defizit auch empfunden wird.

 Und wie hält es Frank selbst, will ich wissen. Sind seine Werte durch seinen Glauben beeinflusst?

 Ich wüsste jetzt nicht in meiner bisherigen beruflichen Arbeit, dass da explizit gläubige Standpunkte die Arbeit im Konkreten beeinflusst oder verändert hätten, sondern eben so eine Normbildung, die auf dem christlichen Fundament erfolgt.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13106
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