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SWR2 Lied zum Sonntag

Es gibt Lieder, die sind einfach da. Keiner weiß so ganz genau, wo sie herkamen, wer sie einmal gedichtet und komponiert hat. Das alte Adventslied, das ich Ihnen heute vorstelle, erzählt von einer wunderbaren Veränderung. Für das, was sich hier verändern soll, findet es zunächst einmal ein düsteres Bild:

Ein Wald aus Dornensträuchern, baumhoch. Sieben Jahre hat er kein Laub getragen. Totes Holz, harte Dornen, die schmerzhaft verletzen können. Und mitten in diesem toten Wald Maria, die Mutter Jesu. Ganz ruhig geht sie durch das Dornengestrüpp. All der Tod um sie herum kann ihr nichts anhaben. In ihr wächst neues Leben heran. Sie hat gehört, dass ihre Verwandte, die schon alte Elisabeth, ebenfalls schwanger ist. Zu ihr ist Maria unterwegs.

Ich höre das Lied und gehe mit durch den Dornwald, denke an Abgestorbenes und Schmerzhaftes aus meinem eigenen Leben. Gestorbene Hoffnungen, unerfüllt schmerzende Wünsche – die wachsen auch dort am Wegrand. Schlimme Nachrichten, die mich hart stechen wie tote Dornen.

Doch jetzt verändert sich etwas. Es kommt etwas in Bewegung. Maria trägt neues Leben unter ihrem Herzen und der Dornwald belebt sich.
Das alte Adventslied erzählt, wie sich scheinbar Vergebliches verändern kann. Es legt mich nicht fest auf das, was ich nur bedauern und betrauern kann, sondern es macht mir Hoffnung. In der 3. Strophe heißt es: Als das Kindlein durch den Wald getragen, da haben die Dornen Rosen getragen.

Ich denke wieder an die schmerzenden Dornen in meinem Leben. Und ich sehe Rosen blühen, mitten zwischen den Dornen: Möglichkeiten, an die ich nicht gedacht habe; Perspektiven, die ich nicht gesehen habe; Veränderungen, die ich nicht wahrgenommen habe.

Gott lässt mitten im abgestorbenen Wald neues Leben wachsen. Noch sieht man es nicht. Doch es ist schon da. Jesus ist noch nicht geboren. Doch die Rosen, die blühen schon, in froher Erwartung. Der tote, harte Dornwald wird zum Ort für neues Leben. Das ist die Verheißung, von der dieses alte Lied erzählt.

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Musikangaben:
Maria durch ein Dornwald ging (bearbeitet für Singstimme und Klavier)
Rembeck, Christine Maria: Engelslicht und Dornenschatten

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SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken

„Im Schnee saß, im Schnee, da saß ein armer Mann, hatt‘ Kleider nicht, hatt‘ Lumpen an. O helft mir doch in meiner Not, sonst ist der bitt‘re Frost mein Tod.“

Das haben die Kinder gestern wieder gesungen. Dazu sind sie mit ihren Laternen durch die Straßen gezogen. Das Lied erzählt die Geschichte vom heiligen Martin. Es geht auf eine alte Legende zurück: Martin von Tours hat als römischer Soldat seinen warmen Mantelumhang mit seinem Schwert durchgeteilt. Die eine Hälfte hat er einem Bettler geschenkt, der am Weg gesessen hat.

Ich habe dieses Lied als Kind auch jedes Jahr gesungen. Ich kann es heute noch auswendig! Und es ist ja auch ein großartiges Lied. Es lehrt das Hingucken. Wie geht es dem anderen? Was sind seine Bedürfnisse, was ist seine Not? Und habe ich etwas, das ich mit ihm teilen kann, ohne dass ich Not leide? Kann ich die Not des anderen lindern, seine Bedürfnisse stillen?

Hingucken und Teilen. Am Martinstag müssen dieses Lied und dieses Thema einfach sein. Kindergärten, Schulen, Kirchengemeinden – alle machen mit! Es gibt noch mehr Lieder, und es gibt unzählige Geschichten und Bilderbücher dazu. Uns Erwachsenen ist offenbar sehr wichtig, dass die Kinder das Teilen lernen. Dass sie die Not anderer sehen und verstehen. Und etwas abgeben von ihrem Überfluss.

Heute ist das schöne Fest wieder vorbei. Und ich frage mich: Ist das denn nur ein Fest für Kinder? Und nur ein Thema für Kinder? Brauchen wir Erwachsenen den heiligen Martin nicht auch? Müssten wir nicht auch Lieder singen und Geschichten hören, die uns zum Teilen einladen? Die von dem sprechen, was wir im Überfluss haben und mit anderen teilen könnten?

„Im Schnee, da saß ein armer Mann“, heißt es in dem Lied. Die armen Männer heute sitzen in den Fußgängerzonen. Oder sie stehen vor dem Einkaufszentrum oder gehen durch die S-Bahn und bieten die Obdachlosenzeitung an. Die allermeisten Menschen hasten an diesen armen Männern vorbei. Manchmal ist es auch eine arme Frau. Ich habe auch nicht immer Kleingeld parat. Und ich habe keine Zeit. Sage ich mir jedenfalls. Und denke vielleicht auch: Na ja, der müsste ja nicht da sitzen. Der könnte ja auch was schaffen.

Wenn ich mir aber die Zeit nehme und sie mit einem solchen armen Mann teile, dann denke ich so etwas nicht mehr. Dann erfahre ich, warum der jetzt hier sitzt. Da ist viel schiefgelaufen. Und vielleicht hat er auch nicht so viel Glück gehabt wie ich. Wer da erst einmal sitzt, der hat oft schon aufgegeben. Die vielen Zeitungen, die die Wohnungslosen selbst herstellen, sind ein wichtiger Schritt, da wegzukommen. Etwas zu ändern. Ich kaufe diese Zeitungen häufiger und lese sie auch. Was kann ich noch tun? Wie kann ich teilen?

Das Wort „teilen“ hat noch eine andere Bedeutung. Da heißt es so viel wie „trennen“. Ich bin im geteilten Deutschland aufgewachsen. Dann kam die Wiedervereinigung. Doch ich erlebe Deutschland immer noch als ein geteiltes Land. Immer noch gibt es eine unsichtbare Grenze. Ich wünschte mir, wir würden uns das Land wirklich teilen, das so lange geteilt war. Den Wohlstand teilen – aber auch die Erfahrungen, die Geschichten, die Art, die Welt zu sehen. Ich wünschte mir, wir würden mehr aufeinander hören und versuchen, einander zu verstehen.

Und es gibt nicht nur die alte Trennung zwischen Ost und West. Das ganze Land ist geteilt in Arm und Reich. In Menschen, die mehr oder weniger alles mitmachen können – und in Menschen, die dafür kein Geld haben. Wie viele Kinder, die vom heiligen Martin singen, leben von Hartz IV! Sie singen vom Teilen, vom Helfen in der Not. Aber wer teilt mit ihnen? Eine Grundsicherung reicht nur sehr knapp zum Leben. Für Familien mit Kindern reicht es eigentlich nur noch zum Allernötigsten.

Ein geteiltes Land, das ist Deutschland immer noch. Die ganze Welt ist so geteilt. In Arm und Reich, in Sicher und Unsicher. Eine geteilte Welt. Aber keine Welt, die wir uns alle teilen. Das Teilen, das muss unser reiches Land nun mit den Flüchtlingen üben. Viele spielen die Wohnungslosen und die Hartz IV-Empfänger gegen die Flüchtlinge aus. Immer wieder höre ich: Kümmert euch doch erst einmal um die Armen bei uns! Ja, das müssen wir wirklich alle tun. Aber tun wir es? Oder dienen die Armen in Deutschland als Entschuldigung? Damit wir die Grenzen und die Herzen dicht machen können?

Ich finde, das Lied vom Heiligen Martin lehrt hinzugucken. Die Not zu sehen. Und dann zu fragen: Was kann ich tun? Nicht die anderen. Ich. Mit dem, was ich habe. Was ich mehr habe, als ich vielleicht brauche.
Ich weiß, es ist nicht leicht, das Gute mit anderen zu teilen. Hingucken, nicht weggucken: Ich glaube, das ist der erste und wichtigste Schritt. Und dann teilen, wie der Heilige Martin.  Der hat sein Herz geöffnet.

Martin hat erkannt: Der andere ist wie ich. Er ist auch Gottes Geschöpf. Gott liebt ihn genauso wie mich. Gott hat ihm das Leben geschenkt. Wie kann ich helfen, dass der andere sich an diesem Geschenk genauso freuen kann wie ich?
So fragt ein Heiliger. Aber wenn Heilige Menschen sind, die anderen helfen, sich zu freuen – dann können wir auch solche Heiligen werden, Sie und ich!

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag!

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SWR2 Lied zum Sonntag

Die meisten Lieder, die im Radio zu hören sind, singen von der Liebe. Das heutige Lied zum Sonntag macht da keine Ausnahme! Gleich das erste Wort ist: „Liebster“. Doch dieser Liebste ist nicht irgendwer. Es ist Jesus.
Zwar finden sich die für Liebeslieder typischen Worte: „Herz“, „süß“ – sogar von der „Begier“ ist die Rede. Allerdings meint dieses Lied damit etwas anderes als Liebeslieder sonst.
„Liebster Jesus“ – wie geht das weiter? Wie wird diese Beziehung aussehen?

Jesus ist attraktiv! Wenn er spricht, sollen die Herzen zu ihm gezogen, Sinnen und Begier auf seine süßen Worte gelenkt werden. Diese Anziehung geht also über das Hören. Das Hören verbindet mich auf der Erde mit Jesus im Himmel.
Also Weltflucht? Nun, Liebe schafft sich in der Welt immer eine Insel. Verliebte wirken immer ein bisschen wie von einem anderen Stern. Doch ihr Anblick tut gut! Sie machen die Welt ein bisschen heller. Genau das will auch dieses Lied erreichen. Es sieht die Welt als ziemlich düster an: „Unser Verstand ist mit Finsternis verhüllet.“ Wenn da nicht etwas Licht hineinfällt, dann kommt nichts Gutes dabei heraus. Ursprünglich wurde das Lied vor der Predigt gesungen. Es sollte deutlich machen: In der menschlichen Rede kommt Jesus selbst zu Wort. Seine süßen Himmelslehren sollen Licht in die Welt bringen.

Hier spricht nicht nur die Liebe einer Einzelnen. Hier stimmt sich eine Gemeinde auf die Predigt ein. „Mach uns allesamt bereit, öffne Herzen, Mund und Ohren; unser Bitten, Flehn und Singen lass, Herr Jesu, wohl gelingen.“ Ich möchte mir gerne vom Herzen singen, was mein Herz belastet, was mir Mund und Ohren verstopft. Die sanft wiegende Melodie und der wohlklingend gereimte Text sind dafür bestens geeignet.

Ein Gottesdienst ist auch wie eine Insel in der Welt. So versteht es das Lied. Es will mich einstimmen, dass ich Worte höre, die ich mir nicht selbst sagen kann. Das muss nicht nur in der Kirche geschehen. So wie Liebe immer an den Geliebten denkt, so kann ich das Licht dieses „liebsten Jesus“ auch sonst erfahren, wo ich seine Worte in meinem Leben wirken lasse. Und ich bleibe damit nicht allein, denn es sind durchaus viele, die das erleben.

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Musikangaben:

Musiktitel 1:
M0302288  01-052
Ahle, Johann Rudolf; Clausnitzer, Tobias
L
iebster Jesu, wir sind hier
Wegener, Sarah; Johannsen, Kay

Musiktitel 2: wie zuvor
2. Strophe

Musiktitel 3:
M0480819  01-002
Bach, Johann Sebastian; Clausnitzer, Tobias 
Liebster Jesu, wir sind hier   
Gächinger Kantorei; Bach-Collegium Stuttgart; Rilling, Helmuth
3
. Strophe

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SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken

Wenn jemand sich richtig daneben benommen hat – dann sollte er auch eine richtige Strafpredigt zu hören kriegen! So eine geballte Ladung an Vorwürfen, Wut und Empörung.
Die Wut wäre ja gerecht und die Empörung nur zu verständlich. Aber Vorwürfe bringen eigentlich nie viel. Da fühlt der andere sich nur angegriffen und geht in die Verteidigung. Er versucht, seinen Fehler schön zu reden und zu rechtfertigen. Dass er einen Fehler gemacht hat, kann er nicht einsehen. Und am Schluss fühlt er sich als armes Opfer, das die Strafpredigt beim besten Willen nicht verdient hat.

Aber das geht auch anders. Das zeigt eine Geschichte aus der Bibel. Da hält der Prophet Nathan dem König David eine Strafpredigt. Aber er macht das sehr geschickt. Er schafft es, dass der König tatsächlich versteht, was er getan hat, und zur Einsicht kommt.

Der Anlass für diese Strafpredigt war wirklich schlimm. David hat eine fremde Ehe zerbrochen, und zwar richtig brutal und mit Hinterlist. Erst hat er sich die fremde Frau genommen. Dann hat er den Mann einfach an die Front mitten ins größte Kampfgetümmel geschickt. Dort ist der gefallen, und nach der angemessenen Trauerzeit hat David die junge Witwe Batseba zur Frau genommen. Die hat da schon ein Kind von ihm erwartet.

Ein Skandal. Ja, eine richtige Schweinerei! Mord und Ehebruch auf einmal. Aber wer sagt das dem König? Dann kommt man am Ende auch an die Front oder ins Gefängnis oder bekommt gleich den Kopf abgeschlagen. Da wird der König wahrscheinlich nicht lange fackeln.

Die Wahrheit zu sagen ist nicht ungefährlich. Davor scheuen viele Menschen zurück. Da nimmt Gott selbst sich der Sache an, erzählt die Bibel. Er schickt seinen Propheten Nathan zum König. Ein Prophet, das ist ja nicht bloß einer, der etwas vorhersagt. Das ist eigentlich einer, der etwas heraussagt. Gerade heraus sagt, was er von Gott gehört hat. So ein Prophet hatte damals Autorität. Da hat sogar ein ungerechter König erst einmal zugehört.

Und Nathan macht das wirklich geschickt: Er erzählt David eine kleine Geschichte. Da ist ein Reicher, sagt er, der hat viele Schafe und Rinder. Und ein Armer, der hat nur ein kleines Lämmchen, das hat er selbst großgezogen, und es sitzt mit an seinem Tisch und schläft auf seinem Schoß. Da bekommt der Reiche eines Tages Besuch. Dem will er etwas vorsetzen. Aber er ist geizig. Also nimmt er das Lämmchen des Armen, schlachtet es und setzt es seinem Gast vor.

Da wird der König zornig. „Der Mann muss sterben!“, ruft er. Und der Prophet antwortet: „Du selbst bist dieser Mann“. Da geht der König tatsächlich in sich. Manchmal ist eine Strafpredigt bitter notwendig. Wie kann man sie so halten, dass sie auch hilft?

II
Nathan hat einen Umweg über eine kleine Geschichte gewählt. Der König soll als Richter entscheiden. Und spricht sich sein eigenes Urteil. Das ist wirklich geschickt.
Ich stelle mir mal vor, Nathan hätte es anders gemacht. Wäre gleich zum Kern der Sache gekommen. David hätte Entschuldigungen und Selbstrechtfertigungen gesucht – und gefunden. Ich kenne das doch von mir selbst. Wenn mir einer heftige Vorwürfe macht, dann fange ich an, mich zu verteidigen. Dann suche ich Gründe, warum ich gar nicht schuldig bin. Oder warum man doch einfach verstehen muss, dass ich so gehandelt habe.

Und ich bin da keine Ausnahme, scheint mir. Die anderen machen es auch so. Wenn ich jemandem vorhalte, was er getan hat, dann läuft das ganz genauso ab. Der andere rechtfertigt sich und schiebt womöglich mir den schwarzen Peter zu. Auf einmal bin ich Schuld und soll mich auch noch entschuldigen für meine Vorwürfe.  

Dieses Muster ist leider üblich. Aber so ändert sich nichts. Und darum finde ich so genial, wie Nathan zu Werke geht. Er hilft dem König, den Fall erst einmal ganz unabhängig von seiner Person zu verstehen. Der Reiche, der dem Armen sein geliebtes Lämmchen wegnimmt und es seinem Besuch zum Essen vorsetzt – ja, das ist doch jedem klar, dass das einfach gar nicht geht! So würde jeder urteilen!

So bekommt der König die Möglichkeit, seinen Fehler zu verstehen. Dann macht der Prophet ihm klar: Genauso hast du gehandelt! Da schafft der König es, sein Vergehen einzugestehen und zu bereuen.

Wer seine Tat wirklich bereut, der kann Verantwortung übernehmen für sein Tun. Der überlegt: Warum ist das gerade mir passiert? Wie konnte ich das tun? Was kann ich jetzt tun, um es wieder gutzumachen? Wie verhindere ich, dass mir das wieder geschieht? Und wie kann ich weiterleben mit dem, was ich nicht wieder gutmachen kann? Ohne dass ich über meine Tat einfach schweige und hinweggehe? Wie kann ich trotz meiner Schuld die Aufgaben erfüllen, die ich ja weiter habe? So wie David ja weiter König war. Und Recht sprechen musste, ausgerechnet er!

Aber mit solchen Fragen bin ich längst nicht mehr nur bei David. Da bin ich auch bei mir selbst, bei Ihnen, bei allen Menschen, mit denen Sie und ich zu tun bekommen. Denn kein Mensch ist davor gefeit, Fehler zu machen. Auch wenn es nicht immer so schreckliche sind wie bei König David. Aber ich kehre vor meiner eigenen Tür. Wenn ich begriffen habe, was geschehen ist – dann kann ich es besser machen. Den Versuch ist es immer wert!

Ich wünsche Ihnen einen unbeschwerten Sonntag!

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SWR2 Lied zum Sonntag

Ich liebe Geschichten, die gut ausgehen. Die Bibel ist voll davon! Geschichten, die erst einmal gar nicht gut anfangen. Doch die dann zu einem überraschenden und guten Ende führen. Im ersten Buch Mose wird zum Beispiel von Hagar erzählt. Abraham, der von Hagar ein Kind gewollt hatte, schickt sie nun mitsamt dem Kind in die Wüste. Dort irrt sie jetzt umher, der kleine Ismael ist nahe am Verdursten, und Hagar ist völlig verzweifelt.

Heute leben solche verzweifelten Mütter in Somalia, im Jemen oder im Süd-Sudan. Manchmal sehe ich sie in den Nachrichten. Und dann möchte ich am liebsten nicht mehr hinschauen … Doch Gott schaut hin, erzählt die Bibel. Und plötzlich geht Hagars Geschichte gut aus. Es gibt ein Lied darüber. Mit einer fröhlichen Melodie: dankbar, tanzend, triumphierend, als alles endlich vorbei ist. Als Gott endlich eingegriffen hat.

Musik 1

Der Oktavsprung am Anfang der Strophe verbindet Himmel und Erde. Er greift sozusagen in den Himmel und holt ihn herunter, mitten in das Elend und in die Verzweiflung hinein. „Geflohen aus Not in die Einsamkeit, durchkreuzt sein Wort meine Wüstenzeit.“ Das beschwingte Lied von Susanne Brandt und Miriam Buthmann war in diesem Jahr das Mottolied zum Deutschen Evangelischen Kirchentag. Es spricht die Sprache unserer Zeit: „Du bist ein Gott, der mich anschaut. Du bist die Liebe, die Würde gibt. Du bist ein Gott, der mich achtet. Du bist die Mutter, die liebt.“

Geschichten können gut ausgehen, wo Menschen sich wahrgenommen und geliebt fühlen. Wo sie ihre Würde wiederfinden. Ein Stück Himmel auf der Erde. Gottes Engel ruft der Verzweifelten zu: „Du bist nicht allein!“ Seine Stimme hat dabei einen „zärtlichen Klang“:

Musik 2

Hagar findet Wasser für ihr Kind. Ihre Geschichte geht gut aus. Darum traue ich mich, auch dort hinzuschauen, wo ich am liebsten wegschauen würde. Über 65 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht wie Hagar. Die Hälfte davon sind Kinder. Kann ihre Geschichte auch gut ausgehen? In der letzten Strophe heißt es: „Durch all meine Fragen gehst du mir nach und hältst behutsam die Sehnsucht wach.“

Die Sehnsucht nach einer Welt, auf der es mütterlicher und barmherziger zugeht. Einer Welt, die nicht mehr von Eigennutz, Gewinnstreben und Gewalt geprägt ist. Einer Welt, die Platz hat für einen behutsamen Gott. Und auf der Menschen lernen, selbst behutsamer zu werden. Mit der Welt, mit den anderen – mit sich selbst. Wo sie einander achten. Wo kein Mensch seine Würde verlieren muss.

Diese Sehnsucht hält das muntere und sanfte Lied wach:

Musik 3

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Musikangaben:

Buthmann, Miriam; Brandt, Susanne
Du bist ein Gott, der mich anschaut

Miriam Buthmann & Band
Miriam Buthmann: CD Mein Gott, Track 1
Platt’n’teller, Labelcode: 52581

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SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken

Auf einmal erlebt man einen guten Bekannten ganz anders als sonst. Ist Ihnen das nicht auch schon einmal so gegangen? Normalerweise ist ein Freund die Ruhe selbst. Doch wenn ihn etwas ärgert, dann kann er richtig aufbrausend sein. Oder eine Freundin ist sonst immer sehr still. Plötzlich erlebe ich sie in einem anderen Zusammenhang. Dort steht sie im Mittelpunkt und hat auf einmal gar keine Scheu, in einer großen Gruppe zu sprechen. Ich schüttele verwundert den Kopf und sage: „Ich kenne dich gar nicht wieder!“

Den anderen geht es ja mit mir nicht anders. Wenn ich höre, wie andere mich beschreiben, dann frage ich mich manchmal: So soll ich sein? So – und so auch noch – und jetzt wieder ganz anders? Aber das widerspricht sich doch völlig!  Oder ich höre, wie Leute über jemanden herziehen, den ich eigentlich sehr nett finde. Oder umgekehrt: begeistert über eine Person erzählen, die ich äußerst fragwürdig finde. Es ist offenbar gar nicht so leicht, einen Menschen zu beschreiben. Es kommt auf die Situation an. Und auf die Menschen, die etwas Bestimmtes mit ihm erleben. Und bestimmte Dinge wichtig finden.

Ist das bei Gott womöglich ähnlich? Juden, Christen und Muslime beschreiben Gott tatsächlich unterschiedlich. Und dann doch wieder so gleich, dass man wirklich merkt: Das ist immer ein und derselbe Gott. Es gibt ja auch wirklich nur einen Gott. Aber die Menschen erkennen immer nur einen Teil von ihm. Gott ist mehr und größer als das, was Menschen erkennen.

Schon von Anfang an haben Christen das begriffen. Und Namen gefunden für Gott, der sich so verschieden bemerkbar macht: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Der heutige Sonntag erinnert genau daran: er heißt Dreifaltigkeitssonntag. Er steht nicht so im Mittelpunkt wie Weihnachten, Ostern oder auch noch Pfingsten. Dabei geht es hier um etwas ganz Zentrales im christlichen Glauben. Manche sagen: das Zentrale. Es geht um die Frage, wer der christliche Gott eigentlich ist.
Vater, Sohn, Heiliger Geist: Ja, sind das nun drei Götter?! Oder doch einer?

Juden und Muslime verwirrt das. Sie halten den Christen gerne vor: Im Grunde habt ihr ja doch drei Götter. Jedenfalls nimmt es unserem gemeinsamen Gott etwas von seiner Einmaligkeit, wenn da plötzlich von drei Personen die Rede ist. Ein Mensch ist doch schließlich auch immer ein und dieselbe Person. Höchstens mit unterschiedlichen Eigenschaften. Vielleicht ist das bei Gott ja anders. Aber dann wird es auch richtig kompliziert. Unnötig kompliziert, finden auch viele Christen.

Vater, Sohn, Heiliger Geist: Sind das nur unterschiedliche Wahrnehmungen von Gott? Ein unterschiedliches Verständnis, eine unterschiedliche Art, den Glauben an Gott auszudrücken?

II
Die Erfahrungen, die Menschen mit Gott machen, sind nicht leicht in Worte zu fassen. Alle Worte über Gott bleiben Annäherungen.
Vater, Sohn, Heiliger Geist: das klingt geheimnisvoll. Und damit ist es eigentlich schon eine passende Beschreibung für das Geheimnis Gott! Man darf nur nicht Gott auf diese geheimnisvollen Wortbilder und Bildworte festlegen. „Vater“, das ist nur eins unter vielen Bildern, die die Bibel für Gott benutzt. „Mutter“ ist übrigens auch darunter.

Der „Sohn“ – das ist mehr als nur Jesus als Mensch. In Jesus haben Menschen etwas von Gott gespürt. Jesus ist das „menschliche Gesicht Gottes“, hat ein englischer Bischof einmal gesagt. Wenn ich also über Jesus spreche, dann kann ich über Gott nicht mehr abstrakt denken. Dann erzähle ich Geschichten. Dann erzähle ich, wie Jesus sich Menschen zuwendet. Wie er auf die hört, auf die keiner mehr hört. Wie er die in die Mitte holt, die immer am Rand stehen. So ist Gott, sagen diese Geschichten.

Aber damit könnte es nun eigentlich fertig sein. Für Christen ist Gott immer der Gott, der sich den Menschen zuwendet. So wie Jesus es getan hat. Gott ist Vater und Sohn. Das würde doch reichen! Und Christen nennen sich Gottes Kinder, weil Jesus ihr Menschen-Bruder ist.

Doch jetzt kommt noch etwas Drittes. Jetzt kommt der Heilige Geist. Gottes Geist. Der ist immer dabei. Schon bei der Schöpfung schwebt er auf dem Wasser, heißt es am Anfang der Bibel. Er ist dabei, wenn Menschen etwas Besonderes tun sollen. Wenn sie einen besonderen Auftrag haben. Die Kunsthandwerker, die im alten Israel das Heiligtum bauen sollen – die haben dafür sogar alle einen besonderen Geist von Gott!

Dann ist der Heilige Geist dabei, als Jesus getauft wird. Und vor allem, als die Kirche entsteht. Als die Menschen, die Jesus um sich gesammelt hat, zu einer richtigen Gemeinschaft werden. Die Pfingstgeschichte erzählt, wie ganz Fremde sich auf einmal verstehen können.

Gott verbindet Menschen zu einer Gemeinschaft. Auch heute kann man das so erleben. Menschen verstehen sich über Grenzen hinweg. Sie lernen, die Welt mit den Augen der anderen zu sehen. Damit das funktioniert, zeigt Gott sich mal so und mal so. Eine bunte Vielfalt. Je nachdem, wie Menschen seine Nähe brauchen. Je nachdem, wie Gott ihnen nahe sein kann. Aber dreifaltig lässt Gott sich immer wieder erkennen.

Ich bin ein Kind Gottes – des Vaters, des Sohnes, des Heiligen Geistes. Und ich wünsche Ihnen als Gotteskindern einen schönen Dreifaltigkeitssonntag!

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SWR2 Lied zum Sonntag

Mit dem heutigen Lied möchte ich Sie mitnehmen in die Welt des Barock. Da gab es höfischen Pomp, viele Verzierungen. Aber auch Elend, jahrzehntelange Kriege. Die barocke Welt ist oft hässlich. Gerade darum sucht sie wohl so nach Schönheit. Schöne Worte des Glaubens findet der Dichter Ernst Christoph Homburg während einer schweren Krankheit: „Jesus, unser Trost und Leben, der dem Tode war ergeben, der hat herrlich und mit Macht Sieg und Leben wiederbracht.“
Die Musik dazu wird Johann Sebastian Bach zugeschrieben. Sie windet geradezu Blütenkränze um diese Worte:

Jesus, unser Trost und Leben, 1. Strophe

Jesus als Siegesfürst. Aber siegt nicht am Ende immer der Tod? Im Barock stand das den Menschen ständig vor Augen. Blühende Länder konnten rasch verwüstet und entvölkert werden. Blühende Menschen wurden über Nacht krank und nichts konnte helfen.
Ernst Christoph Homburg erlebt das gerade selbst. Auf dem Krankenlager richtet er seine Hoffnung auf eine andere Welt. Eine Welt, in der das Leben siegt: „Nunmehr liegt der Tod gebunden, von dem Leben überwunden.“

Jesus, unser Trost und Leben, 2. Strophe

Medizin und Diplomatie vermögen heute viel mehr als vor 350 Jahren. Doch steht dadurch der Himmel wirklich offen?
Der kranke Dichter sieht Leben, Glück und Frieden, wie diese Welt sie nicht geben kann. „Alle Welt sich des erfreuet! Ja, das Meer vor Freuden wallet!“ Bachs Musik wird nicht müde, immer neue Blumen um diese Worte zu winden.

Ich höre diese österlichen Worte und Töne und nehme mir ihre Schönheit zu Herzen. Ich weiß nicht, wie es nach dem Tod aussieht. Aber eine bessere Welt erwarte ich nicht erst dann. Das Lied beschreibt auch die Gegenwart, die Welt in all ihrer Schönheit. Hier sieht der Dichter Gott am Werk. So will Gott auch in meinem Leben am Werk sein, auch wenn ich krank bin oder mutlos. Gott schenkt mir langen Atem – zum Singen und zu allem, was mir zu tun bleibt. So darf auch in meinem Herzen Frühling werden!

Jesus, unser Trost und Leben, 3. Strophe

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Musikangaben:

Bach, Johann Sebastian; Homburg, Ernst Christoph  
Jesus, unser Trost und Leben
Geistliches Lied für Singstimme und Basso continuo, BWV 475    
Danz, Ingeborg; Schmidt, Andreas

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SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken

Wo hast du nur deine Augen?! Als Kind und Jugendlicher habe ich diese Frage manchmal zu hören bekommen. Ich bin zum Beispiel über was gestolpert. Eigentlich war es gut zu sehen. Wo hast du nur deine Augen?! Oder ich habe etwas nicht gefunden. Dabei lag es vor meiner Nase! Wo hast du nur deine Augen?! Menschen, die ein bisschen verträumt sind oder in ihren Gedanken gerne ganz woanders, die bekommen solche Fragen zu hören.
Wie ich heute darauf komme? Das liegt an diesem Sonntag. In der Kirche hat der nämlich einen Namen. Auf Latein, der alten Kirchensprache, heißt er: Okuli. Auf Deutsch heißt das einfach: Augen. Ein Augensonntag also.

Die Augen, die Okuli, kommen in einem besonderen Satz aus der Bibel vor, einem Psalmvers. Seit dem Mittelalter ist der an diesem Sonntag im Gottesdienst gesungen worden: Meine Augen sehen stets auf den HERRN (Ps 25,15).
Also, die Ausrede hätte ich früher gerne gehabt! – Wo hast du nur deine Augen?! – Ich habe sie bei Gott! – Na, ich fürchte, die anderen hätten mich bloß ausgelacht …
Aber eigentlich ist es ja gar nicht zum Lachen, sondern etwas ganz Wunderbares. Ein Augensonntag. Ein Sonntag, an dem ich auch einmal etwas anderes sehen darf als das, was sowieso vor Augen ist. Zum Beispiel Hoffnung, wo alle nur ihre Sorgen sehen. Etwas Schönes, Wunderbares, an dem alle vorbeilaufen. Keiner guckt hin, aber ich, ich habe ja meine Augen bei Gott, ich sehe das Wunderbare! Wie schön, wenn das an diesem Sonntag passieren könnte!

Doch würde ich damit besser durchs Leben kommen? Nur mit Wundern? Würde ich nicht ein etwas seltsamer Kauz werden, die Augen in irgendwelchen schönen Märchenwelten? Wo hast du deine Augen! Hier ist das harte Leben. Und das sieht nun einmal so aus, wie es aussieht. Aber wer auf Gott schaut, der macht ja die Augen nicht zu. Der guckt nicht weg.

Der Beter in der Bibel jedenfalls, der hat nicht weggeguckt. Ich bin einsam und elend! hat er gesagt. Von Nöten, Jammer und Sünden hat er gesprochen. Aber eben auch: Meine Augen sehen stets auf den HERRN, denn er wird meinen Fuß aus dem Netze ziehen. Also: Die Not und das Elend, die sind da. Aber das andere ist ja auch da. Der Psalmbeter sieht, was ihm Kummer und Angst macht. Aber dahinter sieht er Gott. Und er hofft, dass Gott ihn aus diesem Netz herausziehen kann.
Ich glaube: Wenn ich nur das Schlimme sehe, nur das Aussichtslose – da könnte mich jemand zu Recht fragen: Wo hast du nur deine Augen?! Kann ich das üben, Gott hinter meiner Not zu sehen, die Rettung hinter dem Aussichtslosen? Die Hilfe und die Helfer, die es gibt? Die schönen Erfahrungen, auch wenn viel Trauriges geschieht? Kann man es üben, dass die Augen das sehen?

Mir sind ein paar Übungen dazu eingefallen:
Die erste ist ganz einfach. Die kennen Sie alle. Eine ganz berühmte Frage: Ist das Glas halb voll oder halb leer? Es ist etwas ganz besonders Leckeres in dem Glas. Die Hälfte habe ich schon ausgetrunken. Ist es jetzt noch halb voll, habe ich also noch einigen Genuss vor mir? Oder ist es schon halb leer, ist der Genuss sozusagen schon fast vorbei? Schaue ich auf das zurück, was ich in meinem Leben alles schon hatte, und bin traurig, weil es vorbei ist? Oder schaue ich auf die Chancen und Überraschungen, die mir jeder Tag, jedes Jahr noch bieten könnte?
Daraus ergibt sich schon die zweite Übung. Kann ich mich noch überraschen lassen, verzaubern? Oder winke ich ab: Kenn ich doch alles schon! Manche fürchten sich vor Überraschungen. Und verpassen ganz viel Freude, weil sie sagen: Bloß keine Überraschungen!
Und die dritte Übung: Genau hingucken. Mehrmals hingucken. Alles sehen. Das, was schön ist und gut gelungen, das sieht man manchmal erst auf den zweiten Blick.

Diese drei Übungen sind eigentlich leicht. Die sind zu schaffen. Und wenn ich sie geschafft habe, dann habe ich genug Anlauf genommen für die vierte. Jetzt schaue ich mir an, was mich unzufrieden oder unglücklich macht. Die verpassten Chancen. Das, was ich gerne noch ändern würde, aber jetzt ist es dafür zu spät.
Aber stimmt das wirklich? Jetzt gilt’s: halb leer – oder doch halb voll? Hab ich nur verloren – oder hab ich doch ganz viel in der Hand? Und wenn ich jetzt genau hingucke: gibt es da vielleicht etwas, was mich überrascht? Womit ich gar nicht gerechnet habe? Das war vielleicht schon lange da. Aber erst jetzt, wo ich schon einiges verloren habe – erst jetzt sehe ich es. Gerade weil ich jetzt weniger habe.

Die Geschwister, die untereinander und mit den Eltern zerstritten sind. Bei der Beerdigung des Vaters treffen sie sich. Schauen einander an. Und plötzlich sehen sie, was doch auch gut war. Was sie einmal aneinander hatten. Und versöhnen sich. Versöhnen sich mit der Mutter. Das ist einem Bekannten von mir tatsächlich passiert.
Oder der junge Mann, der sich x-mal vergeblich um eine begehrte Ausbildung bewirbt. Ohne Überzeugung und Hoffnung versucht er es schließlich noch einmal ganz woanders. Und bekommt eine Zusage und findet seine Traumausbildung.

Meine Augen sehen stets auf den HERRN, denn er wird meinen Fuß aus dem Netze ziehen.
Meine Augen sehen auf Gott. Dann kann ich meine Augen offenhalten für Gottes Hilfe.. Und die Hoffnung wächst.

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SWR2 Lied zum Sonntag

Eine Position beziehen und die auch dann durchhalten, wenn es schwerfällt. Wenn es sogar gefährlich werden kann. Zum Glück wird das nicht jeden Tag von mir gefordert! Aber wenn, dann ist es gut, wenn ich dabei ein Vorbild habe, an dem ich mich orientieren kann. Für Friedrich Bodelschwingh, den Dichter unseres heutigen Liedes „Nun gehören unsere Herzen …“ war das Jesus. Jesus am Kreuz, obwohl das Kreuz doch eigentlich das Ende ist!

Musik 1         Nun gehören unsere Herzen

Das Geheimnis Gottes, das ist ein entscheidendes Wort in diesem Lied. Jesus hat dieses Geheimnis am Kreuz gesehen. Das Geheimnis eines neuen Lichtes. Wenn alles nur dunkel scheint, wenn scheinbar gar nichts mehr geht – kann ich dieses Licht dann auch sehen?
Bodelschwingh war davon überzeugt. Er war der Leiter der diakonischen Anstalten in Bethel. Seit 150 Jahren werden dort geistig behinderte und psychisch kranke Menschen betreut. Doch während des Nationalsozialismus galten diese als „lebensunwert“ und sollten getötet werden. Dagegen hat sich Bodelschwingh gewehrt. Dabei hat ihn der Blick auf Jesus am Kreuz geleitet. Jesus, der tatsächlich ermordet wurde. Im gekreuzigten Jesus hat Bodelschwingh gesehen, wie Gott standhält. Wie Gott beharrlich seine Liebe gegen allen Hass und alle Gewalt setzt.

Das ist das „Gericht“, von dem das Lied spricht. Das Gericht über aller Menschen Schuld. Auch über Lüge und Mord. Das Urteil in diesem Gericht ist ein anderes als das Mordurteil über Jesus oder über Kranke und Behinderte. Gott als der Richter sagt: Ich schenke euch einen neuen Anfang. Ich lasse in eurer dunklen Welt mein Licht aufgehen.

Musik 2         Nun gehören unsere Herzen

Standhalten. Beharrlich auf die Liebe setzen, gegen Hass und Gewalt, gegen Lüge und Unbarmherzigkeit. Das kann heute zum Beispiel bedeuten, sich für Flüchtlinge einzusetzen. Dabei muss ich heute nicht gegen einen verbrecherischen Staat kämpfen. Aber gegen Vorurteile und wütende Vorwürfe. Und manchmal gegen Entscheidungen von Behörden, die ich für willkürlich oder sogar für rechtswidrig halte. Dann muss ich Position beziehen. Ich schaue dabei auf Jesus, auf den Mann von Golgatha. Er macht mir Mut und Hoffnung. Er lässt mich Licht sehen, auch in der dunklen Welt.

Musik 3         Nun gehören unsere Herzen

Mitten im Tod zeigt Jesus den Weg zum Leben. In der letzten Strophe des Liedes heißt es: „Die begnadigte Gemeinde sagt zu Christi Wegen: Ja! Ja, du machst einst alles neu.“ Das bleibt die Hoffnung. In dieser Hoffnung kann ich mir wie Bodelschwingh ein Beispiel an Jesus nehmen und mich auf den Weg machen. Voller Vertrauen auf Gottes beharrliche Liebe. Das gibt mir Kraft, auch dann durchzuhalten, wenn ich angefeindet werde. Wenn ich mich hilflos und allein fühle. Denn ich bin ja nicht allein.

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Musiktitel 1: Nun gehören unsere Herzen
Interpreten: Gerhard Schnitter, Das Solistenensemble, CD: Die größten Choräle aus fünf Jahrhunderten, CD 2, Track 11, Hänssler Musik
Labelcode: 07224

Musiktitel 2: wie zuvor, 3. Strophe

Musiktitel 3: Nun gehören unsere Herzen
Interpreten: Joe Kienemann Trio, CD: Pray Jazz, Track 11, village pond records 2010
Labelcode: 13511

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SWR2 Lied zum Sonntag

Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass er gut ist. Ein Sonntagmorgen voller Ruhe und Hoffnung. Ein Morgen, an dem Sie auch Sorgen und Ängste in einem neuen Licht sehen können. Vielleicht hält es neue Lösungen bereit.
Von diesem Licht spricht auch ein Lied von Jochen Klepper:

Er weckt mich alle Morgen

Nicht jeder erlebt einen neuen Morgen als Quelle neuer Kraft. Und ein Zeichen Gottes: das ist selbst ein strahlender Morgen nicht einfach von sich aus. Das wird er erst durch Worte. Zum Beispiel Worte aus der Bibel. Oder Worte aus alten Liedern. Worte, die mir zeigen: Ich bin nicht allein.

Menschen begrüßen einander mit einem fröhlichen „Guten Morgen!“ Im Lied heißt es, dass Gott den Menschen selbst aufweckt. Er weckt ihm das Ohr. Gott braucht aufgeweckte Menschen, die ihm zuhören und die merken: Gott ist nicht verborgen!

Eine neue Welt entsteht vor meinem Ohr. Vielleicht haben mir Angst und Klage eine schlaflose Nacht bereitet. Doch jetzt schweigen sie.

Traue ich dem neuen Tag zu, dass er einen neuen Anfang setzt? Dann kann ich mit Gottes Weckruf etwas anfangen. Dann setzt der neue Tag nicht nur fort, was ich am Abend müde liegengelassen habe. Dann kann etwas Verfahrenes plötzlich ganz anders aussehen.
Vielleicht denken Sie jetzt: Da muss es einem aber schon gut gehen, dass man so ein Vertrauen haben kann.

Aber Jochen Klepper ging es nicht gut. Er hat dieses Lied während des Dritten Reichs gedichtet. Er hatte Angst um seine jüdische Frau und deren Töchter. Wenige Jahre später hat er sich mit seiner Frau und der jüngeren Tochter das Leben genommen. Da wurden Angst und Klage übermächtig. Doch das Vertrauen in Gott, das hat Klepper selbst dann nicht verlassen. Auch wenn es kaum noch Menschen gab, denen er und seine Familie trauen konnten.

Wie bekomme ich dieses Vertrauen? Ich kann es üben. Jeden Morgen aufs Neue. Ich kann das Licht suchen, das auch meine Dunkelheit aufhellt. Und ich finde dieses Licht, ganz überraschend: in einem freundlichen Wort, einer lieben Geste, einem schönen Moment.

Oder auch einem Lied – wie Kleppers wunderbarem Morgenlied. Mit seinem tiefen Gottvertrauen. Mit seinen Worten voller Hoffnung. Es lädt mich ein, auch in dunklen Zeiten nach dem Licht zu suchen:

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Interpreten: Gerhard Schnitter, Das Solistenensemble,
CD: Die größten Choräle aus fünf Jahrhunderten, CD 2, Track 1, Hänssler Musik
Labelcode: 07224

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