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SWR2 / SWR Kultur

 

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SWR2 Lied zum Sonntag

03NOV2019
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Ein Zuhause haben, geschützt und geborgen sein – wer das hat, der hat es gut! Wer aber sein Zuhause verloren hat, wer auf der Flucht ist oder verschleppt wurde – der sehnt sich nach einem Ort, wo er geschützt und geborgen ist, wo es warm und heimelig ist. Und sei es in einer anderen Welt, wenn es in dieser Welt ein Traum bleiben muss.

Immer wieder bekommt diese Sehnsucht Worte, Stimme, wird zu einem Lied (ab hier leise Musiktitel 1 unterlegen). So ein Lied möchte ich Ihnen heute vorstellen. Es ist um 1840 auf einer Baumwollplantage in Oklahoma in den USA entstanden. Der schwarze Sklave Wallace Willis konnte von seiner Arbeit aus in der Ferne einen Fluss sehen. Der Red River in Amerika wurde ihm der biblische Jordan. Und er stellte sich vor, wie ein Wagen vom Himmel kommen und ihn nach Hause holen würde – so wie ein feuriger Wagen am Jordan den Propheten Elia in den Himmel geholt hat.

Armstrong, Louis
Willis, Wallace: Swing Low, Sweet Chariot
aus: Jazz Heritage Series

Swing low, sweet chariot, coming for to carry me home – ein Chariot, ein Streitwagen, soll sich tief vom Himmel herabschwingen, um den Sklaven nach Hause zu tragen. Wallace und seine Frau Minerva haben dieses Lied immer wieder gesungen. Im Laufe der Jahre wurde es eines der bekanntesten Spirituals überhaupt – also eines der geistlichen Lieder, die die afroamerikanischen Sklaven bei ihrer Schufterei sangen. Lieder, in denen sie sich mit dem unterdrückten Volk Israel in den Erzählungen des Alten Testaments identifizierten. In der Bibel ist Gott seinem Volk zur Hilfe gekommen. So wird er es jetzt auch bei den ausgebeuteten Sklaven tun, die ihre Hoffnung auf ihn setzen.

Unzählige Sänger und Sängerinnen haben das Lied in immer neue Situationen hineinsprechen lassen. Alle Sehnsucht nach einer besseren Welt hat in diesem Lied ein Zuhause gefunden. So wurde es für Joan Baez ein gesungenes Gebet für eine Welt ohne Krieg, auf dem Festival von Woodstock, in einer Nacht des Jahres 1969:

Baez, Joan
Willis, Wallace: Swing Low, Sweet Chariot
aus: The essential Joan Baez from the heart - live

Wenn du dort vor mir ankommst, dann sag all meinen Freunden, dass ich auch kommen werde. Wenn der Streitwagen kommt, um auch mich nach Hause zu bringen.
Dieses Zuhause ist für die meisten Menschen immer noch ein Traum. Eine Welt ohne Ausbeutung und Krieg. Eine Welt nach dem Willen Gottes. Wenn ich dieses Lied heute singe, dann stimme ich ein in die Sehnsucht der vielen, die es in den letzten 200 Jahren gesungen haben. In den Chor all der Hoffnungen und Träume.

McKelle, Robin
Willis, Wallace: Swing Low, Sweet Chariot
aus: Melodic Canvas


Ich habe über den Jordan geschaut, und was habe ich gesehen? Eine Truppe von Engeln, eine richtige himmlische Kapelle, ist gekommen, um mich zu holen, um mich nach Hause zu bringen. Ich bin sicher: Gott hört diesen Gesang. Diese Stimme der Sehnsucht. Um jeden einzelnen Menschen geht es dabei. Um jedes Ich, das von seiner Sehnsucht singt. Louis Armstrong betont das ganz stark am Ende: Me, that’s what I’m talking about – um mich geht es hier.

Armstrong, Louis
Willis, Wallace: Swing Low, Sweet Chariot
aus: Jazz Heritage Series

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Musiktitel 1und 4 :
Willis, Wallace: Swing Low, Sweet Chariot
aus: Jazz Heritage Series
Interpret: Armstrong, Louis

Musiktitel 2:
Willis, Wallace: Swing Low, Sweet Chariot
aus: The essential Joan Baez from the heart - live
Interpretin: Baez, Joan

Musiktitel 3:
Willis, Wallace: Swing Low, Sweet Chariot
aus: Melodic Canvas
Interpretin: McKelle, Robin

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SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken

27OKT2019
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In dieser Jahreszeit ist das Wartezimmer bei meinem Arzt wieder gut gefüllt. Ich will mich demnächst gegen Grippe impfen lassen. Und ich weiß jetzt schon: Bevor ich ins Sprechzimmer kann, werde ich im Wartezimmer Platz nehmen. Wenn da noch ein Stuhl frei ist. Das ist jetzt im Herbst einfach voll. Von Menschen, die gesund werden wollen. Oder gar nicht erst krank, so wie ich.

Wenn ich an dieses volle Wartezimmer denke, dann fällt mir eine Geschichte aus der Bibel ein. Ich erzähle sie Ihnen mal: Da ist Jesus an einem Teich vorbeigekommen, von dem alle gesagt haben: Wenn das Wasser im Teich sich bewegt, und du schaffst es als Erster hinein, dann wirst du gesund! Fünf große Hallen hat man um diesen Teich herum gebaut. Und da war es noch viel voller als bei meinem Arzt im Wartezimmer. Unzählige Kranke haben in den Hallen gelegen. Blinde, Gelähmte, bis auf die Knochen Abgemagerte. Einer hat schon seit 38 Jahren da gelegen. Er konnte nicht selbst zum Wasser laufen. Und bis ihn jemand hingetragen hat, ist längst ein anderer vor ihm hineingestiegen. Er hatte einfach keine Chance! Und jetzt fragt Jesus ihn: Willst du gesund werden?

Das könnte ich ja mal die anderen im Wartezimmer fragen! Wollen Sie gesund werden? Ich stelle mir vor, wie die mich angucken würden! Vielleicht nicht gerade die intelligenteste Frage bei einem Arzt im Wartezimmer!

Aber Jesus hat das den Kranken gefragt. Willst du gesund werden? Der Mann antwortet nicht direkt. Er erzählt, warum das einfach nicht geht. Warum er hier keine Chance hat.

Wir erfahren nicht, wie alt der Mann war. Nur, dass er da seit 38 Jahren liegt. Also war er mindestens so lange krank. Aber nicht seit seiner Geburt. Er ist wohl erst irgendwann krank geworden. Wahrscheinlich hat er dann erst mal einiges ausprobiert. Und dann war dieser Teich die letzte Rettung. Der Mann war nicht mehr jung. Den größten Teil seines Lebens hat er hier gelegen und gewartet, dass er gesund wird. Und jetzt diese komische Frage. Was könnte es denn Wichtigeres für ihn geben?

Hauptsache, gesund! Den Satz höre ich ganz oft. Aber als Jesus den Kranken gefragt hat: Willst du gesund werden? Da antwortet der nicht einfach: Ja! Sondern er erzählt: Ich habe keinen Menschen, der mich in den Teich bringt.
Ich habe keinen Menschen. Ich bin allein. Ich bin ausgeschlossen.

Ich glaube, das ist das Entscheidende. Hauptsache, gesund! – das sagt jemand, der nicht krank ist. Aber wenn jemand schon lange krank ist, dann ist vielleicht etwas anderes die Hauptsache für ihn: Ich möchte nicht ausgeschlossen sein. Ich möchte nicht abgehängt werden. Ich möchte nicht mit meiner Krankheit alleingelassen werden.

Jesus hat diesem Kranken geholfen. Er hat zu ihm gesagt: Steh auf, nimm deine Liege und geh! Und – unglaublich! – die Bibel erzählt, wie der Gelähmte genau das jetzt auf einmal kann. Wie er einfach aufsteht und mit seiner Liege fortgeht. Nicht mehr krank.

Jetzt war er nicht mehr ausgeschlossen. Jetzt hat er wieder dazu gehört. Aber da hat er plötzlich ein ganz anderes Problem gekriegt. Es war nämlich gerade Sabbat. Der Tag in der Woche, der für Gott und die Menschen da ist, nicht für die Arbeit. Die Menschen damals in Israel, die haben den Sabbat sogar noch strenger gehalten als wir früher den Sonntag. Da durfte man gar nichts arbeiten. Sonst würde der Ruhetag ja ein Tag wie jeder andere.

Als damals die Leute den Mann gesehen haben, wie er seine Liege herumtrug, da haben sie deshalb sofort gesagt: Das darfst du heute nicht!

Nach ihren Regeln hatten sie natürlich Recht. Aber ich glaube, sie haben nicht verstanden, wozu der Sabbat da ist. So wie wir heute nicht verstehen, wozu der Sonntag gut ist. Viele denken, da soll man bloß bestimmte Regeln einhalten. Nichts arbeiten zum Beispiel, dafür in die Kirche gehen. Und weil sie das nicht verstehen, halten viele das für überflüssig. Dann halten sie oft auch gleich den ganzen Sonntag für überflüssig. Und arbeiten trotzdem und ärgern sich, weil sie nicht einkaufen können.

Für mich ist der Sonntag was ganz anderes. Am Sonntag kann ich besonders erleben, wie ich mit Gott verbunden bin. Da stört ja sonst nichts. Und wie ich mit anderen Menschen verbunden bin. Nicht ausgeschlossen, nicht abgehängt, nicht alleingelassen. Das ist die Hauptsache. Der Sonntag ist der Tag der Verbindung und der Gemeinschaft. Genau wie der Sabbat.

Die Bibel kennt dafür ein Wort, das ist noch mehr als gesund: heil. Ein Mensch, der heil ist, dem fehlt nichts. Der ist fest mit den anderen und mit Gott verbunden. Der Sabbat, der Sonntag: das sind Tage zum Heilwerden.

Es gibt Menschen, die können nicht mehr gesund werden. Ich denke jetzt an Menschen, bei denen ich das weiß. Und an andere, bei denen ich noch bange und hoffe. Aber wir können alle heil werden. Diese Verbundenheit spüren. Ich glaube, dafür brauchen wir alle den Sonntag – die Kranken und die Gesunden.
Und darum wünsche ich Ihnen einen gesegneten Sonntag!

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SWR2 Lied zum Sonntag

Eine laue Sommernacht. Junge Leute, die Spaß miteinander haben. Lachen, Tanzen, Liebe und Musik. Davon erzählt ein fröhliches italienisches Tanzlied vom Ende des 16. Jahrhunderts. Sicher hat man es damals an vielen Orten in Europa gesungen und gespielt. Es war sozusagen in den Charts.

Musik 1 In dir ist Freude. Choralbearbeitung für Orgel

Der deutsche Pfarrer Cyriakus Schneegass hat diese fröhliche Melodie damals irgendwo gehört. Er hat sich von ihr zu einem neuen Text anregen lassen, mit dem das Lied in die evangelischen Gesangbücher kam: In dir ist Freude in allem Leide, o du süßer Jesu Christ!

Musik 2 In dir ist Freude in allem Leide

Der ursprüngliche Text erzählt, wie der Gott Amor zwischen den Menschen Liebe stiftet. Jetzt ist von Jesus die Rede: Er stiftet göttliche Liebe, die stärker ist als alle Mächte der Welt. Stärker als alles, was uns bindet und belastet, was uns zwingt und festlegt. Ganz im Sinne der damals noch recht neuen evangelischen Lehre spricht der Dichterpfarrer von der Rechtfertigung allein durch Glauben, allein durch das Vertrauen auf Jesus. Und gut reformatorisch findet er dafür eine Form, die jeder verstehen kann. Ein fröhliches Lied über die himmlischen Gaben, die Jesus uns schenkt.

Alle dürfen jetzt vor Freude tanzen: Wer sich über etwas schämt oder an jemandem schuldig geworden ist; wer gerne sein Leben ändern würde, aber nicht weiß, wie; wer keine Aussichten oder keinen Sinn mehr in seinem Leben sieht – alle hören sie die lustige Musik und werden eingeladen, mitzutanzen.

Jesus spielt zum Tanz auf. Und die Tanzenden singen fröhlich: „Wenn wir dich haben, kann uns nicht schaden Teufel, Welt, Sünd oder Tod.“

Musik 3 In dir ist Freude in allem Leide

Ein fröhlicher Glaube stimmt hier sein Lied an. Und verschweigt dabei gar nicht, was alles Kummer und Sorge machen kann. Ob ich nun die Nachrichten anschalte, ob mir eine Nachbarin ihr Leid klagt – oder ob mich selbst etwas bedrückt und mir sozusagen Bleigewichte ans Herz hängt: Ja, das gibt es alles. Gerade darum lädt Jesus mich ein, auf ihn zu schauen und auf Gott zu vertrauen.

Eine Einladung zum Feiern und zum Tanzen! „Wir jubilieren und triumphieren!“ Fünfmal heißt es „Wir“ im Text und viermal „uns“. Ich bin nicht allein. Viele andere haben die Einladung auch gehört und tanzen mit. Und schon tanze ich auch, voll neuer Zuversicht! Was mich eben noch so beschäftigt hat, scheint mir plötzlich weniger schwer. Alles wird sich fügen.

So findet das Lied immer wieder in ein Wort: „Halleluja!“ – „Lasst uns Gott loben!“

Musik 4 In dir ist Freude. Choralbearbeitung für Orgel

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In dir ist Freude (EG 398)

Musiktitel 1und 4: Bach, Johann Sebastian; Gastoldi, Giovanni Giacomo:
In dir ist Freude. Choralbearbeitung für Orgel, BWV 615 und Madriga
aus: Bacharkaden
Interpreten: Lautten Compagney; Calmus Ensemble; Katschner, Wolfgang

Musiktitel 2 und 3: Gastoldi, Giovanni Giacomo; Schneegass, Cyriakus:
In dir ist Freude in allem Leide (EG 398)
aus: Ein neues Lied – Lieder aus dem Ev. Gesangbuch
Interpreten: Kammerchor der Hochschule für Kirchenmusik Esslingen

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SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken

04AUG2019
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„Wollen wir nicht wieder glauben: / ans Herz, etwas darunter die Seele / wie an das Haltbarkeitsdatum auf Mayonnaisegläsern“.

Dieser schräge Satz steht in einem Gedicht des jungen deutschen Autors Benjamin Maack. Ich habe es neulich in einem Vortrag gehört. An das Herz oder an die Seele glauben wie an das Haltbarkeitsdatum auf Mayonnaisegläsern – zuerst fand ich das nur lustig. Doch dann habe ich angefangen, darüber nachzudenken.

Viele Leute sagen ja: Ich kann nur glauben, was ich sehe. Aber das Haltbarkeitsdatum von Lebensmitteln ist ein gutes Beispiel dafür, an wie viele Dinge wir in unserem Alltag glauben. Auf dem letzten Mayonnaiseglas, das ich gekauft habe, steht: Mindestens haltbar bis 30.09.2019. Also hab ich das bedenkenlos gekauft. Bis zum 30. September wird die Mayonnaise nicht schlecht, glaube ich. Und am 1. Oktober? Na ja, das ist schon ein kleines Risiko, nicht wahr? Auf jeden Fall müsste das Geschäft die Mayonnaise spätestens dann billiger anbieten. Und zum Beispiel am 7. Oktober darf die eigentlich gar nicht mehr verkauft werden.

Ob die Mayonnaise wirklich bis zum 30. September gut und eine Woche später möglicherweise schlecht ist – das wissen wir nicht. Das glauben wir. Woran könnten wir noch glauben? Einfach so, ohne es groß zu hinterfragen?

„Wollen wir nicht wieder glauben?“ Ganz beiläufig kommt diese Frage. So wie: „Wollen wir nicht was im Fernsehen gucken?“ oder: „Wollen wir nicht morgen in den Zoo gehen?“

Wollen wir nicht wieder an das Herz und die Seele glauben? Wollen wir nicht wieder glauben, dass das Leben einen guten Kern und einen tieferen Sinn hat? Dass alles gut wird und dass die Liebe am Ende siegt? Dass sich Vertrauen lohnt, weil die Menschen im Grunde gut sind? Dass diese Welt gut geschaffen ist und sich einmal alles wunderbar fügen wird?

Diese Fragen bewegen mich. Da ist mein Herz schon am Arbeiten. Ich frage mich nämlich: Ist die Welt, die ich erlebe, nicht oft sehr herzlos? Viele fragen sich das. Aber was könnte besser gegen Herzlosigkeit helfen als einfach mehr Herz? Und dann die Seele. In der Bibel ist das ein Wort für die Persönlichkeit eines Menschen. Alles, was mich ausmacht, was mich zu diesem unverwechselbaren Menschen macht, was mich letztlich mit Gott verbindet – das ist meine Seele, sagt die Bibel. Herz und Seele – wollen wir daran nicht wieder glauben?

Ich trau mich nicht so direkt, das einfach mal meine Nachbarn zu fragen. Oder die Leute an der Supermarktkasse. Vielleicht, wenn die Kundin vor mir ein Mayonnaiseglas aufs Band legt. Aber die Antworten, die würden mich schon interessieren! Denn ich glaube wirklich: Wir brauchen in unserer Welt mehr Mut, an Herz und Seele zu glauben! Würde das nicht alles verändern?

Über den Glauben gibt es in der Bibel übrigens einen schönen Satz. Der Glaube ist – so heißt es da – eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.

Feste Zuversicht, dass das eintritt, worauf man hofft. Mir kommt jetzt ein alter Mann in den Sinn, den ich über viele Jahre gekannt habe. Vor ein paar Monaten ist er ruhig und friedlich gestorben. Typisch für ihn war: Immer wieder, bis zuletzt, hat er sich kleine Ziele gesetzt. Die wollte er noch erreichen. Das hat ihm immer wieder neue Hoffnung gegeben. Sein Herz ist davon fest geworden und seine Seele ruhig. Fest verbunden mit Gott, den er immer wieder gebeten hat, das nächste kleine Ziel erreichen zu dürfen.

Von diesem Mann habe ich gelernt, dass die Ziele nicht so groß sein müssen. Es können überschaubare Ziele sein – so wie: Ich möchte noch den Geburtstag meines Enkels erleben. So eine Zuversicht muss man üben. Aber das kann man jeden Tag. Das sind viele kleine Hoffnungsschrittchen. Viele kleine Portionen Glaube. Eine Vertrauenstreppe, auf der ich immer wieder eine Stufe höhergehe.

Eine solche Einstellung ändert wirklich alles, meine ich. Ich merke es sofort, wenn andere Menschen mit einer solchen Hoffnung durchs Leben gehen. Mit einem festen Herz und einer ruhigen Seele. So einem Vertrauen darauf, dass ihr Leben gut gemeint ist und dass das Ende gut sein wird. Das sind Menschen, bei denen ich gerne bin. Sie strahlen etwas aus, das mir sehr gut tut. Etwas von ihrem Glauben übertragt sich auf mich.

Übrigens ist das alles andere als ein Schönwetterglaube. Die Menschen, an die ich da gerade denke, die haben teilweise schreckliche Dinge erlebt. Ihr Vertrauen in das Leben ist eigentlich schwer erschüttert worden. Die Narben von diesen Wunden müssen sie bis zum Tod tragen. Und doch strahlen sie etwas Ruhiges aus. Etwas Fröhliches sogar. Sie denken darüber gar nicht einmal nach, habe ich das Gefühl. Dieser Glaube, dieses Vertrauen – das kommt ihnen einfach aus Herz und Seele. So selbstverständlich – ja, wie unser Alltagsglaube an das Haltbarkeitsdatum von Lebensmitteln.

Schräger Vergleich, ich weiß. Aber so ist es. Eine feste Zuversicht auf das, was ich hoffe. Ich zweifele nicht daran, auch wenn ich es nicht sehe. Ich vertraue, ich glaube. Ich übe Hoffnung, jeden Tag. Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag!

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SWR2 Lied zum Sonntag

Mit dem heutigen Lied zum Sonntag möchte ich Sie nach draußen einladen. Es wird Sommer. Alles blüht, Vögel singen, Insekten summen. Ja, mir ist bewusst, wie bedroht das alles ist, und wie viel schon verloren ist. Gerade deshalb möchte ich mit Ihnen durch all die Wunder spazieren gehen, die Gott vor unseren Augen ausgebreitet hat:

Musik

Vor über 360 Jahren hat der evangelische Pfarrer Paul Gerhardt dieses Lied geschrieben. Die heute bekannte Melodie hat es erst später bekommen, August Harder schrieb sie Anfang des 19. Jahrhunderts.

In dieser Verbindung von Text und Musik ist daraus ein richtiges Volkslied geworden, ein schönes Sommer- und Wanderlied. „Geh aus, mein Herz“: Der Dichter zählt auf, was der Schöpfer alles geordnet hat, und fordert sein Herz auf, sich zu freuen und in den Lobpreis der Schöpfung einzustimmen. Diese Aufforderung an das Herz benutzt Paul Gerhardt auch sonst gern: etwa in dem Morgenlied „Wach auf, mein Herz, und singe“ oder in dem Osterlied „Auf, auf, mein Herz, mit Freuden“. Das Herz ist der Anker des Glaubens. Es öffnet sich nach außen, es sucht alles, was Freude bereitet, es besingt die Schönheit der Schöpfung.

Musik

Paul Gerhardt kennt die Bibel gut. In der Bergpredigt fragt Jesus einmal die Menschen, warum sie sich Sorgen machen, was sie anziehen können. Sie sollen stattdessen die Lilien auf dem Feld anschauen, die sich keine Kleidung herstellen können. Der biblische König Salomo in seinem märchenhaften Reichtum sei nicht so schön gekleidet gewesen wie eine dieser Lilien!

Wir sollen uns keine Sorgen über die alltäglichen Bedürfnisse machen, sagt Jesus. Wenn wir uns auf den Willen Gottes konzentrieren, dann wird uns alles andere zufallen. Als Paul Gerhardt die Narzissen und Tulpen Berlins besingt, ist der Dreißigjährige Krieg erst seit wenigen Jahren beendet. Die Menschen hatten erlebt, wie schnell alles vorbei sein kann. In dieser Erfahrung des ständig bedrohten Lebens rät Gerhardt ihnen, sich keine Sorgen zu machen, sondern auf Gott zu vertrauen und sich über alles zu freuen, was sie sehen. Die Nöte des Alltags, die das Herz schwer machen können – die sollen nicht größer werden als alles Glück, alle Schönheit und Freude, die Gott den Menschen schenkt.

Musik

Die Wanderung kommt nun an ihr Ziel. Und da sehe ich: Das Lied hat mich nicht nur auf einen sommerlichen Spaziergang eingeladen. Es hat mir ein Bild für das Leben gezeichnet. Am Ende des Weges steht der himmlische Garten. Dort möchte der Dichter wie ein guter Baum, wie eine schöne Blume wachsen. Festverwurzelt möchte er bleiben – und erfüllt von Gottes Geist, Gottes Atem, der alles überhaupt erst zum Leben erweckt.

Musik

Musik 1-4:
Harder, August; Gerhardt, Paul: Geh aus, mein Herz, und suche Freud
Interpretin: Vera Hahn, CD: Reiß die Himmel auf! Alte Kirchenlieder als Chansons, Track 2, Timezone Strophe 1, Strophe 2, Strophe 8, Strophe 14

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SWR2 Lied zum Sonntag

„Wach auf, mein Herz, und singe dem Schöpfer aller Dinge!“ Im Jahr 1647 schrieb in Berlin ein Hauslehrer namens Paul Gerhardt diese Worte auf. Ein ganzes Gedicht wurde daraus, für das Gesangbuch des Freundes und Kantors Johann Crüger. Ein Morgenlied, ein Lobpreis Gottes nach einer vielleicht schweren Nacht. Gott, „dem frommen Menschenhüter“, vertraut Paul Gerhardt sich an:

Musiktitel

„Wach auf, mein Herz, und singe“: Paul Gerhardt hat vielleicht an diese Verse aus dem 57. Psalm gedacht: „Mein Herz ist bereit, Gott, dass ich singe und lobe. Wach auf, Psalter und Harfe, ich will das Morgenrot wecken!“
Das Morgenrot, der neue Tag: sie stehen für die Nähe Gottes. In dieser Nähe weiß der Beter und Dichter sich geborgen. Die Nacht dagegen steht für eine andere Macht, eine dunkle und bedrohliche:

Musik

„Als die dunklen Schatten mich ganz umgeben hatten, hat Satan mein begehret.“
Zwischen zwei Mächten sieht der Beter sich bedrohlich hin und hergerissen. Die Nacht ist hier nicht der Bereich der Ruhe und des friedlichen Schlafs, sondern das Reich des Bösen. Und auf der anderen Seite steht Gott, in dessen Licht der Beter jeden Morgen aufs Neue für Schutz und Rettung dankt.
„Wach auf, mein Herz“: Du Herz, das vor Angst bis in den Hals geklopft hat – tauche auf aus den finsteren Schatten, tritt ins Helle, in die Gegenwart Gottes, und singe voller Dankbarkeit!

Musik

Gott hält seine Versprechen. Sie sind für den Beter wie ein Schutzraum, so dass er nicht dem Bösen ausgeliefert ist.
Ich muss mich nicht jeden Abend ängstlich fragen, ob das Gute siegt und ich den Morgen sehen darf. Im Schutzraum, den Gott mir gewährt, kann ich voller Vertrauen einschlafen. Ich bleibe im Licht, in der Nähe Gottes. Und wenn ich aufwache, sehe ich als Erstes dieses Licht.
Paul Gerhardts Lied tröstet und ermutigt mich. Ich lasse mich in den Schutzraum führen, den Gottes Verheißungen mir errichten. Ja, die dunklen Erfahrungen gibt es. Angst zu versagen, Konflikte, die mich lähmen, nagende Schuld, Kummer und Trauer. Doch im Schutzraum bekomme ich Kraft, trotzdem neu zu handeln. Ich richte mich voller Zuversicht auf und rufe zu Gott: „Mit Segen mich beschütte, mein Herz sei deine Hütte.“

Musik 4

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Wach auf, mein Herz, und singe (EG 446)

Musiktitel 1:
Crüger, Johann; Gerhardt, Paul: Wach auf, mein Herz, und singe
Strophe 1
Interpreten: Gerhard Schnitter, Das Solistenensemble, CD: Die größten Choräle aus fünf Jahrhunderten, CD 1, Track 5, Hänssler Musik

Musiktitel 2: wie 1 (Strophe 2)

Musiktitel 3: wie 1 (Strophe 4)

Musiktitel 4: Bach, Johann Sebastian; Gerhardt, Paul: 12. Satz: Sprich ja zu meinen Taten. Choral aus:
Höchsterwünschtes Freudenfest. Kantate BWV 194, für Sopran, Tenor, Bass, Chor, 3 Oboen, Fagott, Streicher und B.c.
FBO: Trauermusik und Freudenfest – Konzertmitschnitt vom 14.01.2010
Interpreten: Wörner, Dominik; Collegium Vocale Gent; Freiburger Barockorchester; Suzuki, Masaaki
(Strophen 8 und 9)

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SWR2 Lied zum Sonntag

Unzählige Lieder gibt es, in denen Menschen über Gott singen oder Gott ansprechen. Lieder, in denen Gott selbst das Wort ergreift, sind dagegen sehr viel seltener. Wenn aber Gott selbst spricht, was sagt er dann? Und vor allem: Was für eine Stimme hat Gott? Als Felix Mendelssohn Bartholdy in seinem biblischen Oratorium „Elias“ Gott zu Wort kommen lässt, ist Gottes Stimme eine ziemliche Überraschung:

Musik

Der Prophet Elias im Alten Testament bleibt Gott als Einziger treu. Das Volk dagegen folgt anderen Göttern. Deshalb sagt Gott: „Weh ihnen, dass sie von mir weichen! Sie müssen verstöret werden, denn sie sind abtrünnig von mir geworden.“
Zu solchen Worten stelle ich mir eher einen mächtigen Bass vor, der über einem aufgewühlt spielenden Orchester dem abtrünnigen Volk das Urteil hinschleudert! Und genau das hat Mendelssohn auch komponiert – in dem unmittelbar vorausgehenden Stück. Aber da singt nicht Gott, sondern sein Prophet. Elias wütet: „Ist nicht des Herrn Wort wie ein Feuer und wie ein Hammer, der Felsen zerschlägt?“
Ist Gott so? Wie ein Hammer? Der Komponist hat eine ganz andere Vorstellung von Gott. Er lässt eine Frauenstimme eine leise, wehmütige Klage anstimmen. Für 1846, das Jahr der Uraufführung des Oratoriums, ein revolutionäres Gottesbild. Wenn mir jemand mit Wut begegnet, werde ich vielleicht auch nur wütend. Doch was soll ich sagen, wenn Gott um die Menschen weint?

Musik

Ich wollte sie wohl erlösen!, sagt Gott. Wenn sie nicht Lügen wider mich lehrten. Sie legen mich auf ihre Vorstellungen von mir fest. Auf den wütenden, strafenden Gott. Oder auf den lieben, harmlosen Gott, dem alles recht ist. Ihr Leben lang lügen sie sich damit etwas vor. Und werden hart und kalt. Wenn sie doch einmal über sich selbst weinen würden!Wie eine traurige Mutter seufzt Gott: „Sie hören es nicht. Weh ihnen!“

Musik

Mir geht Gottes Klage zu Herzen. Ich will versuchen, zuzuhören und zu antworten. Ich will Gottes Trauer an mich heranlassen, und ich will Gott suchen hinter den Bildern, die wir Menschen uns von ihm machen. Wenn sich unsere falschen Bilder von Gott auflösen, dann können wir erlöst werden.

Musik:
Mendelssohn Bartholdy, Felix; Schubring, Julius: Elias. Ein Oratorium nach Worten des Alten Testaments für Soli, Chor und Orchester, op 70
Nr. 18: Weh ihnen, daß sie von mir weichen! Arioso (Alt)
Akademie-Konzert der Bachakademie 2013: Elias [GA
Interpreten: Lehmkuhl, Wiebke; Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR; Rademann, Hans-Christoph

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SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken

07APR2019
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Was meinen Sie: Haben Sie den Platz im Leben, der Ihnen zusteht? Oder fühlen Sie sich eher beiseitegeschoben, übersehen, missachtet?
Ich gebe zu: Mich beschäftigt das Thema. Und immer wieder kriege ich mit, wie es auch andere beschäftigt. Vor allem die, die sich irgendwie zurückgesetzt fühlen. Oft ist das ja nicht nur ein Gefühl. Da schafft einer, müht sich ab, ist immer für alle da – und dann kommt plötzlich jemand, der überholt einen sozusagen rechts. Zieht an allen vorbei. Und dann steht man da und denkt bei sich im Stillen: Also, eigentlich wäre das jetzt mein Platz gewesen! Ist der oder die wirklich so viel besser als ich? Oder einfach nur frecher? Oder – ja: rücksichtloser?!

Viele Menschen haben dieses nagende Gefühl: Ich steh nicht da, wo ich eigentlich hingehöre. Da steht schon jemand anders. Und ich muss mich nach vorne drängeln, sonst übersehen mich alle.

Eine Geschichte in der Bibel beschreibt genau dieses Gefühl. Sie erzählt von zwei Jüngern von Jesus: Jakobus und Johannes. Eines Tages sind die beiden zu Jesus gegangen und haben gesagt: Du, wenn du richtig als König über die Welt herrschst, dann lass uns links und rechts von dir sitzen. Damit alle sehen, dass wir zu dir gehören. Jesus hat geantwortet: Passt mal auf, ihr beiden. Mir wird vorher noch eine ganze Menge passieren. Nicht so angenehme Dinge. Seid ihr dann auch bei mir? Und die beiden sagen: Ja, klar! Und da sagt Jesus: Also, bei dem ganzen Unangenehmen, da werdet ihr schon dabei sein. Aber über irgendwelche Plätze hinterher – da bestimme nicht ich drüber. Das hat Gott längst geregelt.

Die Geschichte geht noch weiter. Die anderen Jünger sind natürlich sauer über Jakobus und Johannes. Was drängeln die sich einfach vor! Und da sagt Jesus: Ja, so kennt ihr das: Da sitzen welche vorne und haben die Macht, und alle müssen ihnen gehorchen. Bei euch soll das aber anders sein. Wer bei euch groß sein will, der soll den anderen dienen.

Soweit die Geschichte. Hilft die jetzt bei unserem Problem? Ja, ich denke schon. Sie lässt mich in eine andere Richtung gucken. Weg von dieser Alternative: Entweder ich steh im Mittelpunkt – oder ich werde übersehen. Vielleicht ist das ja eine falsche Alternative. Jesus zeigt eine ganz andere: Lass nicht andere Menschen für dich schaffen – frag, wie du ihnen helfen kannst.

Was brauchen die anderen von mir? Und was kann ich ihnen geben? Was ist jetzt meine Aufgabe? Wer so fragt, für den ist nicht wichtig, ob er dabei jetzt vorne oder hinten steht. Man kann auch ganz vorne stehen und den anderen dienen. Dann kann man auch ganz hinten stehen und unverzichtbar wichtig sein.

 

Ich denke jetzt an Menschen, die ich immer fragen kann, wenn was gemacht werden muss. Unermüdlich packen sie an, helfen hier, halten da fest, hören dort zu und fahren jemanden irgendwohin. Und das alles noch fröhlich lächelnd und nicht etwa mit einem miesepetrigen Gesicht. Ich finde, das sind die wirklichen Helden unserer Welt! Ich bewundere die richtig!

Aber wenn ich einen davon jetzt bitten würde: Geh mal nach vorne und sag was! – Dann tue ich dem damit vielleicht keinen Gefallen. Anpacken: ja. Immer. Aber reden: bitte nicht. Das sollen bitte andere machen.

Nun, diese anderen haben dafür vielleicht zwei linke Hände oder stolpern gerne über ihre Füße. Aber sie können gut vor anderen stehen und reden. Dann sollen sie das doch bitte machen. Soweit wäre das doch in Ordnung, und jedem wäre gedient.

Wo wir jetzt nur noch hinkommen müssen: dass nicht die einen wichtiger gefunden werden und sich auch selbst wichtiger finden als die anderen. Das kenne ich von beiden Seiten. Den, der sich was auf seine Position einbildet – und den, der denkt: Nur wenn du mit den Händen anpackst, hast du richtig geschafft. Ich finde beides wichtig. Beides zu seiner Zeit. Und am besten von dem gemacht, der es wirklich gut kann.

Da müssen wir hin. Jeder macht das gerne, was er gut kann, und dient damit den anderen. Natürlich ist man selbst danach auch ein bisschen stolz auf sich. Warum nicht. Aber das Schönste ist doch, wenn man jemand anderen damit glücklich gemacht hat. Wenn jemand sich freut und ihm sein Alltag leichter fällt. Und das passiert am besten gegenseitig.

Aber Jesus hat schon recht: Die, die wirklich oben stehen, die haben eine besonders große Verantwortung dafür, dass allen geholfen wird. Dass keiner zurückgelassen wird.

Wo mein Platz im Leben ist, das entscheidet sich nicht an vorne oder hinten. Das entscheidet sich daran, was andere gerade von mir brauchen. Wer diesen Platz für sich gefunden hat, der kann sehr zufrieden werden. Der kann sogar glücklich sein.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie diesen Platz finden. Und wenn Sie bei einem anderen Menschen merken: Der sucht noch – dann können Sie ihm vielleicht helfen, dass er seinen Platz findet.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag!

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SWR4 Sonntags-/Feiertagsgedanken

Da ist was ganz Blödes passiert. Dabei hab ich es eigentlich nur gut gemeint. Kennen Sie das auch?
Wenn mir sowas passiert, dann stehe ich da und weiß gar nicht, wie es dazu kommen konnte. Das ist schneller passiert, als ich denken konnte. Aber – ich war das. Ich habe das gesagt. Ich habe das getan. Es gibt keine Entschuldigung. Vielleicht noch eine lahme Erklärung. Aber die macht den Schaden auch nicht wieder gut.

Ja, das kenne ich. Aber immerhin stehe ich damit in guter Gesellschaft. Kein Geringerer als der Apostel Paulus hat einmal geschrieben: „Das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.“

Es ist wirklich vertrackt: Da weiß ich nicht nur ganz genau, was gut wäre – ich will es sogar tun! Ich habe es fest vor! Ich weiß alles, was ich dafür wissen muss, ich habe alle Möglichkeiten und die Gelegenheit – und dann? Dann tue ich das genaue Gegenteil von dem, was ich eigentlich tun will. Und das ist nicht irgendjemand irgendwie passiert. Wie gesagt: Ich war das! Hab ich nicht aufgepasst?

Paulus ist der Sache nachgegangen. Ihm hat das nämlich auch keine Ruhe gelassen! Er hat sich das so erklärt: Da gibt es sozusagen zwei Gesetze in mir, die liegen miteinander im Kampf. Das eine ist das Gesetz Gottes. Die 10 Gebote zum Beispiel. Die zeigen mir den guten Weg, den richtigen Weg. Und die leuchten mir auch ein, ich befolge die gerne und habe Freude an Gottes Geboten. Wenn alle sich daran halten, denke ich mir, dann kann das Leben richtig gut werden.

Das ist das eine Gesetz. Und das andere: das hat Paulus das Gesetz der Sünde genannt. Sünde, das ist für ihn noch ein bisschen mehr als das zweite Stück Sahnetorte oder die etwas zu schnellen 50 innerorts. Sünde – das heißt: Ich brauche Gott nicht! Ich will meinen eigenen Weg gehen. Ich weiß es besser. Gott stört mich sogar. Ich komme gut ohne ihn zurecht, so wie die meisten. So wichtig ist er nun auch wieder nicht. Wenn es ihn überhaupt gibt …

Wer so denkt und lebt, der ist ja deshalb nicht ein böser Mensch. Ich denke an mich selber. Ich bin doch eigentlich kein schlechter Mensch. Ich will ja das Richtige tun, weil: na ja, es liegt halt an. Alle sagen, man soll das so machen. Ist ja auch in Ordnung, und man fühlt sich gut dabei.

Aber eine Herzenssache – nein, die ist das dann doch nicht bei mir. Manchmal, da ist es richtig unbequem, das Gute zu tun. Nicht rauchen, zu den Mitmenschen freundlich sein, von meinem Wohlstand abgeben ...

Ja, eigentlich wäre das gut – aber ich krieg’s halt nicht hin. Zum Neuen Jahr, da hatte ich so gute Vorsätze – aber jetzt am 13. Januar ist davon nicht mehr viel übrig …Wie komme ich da raus? Wie kriege ich es hin?

Paulus hat das richtig wie einen Krieg erlebt, der da in seinem Inneren getobt hat. Und sich selbst als Kriegsgefangenen. Da kommt man nicht so einfach raus. Es sei denn, jemand holt einen raus, weil er stärker ist. Für Paulus war das Jesus. Aber wie konnte Jesus diesen bösen Kreislauf besiegen? Dieses ewige: Ich will das Gute – und tue das Schlechte!?

Paulus schreibt: Ganz einfach – weil Jesus Gottes Sohn ist! Weil Jesus durch und durch von diesem Guten durchdrungen war – und weil er gleichzeitig ein Mensch war wie du und ich. Jesus hat schon auch gewusst, wie sich das anfühlt: wenn man immer wieder das Gegenteil von dem erreicht, was man eigentlich will. Wenn Leute auf Abstand gehen. Wenn sie sich ärgern über einen.

Aber Sünde: also, dieses Ich-brauch-Gott-nicht-ich-schaff-das-selbst – das war Jesus wirklich völlig fremd. Darum ist der Kampf zwischen Gut und Böse, von dem Paulus geschrieben hat, bei Jesus immer gut ausgegangen. Und darum hat Paulus sich gedacht: Wenn ich mich an Jesus halte, dann kriege ich das auch hin! Genauso wie Jesus.

Aber wie soll das gehen: sich an Jesus halten? Schon Paulus hat Jesus nicht mehr selbst erlebt. Und wir heute ja erst recht nicht mehr. Für Paulus war das möglich über die Taufe. Heute hören wir in den Kirchen von der Taufe Jesu. Paulus hat sich gesagt: Ich bin ja getauft. Deshalb gehöre ich zu Jesus. Das muss ich jetzt gar nicht irgendwie entscheiden. Da muss ich nicht wieder irgendwas hinkriegen. Ich bin einfach dabei. Ich gehöre dazu. Gott ist auf meiner Seite und hält mich fest.

Daran denke ich heute. Ich bin ja auch getauft. Ich gehöre dazu. Ob ich es so gut hinkriege wie Jesus – na, das bezweifele ich! Aber Paulus oder Petrus, die waren ja auch keine Heiligen. Das wurden sie erst nach ihrem Tod. Ich möchte es machen wie sie: mich an Jesus halten und darauf vertrauen, dass es gut geht.

Aber wenn mir nun trotzdem wieder irgendwas Blödes passiert? Alles nicht so schlimm, Gott wird’s schon richten?
Nein, ich möchte Gott nicht für den Unsinn verantwortlich machen, den ich verzapfe. Dafür bin ich selbst verantwortlich. Aber weil ich getauft bin und weil ich zu Jesus gehöre: darum kann ich zu all dem stehen, was mir nicht gelungen ist. Und dann kann ich versuchen, es besser zu machen. Bestimmt gelingt mir das irgendwann! Gott hilft mir ja.

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SWR2 Lied zum Sonntag

God Rest Ye Merry, Gentlemen

Ich hoffe, Sie hatten ein schönes Weihnachtsfest! Und auch wenn das Fest selbst vorbei ist: die Weihnachtsbotschaft wirkt weiter. Die Botschaft von Freude, Hoffnung und Erlösung. Die gute Nachricht, dass Gott wieder heil machen will, was Menschen alles missrät.
Lieder tragen diese Botschaft in die Welt. Lieder, die nicht nur zur Stillen Nacht passen, sondern auch zu den Tagen und Wochen danach. Aus England stammt das Lied, das ich Ihnen heute Morgen vorstellen möchte. Es ist vielleicht schon um die 500 Jahre alt. Gedruckt wurde es zuerst im 18. Jahrhundert.

Musik 1: God Rest You Merry, Gentlemen

„God rest you merry, gentlemen – Gott mache euch fröhlich, liebe Leute, und nichts möge euch erschüttern! Denn Jesus Christus, unser Heiland, wurde am Weihnachtstag geboren, um uns, die wir in die Irre gegangen sind, alle von der Macht des Satans zu erlösen: O welch tröstliche und fröhliche Nachricht!“
So die erste Strophe übersetzt. Die weiteren Strophen erzählen die bekannte Weihnachtsgeschichte. Die Engel, die den Hirten von Jesu Geburt im Stall berichten, Maria, die die Worte der Hirten in ihrem Herzen bewegt. Die alte Geschichte, die Jahr für Jahr wieder Menschen anrührt und anspricht.
Der christliche Liedermacher Manfred Siebald hat dem alten Lied einen neuen Text unterlegt:

Musik 2: Siebald, Manfred, Es wird nicht immer dunkel sein

Gott hat den Himmel aufgemacht: Das ist die Weihnachtsbotschaft für alle, die sich ausgeschlossen fühlen – wie draußen vor der verschlossenen Tür. Auch Weihnachten ändert erst einmal nichts an dem Kummer und den Sorgen, die Menschen fühlen. Ich kenne Menschen, die dieses Weihnachten zum ersten Mal ohne einen geliebten Menschen feiern mussten. Oder andere, bei denen sich vor lauter schweren und bitteren Gedanken gar keine richtige Festfreude einstellen wollte. Da wird es auch im übertragenen Sinne sehr rasch dunkel.
Doch Gott hat sich zu seinen Menschen aufgemacht, heißt es in Manfred Siebalds Text. Gott wird Mensch, damit wir zu ihm kommen können.

„Es wird nicht immer dunkel sein, hat uns das Kind gezeigt,
auch wenn bis heut die Finsternis vor unsern Augen steigt.
Doch wer das Licht bei Jesus sucht noch in der tiefsten Nacht,
der hat sich schon zum Himmel aufgemacht.“

Weihnachten ist vorbei. Vielleicht gibt es jetzt am Ende dieses Jahres manches, was Sie bedrückt und bedrängt. Ich mache mir zum Beispiel Sorgen um ganz bestimmte andere Menschen. Mich beschäftigt, was mir andere erzählt haben. Und ich kann die schlechten Nachrichten aus aller Welt und aus meiner Nachbarschaft nicht einfach wegpacken. Jetzt nach den Festtagen holen sie mich wieder ein. Da höre ich die weihnachtlichen „tidings of comfort and joy“, die tröstlichen und fröhlichen Nachrichten. Ich hebe meinen Blick und schaue nach vorne. Ins neue Jahr. Diese Musik macht mich fröhlich und gibt mir Hoffnung.

Musik 3: God Rest Ye Merry, Gentlemen

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Musiktitel 1: God Rest You Merry, Gentlemen
England 18. Jh. (Melodie),  Interpreten: The Oxford Trinity Choir
Amazon Music Download: Christmas Hymns - The Very Best - A Collection of Traditional Christmas Songs, Track 5, Regency Entertainment

Musiktitel 2: Siebald, Manfred, Es wird nicht immer dunkel sein
England 18. Jh. (Melodie), Gerhard Schnitter (Begleitsat, Prod., Manfred Siebald (Text, Solist)
CD Freut euch der Retter ist da (Audio - Doppel-CD), Alte und neue Advents- und Weihnachtslieder CD 2

Musiktitel 3: God Rest Ye Merry, Gentlemen
England 18. Jh. (Melodie),  Interpreten: Pentatonix
CD: A Pentatonix Christmas

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