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SWR4 Abendgedanken

26JUL2024
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Als ich ein Schüler war, da habe ich immer gedacht: Menschen, die 60 Jahre alt sind, sind uralt und eigentlich fast schon tot. Jetzt bin ich 60 Jahre alt. Und ich fühle mich noch überhaupt nicht tot. Ich fühle mich noch ziemlich lebendig. Ich stehe noch mitten im Beruf, meine Kinder sind teilweise noch in der Ausbildung und ich freue mich über fünf Enkelkinder. Da ist noch ganz schön viel Leben drin. Hätte ich als Schüler nicht gedacht.

Und dennoch ist mir eines bewusst geworden: Auch wenn ich noch ziemlich lebendig bin, meine Lebenszeit ist dennoch begrenzt. Ich habe definitiv schon viel mehr Jahre hinter mir als noch vor mir. Die Zeit verfliegt immer schneller. Und darum muss ich mich mit dem Gedanken anfreunden, dass nicht mehr alles in meinem Leben möglich ist, was ich mir vielleicht wünschen würde. In sieben Jahren gehe ich spätestens in Rente. Ich muss mir überlegen, was ich noch in meinem Beruf schaffen kann – und was nicht mehr. Meine Kraft ist begrenzt. Ich kann keine Nächte mehr durcharbeiten und leider auch keine mehr durchfeiern – so wie früher - ohne am nächsten Tag völlig k.o. zu sein. Meine Ziele sind begrenzt. Ich werde auch nicht mehr jedes Land bereisen können, das ich gerne noch sehen würde. Und ich kann nicht mehr jedes Buch lesen, das mich interessiert. Ich fange an, meine Begrenztheit zu begreifen und damit zu leben.

Und ich frage mich viel mehr als früher: Was ist wirklich wichtig? Wofür will ich meine verbleibenden Jahre einsetzen? Auf was kann ich verzichten? Ich merke, dass mir Menschen und die Zeit mit ihnen wichtiger geworden sind. Begegnungen, gute Gespräche, zusammen zu essen und zu reden und zu lachen. Das ist wichtig. Und ich frage mich jetzt immer öfter: Was hat Gott noch mit mir vor?

In der Bibel heißt es mal im Psalm 91: „Gott, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, damit wir klug werden“. Das Sterben kann ruhig noch etwas warten. Aber klug möchte ich heute schon werden. Oder mit einem anderen Wort: weise. Ich will meine Jahre im Vertrauen auf Gott weitergehen. Auch wenn nicht mehr alles im Leben möglich ist, wird er mir das geben, was wirklich zählt. Darauf vertraue ich, wenn ich jetzt 60 geworden bin.

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SWR4 Abendgedanken

25JUL2024
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Auf geht’s in den Urlaub. Jetzt endlich starten auch in Baden-Württemberg die Sommerferien. Und viele fahren in den Urlaub und suchen ein paar Tage Erholung.

Wer morgen mit dem Auto auf der A5 in Richtung Basel fährt, der sollte mal kurz am Rastplatz Unditz zwischen Offenburg und Lahr rausfahren. Denn dort kann man sich einen Segen abholen. Von mittags 13 Uhr bis um 22 Uhr am Abend stehen auf diesem Rastplatz Pfarrerinnen und Pfarrer, Diakoninnen und Diakone und andere engagierte kirchliche Mitarbeitende bereit, um allen, die vorbeikommen, Gottes Segen zuzusprechen. Und wer am Samstagvormittag in der Gegend unterwegs ist, der kann sich auch noch segnen lassen.

Auch in der Bibel wird davon erzählt, dass Menschen, wenn sie zu einer Reise aufbrechen, gesegnet wurden. Zum Beispiel Abraham. Als Abraham gemeinsam mit seiner Frau Sara und seiner ganzen Familie seine Heimat verlassen hat, um in ein unbekanntes Land zu reisen,

da hat Gott zu ihm gesagt: „Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein“. Abraham hat diesen Segen gebraucht, weil seine Reise damals voller Herausforderungen und Gefahren war. Wenn heute ein Mensch gesegnet wird, dann ist es wie bei Abraham. Es werden über ihm gute Worte ausgesprochen. Segen, das bedeutet, dass zu einem Menschen gesagt wird: Gott ist da. Gott ist bei dir und er ist für dich. Gott kennt deinen Weg und er begleitet dich, wo immer du auch hingehst. Gott hat Gutes für dich vorbereitet. Er bringt dich ans Ziel. Segen, das ist die Zusage Gottes, dass er uns in jeder Situation in seiner Hand halten wird.

Der Start in den Urlaub ist darum ein schöner Zeitpunkt, um sich segnen zu lassen. Darin liegt die Hoffnung, dass der Urlaub gut wird, ohne Unfälle, erholsam und ohne Streit. Aber natürlich brauche ich Gottes Segen jeden Tag, nicht nur im Urlaub. Denn ich weiß, dass ich es nicht in meiner Hand habe, was passiert. Es gibt leichte, schöne Tage und es gibt schwere, leidvolle Tage. Aber über jedem dieser Tage steht Gottes Segen und seine Zusage: Ich bin bei dir. Ich bin mit dir. Ich meine es gut mit dir. Darum: Egal, ob Sie morgen in den Urlaub starten, oder später oder die Ferien zuhause verbringen: Seien Sie gesegnet.

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SWR4 Abendgedanken

24JUL2024
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Heute hat es in Baden-Württemberg Zeugnisse gegeben. Alle Schülerinnen und Schüler von Wertheim bis zum Bodensee haben zum Abschluss des Schuljahres ihre Noten bekommen.

Und ganz viele sind sicher nach Hause gekommen und haben ihr gutes Zeugnis stolz ihren Eltern präsentiert. Aber ich denke jetzt an die anderen. Es gibt ja auch viele Kinder und Jugendliche, die haben kein gutes Zeugnis erhalten. Und so manche müssen jetzt die Klasse im nächsten Schuljahr noch einmal wiederholen. Das ist schlimm für sie. Manche haben Angst davor, darüber zu reden und schämen sich. Manche fürchten sich davor, das Zeugnis ihren Eltern zu zeigen. Und dann gibt es ja auch immer Klassenkameraden, die haben das mitbekommen und lachen jetzt über sie. Im nächsten Schuljahr ist der Sitzenbleiber dann vielleicht der einzig neue Schüler in der fremden Klasse und alle anderen wissen, warum.

Manchmal fallen dann auch schlimme Worte: „Du bist ein Versager, du bist dumm. Aus dir wird nie etwas.“ Wie viele Kinder haben auch heute wieder solche Worte hören müssen oder haben sie sogar über sich selbst ausgesprochen? Das ist schlimm, weil solche Worte sich im Herzen festsetzen. Wenn man so etwas als Kind hört, dann denkt man, dass das wirklich stimmt: Ich bin dumm, blöd, ein Versager, aus dem Nichts wird.

Aber jedes Zeugnis ist eben doch nur eine Momentaufnahme. Es sagt nur etwas darüber aus, in welchem Schulfach es gerade besser oder schlechter läuft. Viele Menschen waren in der Schule gar nicht gut, aber deswegen noch lange keine Versager. Mark Twain brach im Alter von 12 Jahren die Schule ab und wurde später ein berühmter Schriftsteller. Thomas Edison war der schlechteste Schüler seiner Klasse und sein Lehrer sagte über ihn, er sei ein Idiot. Später hat er das elektrische Licht erfunden. Und Abraham Lincoln besuchte nur sehr selten eine Schule. Er wurde einer der berühmtesten Präsidenten Amerikas. Wir sind so viel mehr, als Noten und Zeugnisse über uns aussagen. Wir sind von Gott geliebte und begabte Menschen. Auch wenn es in der Schule nicht gut läuft. Mit jedem hat Gott einen Weg. Darum hoffe ich, dass heute viele Kinder, die keine guten Noten nach Hause gebracht haben, trotzdem umarmt und getröstet und ermutigt worden sind. Und so trotz allem fröhlich in die Ferien starten konnten.

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SWR4 Abendgedanken

23JUL2024
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Herzlichen Glückwunsch, Julian Nagelsmann. Der Bundestrainer wird heute nämlich 37 Jahre alt. Ich finde, er hat sich mit der Euromeisterschaft, die vor einer Woche zu Ende gegangen ist, selbst das schönste Geschenk gemacht - und uns allen auch. Selbst wenn es nicht zum Titel gereicht hat. Selbst wenn der Bundestrainer am Ende Tränen in den Augen hatte. Aber noch vor einigen Monaten hätte niemand gedacht, dass die deutsche Fußballnationalmannschaft so gut und begeisternd Fußball spielen würde. Und jetzt ist sie erst in einem packenden Spiel gegen Spanien unglücklich ausgeschieden. Also herzlichen Glückwunsch, Julian Nagelsmann, und danke für eine tolle Leistung bei der EM. Auch wenn du dir einen noch größeren Erfolg gewünscht hättest.

Julian Nagelsmann hat aber nicht nur den Erfolg im Blick, er hat auch die im Blick, die es im Leben schwerer haben als er und die oft auf der Verliererseite stehen. Was ich selbst nicht gewusst habe: Julian Nagelsmann unterstützt mit einem Teil seines Gehalts die Initiative „Common Goal“. Zu dieser Organisation gehören viele Sportler aus der ganzen Welt. Und sie alle haben es sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 hundert Millionen Jugendlichen und Kindern aus der Armut heraus zu helfen. Dafür finanzieren sie soziale Projekte in den ärmsten Gegenden der Welt und sie unterstützen dort vor allem Straßenkinder und Jugendliche ohne Elternhaus.

Ich weiß nicht, ob Julian Nagelsmann an Gott glaubt, aber mit dem, was er tut, erfüllt er das Gebot Jesu: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“. Und Jesus hat auch gesagt, wer unser Nächster ist: Der, der unsere Hilfe braucht. Vielleicht ist es der Mensch im Nachbarhaus. Vielleicht aber auch ein Kind in einem Slum in Afrika. Ganz bestimmt sind es die Kinder, die weltweit unter Bedingungen von Hunger, Armut und Gewalt leben müssen. Darum finde ich, dass es viel mehr Menschen wie Julian Nagelsmann braucht, die nicht nur den eigenen Erfolg oder die eigene Karriere im Blick haben, sondern die auch bereit sind im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu helfen, damit Kinder überall auf der Welt eine Zukunft haben. Also: herzlichen Glückwunsch Julian Nagelsmann, danke für die EM und danke, dass Du mit deiner Hilfsbereitschaft ein Vorbild bist.

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SWR4 Abendgedanken

22JUL2024
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Heute ist der 22. Juli. Und es ist der Gedenktag für Maria Magdalena. Das muss eine eindrucksvolle und starke Frau gewesen sein. Maria hat zu den Frauen und Männern gehört, die mit Jesus aus Nazareth unterwegs gewesen sind. Und mich beeindruckt, wie sehr diese Nähe zu Jesus Maria verändert hat. Maria ist immer an der Seite von Jesus geblieben bis zum bitteren Ende. Als die Römer Jesus ans Kreuz nagelten, da war sie eine der ganz wenigen, die bei ihm unter dem Kreuz geblieben sind, bis er starb. Die anderen Gefährten von Jesus waren allesamt aus Angst weggelaufen und hatten sich versteckt. Was für eine starke Frau! Als Jesus dann auferstanden ist, da ist er zuerst Maria Magdalena begegnet. Nicht den Männern aus seinem allerengsten Freundeskreis. Maria war die Erste. Und weil sie so eine beeindruckende Frau gewesen ist, darum haben sich viele Legenden um Maria Magdalena gebildet. Manche haben sogar vermutet, sie sei die Geliebte von Jesus gewesen. Bücher sind über sie geschrieben worden, Filme wurden über sie gedreht und sogar Oratorien komponiert. Maria Magdalena – sie war wirklich eine starke Frau und hat einen starken Eindruck hinterlassen.

Doch wie gesagt: Am meisten beeindruckt mich an Maria die Veränderung, die sie in ihrem Leben durchgemacht hat. Am Anfang war Maria nämlich alles andere als stark. Sie war sogar besonders schwach. In der Bibel wird erzählt, dass sie besessen gewesen sei. Von bösen Geistern beherrscht, von bösen Gedanken gequält, in Dunkelheit gefangen. Aber als sie Jesus begegnet ist, da hat sich angefangen, ihr Leben zu verändern. Jesus hat sie gesund gemacht. In seiner Nähe hat etwas von der Liebe Gottes gespürt. Sie hat erlebt, dass Gott immer wieder Schuld vergibt und Menschen einen neuen Anfang möglich macht. Sie hat verstanden, wie wertvoll sie ist. Und das alles hat sie stark gemacht.

Ich finde, ihre Geschichte gibt Hoffnung, weil sie auch heute noch Menschen Mut macht, die sich genauso schwach fühlen, zu nichts nütze, gequält und von dunklen Gedanken beherrscht. Mir geht es ja manchmal genauso. Aber die Geschichte von Maria Magdalena erzählt, dass der Glaube an Jesus Menschen frei und stark und mutig machen kann.

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SWR4 Abendgedanken

03MAI2024
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Ich weiß nicht, wie es einmal bei Gott im Himmel sein wird. Aber eines weiß ich: Bei Gott im Himmel steht ein großer Krug. Und in diesem Krug sammelt Gott alle Tränen, die ich im Laufe des Lebens geweint habe. Wie ich auf so eine Idee komme? Das steht in der Bibel, im Psalm 56. Dort betet ein Mensch zu Gott: „Du sammelst meine Tränen in deinen Krug, ohne Zweifel, du zählst sie“ (Ps.56,9)

Das muss jemand geschrieben haben, der oft im Leben geweint hat. Vielleicht hat dieser Mensch, der den Psalm 56 geschrieben hat, viel Leid erlebt. Vielleicht hat er Krieg erfahren und gesehen, wie Menschen um ihn herum getötet wurden. Vielleicht musste er viel zu oft an einem Grab stehen und einen Menschen beerdigen, den er geliebt hat. Vielleicht hat er große Angst gehabt um sein Leben oder das Leben anderer. Oder er hat Missbrauch und Gewalt erlebt. Vielleicht war er einfach tief einsam, weil da niemand war, der ihn verstanden hat und ihn geliebt hat. Und so hat er weinen müssen. Am Tag und vor allem nachts. Weil die Seele vor Schmerz schrie. – Jetzt aber schreibt er so einen Satz über Gott: „Du sammelst meine Tränen in deinen Krug, ohne Zweifel, du zählst sie“. Vielleicht hat er an manchen Tagen an Gott gezweifelt, aber er hatte eine große Hoffnung: Keine einzige Träne ist jemals umsonst geweint. Keine Träne geht verloren und wird vergessen. Gott selbst sammelt alle Tränen in seinem Krug. Man sammelt ja meistens das, was einem wertvoll ist. Briefmarken, Porzellan, kostbare Gemälde. Unsere Tränen sind Gott wertvoll. Wie Gold oder Perlen. Ich finde diesen Gedanken unheimlich tröstlich. Ich verstehe manchmal ja nicht, warum mir Gott ein Leiden oder einen Schmerz zumutet. Aber auch wenn ich das nicht verstehe, dann sind meine Tränen trotzdem Gott nicht egal. Im Gegenteil. Sie sind ihm wertvoll. Er sammelt sie. Er zählt sie. Er hütet sie. Und er wird mir am Ende alle meine Tränen abwischen. Auch das steht in der Bibel.

Wenn ich also einmal in den Himmel komme, dann will ich zu dem Krug gehen, in dem Gott meine Tränen gesammelt hat und Gott danke sagen, dass er auch im Schmerz bei mir war.

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SWR4 Abendgedanken

02MAI2024
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Als Kind habe ich Fahrradfahren gelernt. Und dabei ein ganz einfaches Prinzip verstanden: Auf das, was ich schaue, in diese Richtung bewege ich mich auch. Damals habe ich kapiert: Ich muss beim Fahrradfahren immer schön vor mich auf die Straße schauen. Dann fahre ich auch schön auf der Straße entlang. Wenn ich aber nach rechts oder links blicke und mir zu lange einen Baum ansehe, während ich fahre, dann lenke ich mein Fahrrad ganz unwillkürlich auch in Richtung Baum. Das kann daneben gehen. Und ich lande im Graben. Wohin ich schaue, dahin fahre ich auch.

Dieses einfache Prinzip finde ich heute überall in meinem Leben wieder: Was ich anschaue, das bestimmt meine Richtung. Es bestimmt mein Denken und es bestimmt mein Leben. Ich kann zum Beispiel immer auf das schauen, was andere Menschen mehr haben als ich: Mehr Geld vielleicht, das schönere Auto, die tolleren Reisen, das Haus, von dem ich immer geträumt habe. Oder ihre Kinder sind erfolgreicher und sie selbst sind gesünder als ich oder sehen besser aus.  Wenn ich zu lange in diese Richtung schaue, dann werde ich unwillkürlich neidisch.

Oder eine andere Möglichkeit: Ich blicke ständig in den Spiegel und frage mich: Sehe ich gut aus? Habe ich das Beste aus meinem Körper gemacht? Wirke ich noch jugendlich und attraktiv? Oh wehe, wenn die ersten Falten kommen, der Bauch hängt und das Alter seine Spuren hinterlässt. Dann werde ich unglücklich über mich selbst. 

Als Christ habe ich zum Glück noch eine ganz andere, dritte Möglichkeit. Ich kann auf Gott schauen. Der Beter des Psalms 34 sagt: „Wer auf Gott schaut, strahlt vor Freude“ (Ps.34,6) Wenn ich auf Gott schaue, dann sehe ich, wie er mich sieht: Ich erkenne, dass er mich geschaffen hat, so wie ich bin, mit allen Ecken und Kanten und Falten und Runzeln. Ich sehe, dass er mich auch so liebt, wie ich bin. Ich verstehe, dass er mir alles gibt, was ich zum Leben brauche. Wenn ich auf Gott schaue, verschwindet die Unzufriedenheit, und der Neid und die Selbstzweifel. Ich bin dankbar für das, was ich habe und freue mich über mein Leben.

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SWR4 Abendgedanken

01MAI2024
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In Bamberg, ganz in der Nähe vom Dom, hängt ein kleiner gelber Briefkasten der Post. Er wird jeden Tag um 14:45 Uhr geleert. Auf die Klappe, durch die man seine Briefe einwerfen kann, hat jemand mit dickem Filzstift zwei Worte geschrieben: „nur Liebesbriefe“.

Ich finde das eine wunderbare Idee. Wie wäre es denn, wenn in alle unsere Briefkästen tatsächlich nur Liebesbriefe eingeworfen würden? Keine Rechnungen. Keine Mahnungen an Menschen, die ihre Kosten nicht bezahlen können, weil das Geld nicht reicht. Keine Abschiedsbriefe, die anderen das Herz brechen. Keine Briefe voller Hass und Ablehnung und böser Worte. Wie wäre es, wenn es verboten wäre, das alles in den Briefkasten zu werfen. Nur Liebesbriefe. Dann wäre diese Welt wohl ein bisschen besser. Es gäbe weniger Angst, weniger Leid, weniger gebrochene Herzen, weniger Hass. Weniger verletzte Menschen. Leider ist das nur ein unrealistischer Traum und ganz bestimmt werden auch in diesen Briefkasten in Bamberg viele Briefe eingeworfen, die keine Liebesbotschaft vermitteln. Aber eigentlich ist das schade.

Doch der Gedanke lässt mich trotzdem nicht los. Wir müssen ja nicht gleich Liebesbriefe schreiben. Aber wie wäre es denn, wenn wir mehr darauf achten würden, wie wir unsere Briefe und Nachrichten formulieren. Der Ton macht doch die Musik. Wie wäre es, wenn eine Rechnung oder Mahnung mit einem Angebot zur Hilfe verbunden wäre. Oder eine Kritik gleichzeitig auch Verständnis zeigt für den anderen Menschen. Wie wäre es, wenn wir in unseren Briefen und Nachrichten darauf achten würden, keine verletzten Worte zu benutzen, auch dann, wenn uns der andere Mensch geärgert und verletzt hat. Ich muss dabei an Jesus denken, der einmal gesagt hat: „Segnet die, die euch verfluchen und betet für die, die euch beleidigen“ (Lk.6,28) Rechnungen, Mahnungen, Abschiede und Streit wird es immer geben. Doch selbst, wenn es mir schwer fällt, ich kann anderen Menschen auch in schwierigen Situationen gute und freundliche Worte sagen und schreiben. Denn der Ton macht die Musik.

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SWR4 Abendgedanken

30APR2024
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Ich habe neulich den Prospekt eines Wellness-Hotels aus Österreich aus meinem Briefkasten gefischt. Da verspricht das Hotel himmlische Momente zwischen Bergen und Seen. Wer für einige Nächte ein Zimmer bucht, der darf sich auf eine Sauna und ein Dampfbad freuen und sich mit Speisen aus einer exquisiten Küche verwöhnen lassen. Aber ich habe festgestellt, dass ich gar nicht nach Österreich reisen muss, um himmlische Momente zu erleben. Es geht auch einfacher und kleiner. In einem anderen Prospekt bietet eine Schokoladenmanufaktur Pralinen an, die ebenfalls himmlische Momente versprechen. Mich hat das nachdenklich gemacht. Was sind eigentlich „himmlische Momente“ und gibt es so etwas auch in meinem Leben?

„Himmlische Momente“ haben ja etwas mit dem Himmel zu tun. Mit dem Ort, in dem manchmal Verliebte schweben. Der Himmel ist auch ein Bild für alles Schöne und Gute und Friedliche und für den Ort, wo alle unsere Wünsche und Sehnsüchte erfüllt werden. Und der Himmel ist der Ort, von dem wir sagen, dass dort Gott wohnt. Gibt es in meinem Leben Momente, wo ich etwas von diesem Himmel spüre - ein kleines Stück Himmel? Mir fällt dazu schon das ein oder andere ein. Morgens vor dem Haus in der Sonne sitzen mit einem Kaffee in der Hand. Abends ein kühles Bier. Ein Musikstück hören, das tief meine Seele berührt. Eine Szene in einem Film, die mich zu Tränen rührt. Eine Umarmung eines lieben Menschen. Davon würde ich reden, wenn mich jemand nach meinen himmlischen Momenten fragt.

Ich denke, fast jeder Mensch sehnt sich nach solchen Momenten. Die Werbung in meinem Briefkasten zeigt das. Aber ich glaube, wenn wir aufmerksam durch den Tag gehen, dann kann jeder von uns ab und zu solche himmlischen Momente entdecken. Augenblicke, die das eigene Herz berühren und mich dankbar machen. Momente voller Schönheit und tiefem Frieden. Ja, ich glaube, dass Gott es ist, der uns manchmal diese himmlischen Momente schenkt – vielleicht sogar in einem Wellnesshotel oder bei einem Stück Schokolade. Einfach so, weil er sich daran freut, wenn wir solche Momente erleben.

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SWR4 Abendgedanken

29APR2024
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Als ich klein war, da war Samstag immer Badetag. Nicht nur in meiner Familie, auch in anderen Familien war das so. Immer samstags wurde die Badewanne eingelassen und dann war Badetag. Nicht etwa am Montag oder am Mittwoch. Niemand wäre auf die Idee gekommen, unter der Woche ein Vollbad zu nehmen. Das war reiner Luxus und reiner Genuss. Das gab es nur am Samstag. - Samstag war auch Kehrwoche. Da wurde der Hof und die Straße gefegt. Am Sonntag sollte schließlich alles sauber und adrett sein: Der Hof, die Straße und ich auch.

Heute ist das anders. Gebadet wird bei uns auch mal montags oder mittwochs. Und die Nachbarn fegen die Straße, wenn sie gerade Zeit dazu haben. Viele Menschen haben immer noch feste Gewohnheiten, aber sie bestimmen selbst, wann sie was tun. Ich zum Beispiel trinke morgens immer zuerst eine große Tasse Brennnesseltee. Und dann lese ich die Tageszeitung. Sonntags nach dem Gottesdienst gönne ich mir einen Kaffee. Und am Samstag nach Möglichkeit die Sportschau. Solche festen Gewohnheiten brauche ich in meinem Leben. Sie ordnen den Wochenverlauf und das Leben. Sie geben meinem Leben Struktur und Sicherheit.

Auch in meinem Glauben gibt es feste Gewohnheiten. Man kann sie auch als Rituale bezeichnen, also Dinge, die ich immer wieder tue. So lese ich jeden Morgen ein Bibelwort aus dem Losungsbuch. Das stärkt mich für den Tag. Jeden Tag spreche ich auch das Vaterunser. Und Sonntag ist Gottesdienst. Ein Ritual, das ich immer noch mit vielen Menschen teile, die erleben, wie gut ihnen das gemeinsame Singen und Beten tut.

Ich weiß, dass Rituale auch ganz anders aussehen können: Zum Beispiel täglich die Radioandacht hören, meditieren, oder eine Kerze anzünden. Der Glaube aber braucht feste Gewohnheiten und Rituale. Sie geben dem Glauben Halt und Struktur und helfen mir gerade in schweren Zeiten, an Gott festzuhalten. Denn es gibt ja Tage und Wochen, da fällt es mir schwer zu glauben, dass Gott da ist und es gut mit mir meint. Wenn ich dann nicht solche festen Gewohnheiten hätte, dann könnte es schnell passieren, dass ich meinen Glauben verliere. Feste Gewohnheiten und Rituale schützen darum meinen Glauben und erhalten mir mein Vertrauen zu Gott.

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