SWR4 Abendgedanken RP

Erinnern Sie sich an "Ötzi"? Ich meine jetzt nicht DJ Ötzi, den österreichischen Schlagersänger, sondern die Steinzeitmumie aus den Ötztaler Alpen in Südtirol.
Vor über 5000 Jahren kam ein Mann dort ums Leben. Ein Gletscher verbarg die Leiche und konservierte sie. Heute vor 20 Jahren gab der Gletscher die Mumie wieder frei.
Sie wurde untersucht und erforscht. Was bleibt von einem Menschen, wenn keiner mehr lebt, der sich noch an ihn erinnert? Die Mumie erzählt uns, dass Ötzi ein Mensch war.
Aber hatte er auch eine Familie - Menschen, die ihn liebten und die ihn vermissten, als er nicht mehr aus den Bergen zurückkam? Wenn er morgens aufwachte, hatte er dann eine bestimmte Vorstellung von seinem Tagesablauf? Und wenn er sich abends schlafen legte, gingen ihm da Ereignisse und Begegnungen des zu Ende gegangenen Tages durch den Kopf? Welche Hoffnungen, Wünsche und Träume hatte er - und welche Ängste, Sorgen und Nöte? Welches Essen hat ihm besonders gut geschmeckt - auch wenn der Speiseplan in der Steinzeit nicht sehr abwechslungsreich war? Was hat ihn wütend gemacht und was hat ihn zum Lachen gebracht? Was machte ihn glücklich, was betrübte ihn?
Wir haben nichts als eine vom Eis konservierte Mumie. Die beantwortet uns alle diese Fragen nicht. Der Mann aus der Steinzeit bleibt uns fremd - und war doch bestimmt in vielem ganz ähnlich wie wir.
Ungefähr in der Mitte der Zeit, die uns von Ötzi trennt, dichtete ein anderer Unbekannter diese Worte: "Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt."
Wir sind wie Ötzi nur ein Staubkorn in der Geschichte der Welt. Und doch sind wir für Gott etwas Besonderes - auch Sie, auch ich; egal, was kommt. Gott erinnert sich in alle Ewigkeit an uns. Ich finde, das ist ein wunderbarer Gedanke, um mit ihm diesen Tag zu beschließen!

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