Alle Beiträge

Die Texte unserer Sendungen in den SWR-Programmen können Sie nachlesen und für private Zwecke nutzen.
Klicken Sie unten die gewünschte Sendung an.

Filter
zurücksetzen

Filter

Datum

SWR1

 

SWR4

 

Autor*in

 

Archiv

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

08SEP2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Es gibt Nachrichten, bei denen ich das Gefühl bekomme: jetzt ist eine Ära, ein wichtiger Zeitabschnitt für mich zu Ende gegangen. Zuletzt war das bei mir genau heute vor einem Jahr, als ich las: die Queen ist tot. Persönlich bin ich ihr nie begegnet. Ich habe sie auch nicht verehrt oder bin zu ihr hingefahren, wenn sie Deutschland besucht hat. Jubelnd und ein Fähnchen schwingend. Aber irgendwie gehörte sie einfach dazu. Auch zu meinem Leben. Sie war für mich ein Symbol von Verlässlichkeit und Stabilität. Das habe ich schon als Kind gespürt.  Regelmäßig war sie auf der Titelseite vieler Zeitschriften. Meine Oma Thekla hat die gerne gelesen: beim Frisör und später dann auch auf ihrem Sofa zuhause.

Heute, genau ein Jahr später, denke ich aber gar nicht mehr so sehr an die Queen, sondern an meine Oma. In meiner Erinnerung sehe ich sie lebendig vor mir: wie sie jede Woche ihre Illustrierte aufschlägt, oft mit der Queen auf dem Titel.

Meine Oma war 90, als sie starb. Sie hat viele Gesichter kommen und gehen sehen. Ich meine nicht nur die Titelseiten von Zeitschriften, sondern auch die vielen Begegnungen mit Menschen in ihrem langen Leben. Manche Gesichter waren ihr ganz wichtig, manche Begegnungen dagegen nur kurz und im Nachhinein eher belanglos. So ist es bei vielen. In der heutigen digitalen Welt flackern viele Gesichter sogar nur ganz kurz auf, wie ein Blitzlicht.

An meine Oma denke ich noch oft, obwohl sie schon 22 Jahre tot ist.  Sie ist nicht bekannt oder mächtig gewesen. Darauf kommt es für mich auch gar nicht an. Aber als sie ging, war das für mich ein ganz tiefgehender Einschnitt. Für mich wird sie immer einen Platz in meinem Herzen haben. An viele andere denkt heute dagegen niemand mehr. Meine Hoffnung ist: Gott wird niemanden vergessen (Jesaja 49,15). Für ihn gilt dieses Versprechen immer – und für alle Zeiten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38359
weiterlesen...

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

07SEP2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Heute vor 74 Jahren hat zum ersten Mal der Deutsche Bundestag getagt. Das ist lange her, aber alles andere als selbstverständlich. Immerhin gibt es genug Länder auf dieser Erde, die kein Parlament haben, das frei gewählt wird – ich denk da zum Beispiel an Weißrussland und die Proteste vor ein paar Jahren gegen Wahlmanipulationen.

Ich erinnere mich: Das allererste Mal habe ich durchs Fernsehen vom Bundestag erfahren. Ich war damals erst fünf. Ich hatte bei meiner Oma übernachtet. Die schlief relativ lange. Und da habe ich aus Langeweile ihren Fernseher angeschaltet, weil ich die Sesamstraße sehen wollte. Die kam aber nicht, sondern eine aktuelle Debatte des Deutschen Bundestags. Tatsächlich blieb ich davor sitzen. Ich fand es zwar total langweilig, weil ich nichts davon verstand, was die Erwachsenen da redeten. Da gingen Leute zu einem Rednerpult und schimpften, dann lobte ein anderer auf einmal das, was der Bundeskanzler macht. Aber irgendwas hat mich doch daran gefesselt. Ich weiß nicht genau, warum.

Nach den neuesten Meinungsumfragen fühlen sich viele Wählerinnen und Wähler bevormundet und nicht genügend beteiligt. Was hilft gegen dieses Gefühl? Sicher nicht, sich ins Private zurückzuziehen oder die Demokratie zu verachten, sondern die eigenen Ideen und Vorschläge einzubringen. Um das tun zu können, muss ich mich nicht in ein Parlament wählen lassen. Ich kann meinem gewählten Abgeordneten auch jederzeit eine Mail oder einen Brief schreiben. Da kann ich begreiflich machen, was mir gerade an den Entscheidungen gefällt, und auch das, was mich stört. Die Idee, sich einzubringen, ist nicht neu.

Schon der Prophet Jeremia in der Bibel riet seinen Landsleuten, die in die Fremde verbannt waren, in einem Brief: „Suchet der Stadt Bestes, und betet für sie! Denn wenn es ihr gut geht, geht es auch euch gut.“ (Jeremia 29,7). Ich finde es jedenfalls gut, dass es den Bundestag gibt, ein frei gewähltes Parlament, und das schon seit 74 Jahren.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38358
weiterlesen...