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SWR2 / SWR Kultur

 

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SWR2 Lied zum Sonntag

16OKT2022
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Gibt es ein gutes Hausmittel für schwere Wege? Etwas, das sie leichter machen kann?

Im 37. Psalm steht ein Satz, der mir schon in manchen schweren Situationen geholfen hat: „Befiehl dem HERRN deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohlmachen.“ Also: Lege alles, was deinen Weg schwer macht, voller Vertrauen in Gottes Hand. Oder – so wäre der hebräische Satz wörtlich übersetzt: Wälze das Schwere auf Gott!

Der Pfarrer und Dichter Paul Gerhardt hat vor über 350 Jahren ein Lied gedichtet, in welchem er diesen Bibelvers über die Anfänge von 12 Strophen verteilt. Mit „Befiehl“ beginnt die 1. Strophe, mit „Dem Herrn“ die 2. und so weiter – bis in der letzten Strophe das letzte Wort „machen“ auf die Worte „Mach Ende“ verteilt wird

Sozusagen eine ganze Kur mit dem Hausmittel.

Musiktitel 1: Gesius, Bartholomäus; Telemann, Georg Philipp; Gerhardt, Paul: Befiehl du deine Wege

Die allertreuste Pflege des, der den Himmel lenkt – die scheint mir tatsächlich ein gutes Mittel gegen schwere Wege. Besonders, wenn das so leicht gesungen wird wie hier – wie ein Lied, das man vor sich hin trällern oder pfeifen könnte, wenn man die schwere Weglast auf Gott wälzt. Wie schwer die Wege auch sind – Singen geht immer, hat sich Paul Gerhardt wohl gedacht!

Als Pfarrer an der Berliner Nikolaikirche steuerte er viele Lieder zu einem neuen Gesangbuch bei, das sein Freund, der Kantor Johann Crüger, herausgab. Für „Befiehl du deine Wege“ greift er auf eine damals schon bekannte Melodie von Bartholomäus Gesius zurück, der ein paar Jahrzehnte zuvor in Frankfurt an der Oder gewirkt hatte.

Mit seinem Versmaß kann das Lied auch auf viele andere Choralmelodien gesungen werden – und so ist es tatsächlich oft geschehen. Ein Hausmittel gegen vielfache Sorgen – zu singen auf die Melodie, die gerade zur Hand ist!

Musiktitel 2 

Sorgen können unendlich groß erscheinen. Doch Gott ist größer, sagt das Lied. Der erste Schritt der singenden Heilkur ist, Gott anzubefehlen, was zu schwer geworden ist. Der zweite Schritt: Vertrauen. Nicht in den Sorgen untergehen. Gott machen lassen: „Bist du doch nicht Regente, der alles führen soll, Gott sitzt im Regimente und führet alles wohl.“

Paul Gerhardts Hoffnung – das ist der letzte Schritt – die ging dabei über den Tod hinaus. Denn er war überzeugt: Nichts ist stärker als Gottes Hilfe.

Oft fühle ich mich überfordert und alleingelassen. Dann macht das Lied mir Mut: Gib ab, was dir zu schwer wird, dann geht der Rest viel leichter!

Musiktitel 3

„Befiehl dem HERRN deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohlmachen.“ Daran will ich mich halten, wenn mir ein Weg wieder unüberwindbar schwer erscheint.

 

 

Musiktitel 1: Gesius, Bartholomäus; Telemann, Georg Philipp; Gerhardt, Paul: Befiehl du deine Wege

Interpretin: Vera Hahn

CD: Reiß die Himmel auf! Alte Kirchenlieder als Chansons, Track 7, Timezone

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SWR2 Lied zum Sonntag

18SEP2022
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Musik 1

Was, wenn alles fällt? Wenn wir in den Nachrichten die Ruinen sehen? Wenn alles bröckelt und zerfällt, woran man ein Leben lang geglaubt hat? Diese Erfahrung beschreibt das Lied von Rudolf Alexander Schröder. Der Text ist von 1936, die Melodie nur wenige Jahre jünger. Und doch könnte das Lied fast von heute sein. So genau beschreibt es unsere gegenwärtige Erfahrung.   

Aber gerade in diesem Unheil will der Dichter und Architekt Rudolf Alexander Schröder uns ermutigen: „Halte du den Glauben fest, dass dich Gott nicht fallen lässt: er hält sein Versprechen.“

So viel spricht gegen einen zuversichtlichen Blick auf die Welt. Der Dichter kennt die Einwände. Er benennt sie und setzt doch etwas dagegen: Vertrauen. Gottvertrauen. In diesem Vertrauen kann man sich noch einiges Düstere anschauen.

Musik 2

Frevel, das ist Gewalt und Übermut. Das ist gezielte, bewusst eingesetzte Bosheit. Der Frevler macht vor nichts Halt. Nicht einmal vor dem Heiligen. Als Schröder sein Gedicht 1939 veröffentlichte, hatten in Deutschland schon die Synagogen gebrannt. Was Menschen heilig war, wurde mutwillig geschändet. Und heute werden in der Ukraine Raketen auf Kirchen, Krankenhäuser und Kindergärten geschossen.

Aber während nicht nur Burgen, sondern auch Gotteshäuser in Trümmer fallen, vertraut Schröder darauf, dass am Ende die Gerechtigkeit den Sieg behalten wird. Er ist davon überzeugt: Auf Frevel gegründete Macht wird niemals Bestand haben.

Musik 3

Unrecht und Unheil sind so alt wie die Welt. Überall und zu allen Zeiten waren sie verbreitet. „Schau dir’s an!“, sagt das Lied. Schau nicht weg! Bleib stehen! Lass dir keine Angst einjagen!

Aber das ist leichter gesagt als getan! Angst ist die schärfste Waffe des Frevlers, des Gewalttäters. Rudolf Alexander Schröder war homosexuell. Er hat in ständiger Angst gelebt, dass der Unrechtsstaat darauf aufmerksam würde. „Stehe fest! Nur wer sich nicht schrecken lässt, darf die Krone tragen“, dichtet er selbstbewusst – und hat sich doch auch einmal verbogen, damit ihm nichts passierte. Nach dem Krieg hat er sich deshalb heftige Vorwürfe gemacht. Aber eigentlich macht ihn diese Angst sehr menschlich.

Gerade weil es ihm selbst so schwer fiel, finde ich seine Worte so glaubwürdig: „Fass ein Herz und gib dich drein; Angst und Sorge wird’s nicht wenden. Deine Zeit und alle Zeit stehn in Gottes Händen.“ Darauf kann ich bauen.

Musik 4

 

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Musikangaben:

Es mag sein, dass alles fällt (EG 378)
Geilsdorf, Paul; Schröder, Rudolf Alexander;
Es mag sein, dass alles fällt für Baß und Chor a cappella
Ja, ich will euch tragen - Jochen Klepper und seine Zeitgenossen
Das Solistenensemble; Schnitter, Gerhard

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SWR2 Lied zum Sonntag

24JUL2022
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Gibt es einen richtigen Weg durchs Leben? Durch alle Unsicherheit, Ungewissheit, Unübersichtlichkeit hindurch?

Die Bibel ist davon überzeugt. Immer wieder beschreibt sie diesen Weg. Mit besonders schönen Worten tut das der 119. Psalm, das längste Gebet in der Bibel. Es bildet die Grundlage zu einem der schönsten Kirchenlieder: „Wohl denen, die da wandeln“.

Musik

Im Jahr 1601 wurde der Leipziger Pfarrer Cornelius Becker vorübergehend seines Amtes enthoben. Das war für ihn aber kein Grund zur Verzweiflung – ganz im Gegenteil: Er hat die halbjährige Zwangspause genutzt, um alle 150 Psalmen der Bibel in Reimen nachzudichten. Der Komponist Heinrich Schütz hat die Verse vertont. Den 119. Psalm hat Becker in, man höre und staune: 88 Strophen nachgedichtet, Schütz hat allein acht Melodien dazu geschrieben. Davon ist heute nur noch eine gebräuchlich – und leider auch nur noch vier Strophen. Es lohnt sich aber, auch einmal in die anderen hineinzuhören:

Musik

Gibt es einen richtigen Weg durchs Leben? Ja, den gibt es, meinen der 119. Psalm und der Lieddichter Cornelius Becker. Gottes Gebote, seine Weisung an Israel, die Tora, sind der Wegweiser dahin. Diejenigen, die richtig auf „des Herren Bahn“ wandeln, halten sich mit Fleiß an Gottes Befehle.

Aber wer diesen Weg gehen will, braucht tägliche, fleißige Übung. Es ist genauso wie beim Lernen eines Instruments oder beim Üben einer Sportart.

Gott selbst will uns trainieren. „Lehr mich den Weg zum Leben“, bittet eine weitere heute unbekannte Strophe. „Dein Gnad mich unterweis, so will ich Zeugnis geben von deiner Wunder Preis.“

Musik

Wer regelmäßig Sport macht, ist am Ende durchtrainiert. Und die da wandeln vor Gott in Heiligkeit: die sind sozusagen „durchgeheiligt“. Wenn ich durchgeheiligt bin, dann kann ich den Alltag bestehen. Mit allen Sorgen und Nöten, Ängsten und Verlusten. Aber auch mit allem Glück und aller Hoffnung. Ich bin fit für meinen Weg durchs Leben. „Wenn du mich leitest, treuer Gott, so kann ich richtig laufen den Weg deiner Gebot.“

Musik

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SWR4 Sonntagsgedanken

24JUL2022
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Hat Sie schon mal der Teufel besucht? Manchmal, da scheint es doch wirklich wie verhext! Nichts gelingt, alles geht schief – als hätte der Teufel seine Hand im Spiel. „Als hätt‘ mich da einer geschubst“, sagt die ältere Dame nach ihrem schweren Sturz.

Gerne flüstert der Teufel einem auch etwas ein: Fahr ruhig schneller, es ist doch kaum Verkehr! Hab keine Angst vor Gefahr – gefährlich ist es nur für die anderen! Und die sind sowieso alle blöd. Vergiss bloß nicht, ihnen das auch zu sagen!

Der Teufel liebt alles, was nicht gut läuft. Hast du Zweifel an dir? Möchtest du am liebsten alles hinschmeißen? Schon gibt der Teufel dir recht: Du kannst sowieso nichts! Du machst eh alles falsch! Du bildest dir etwas ein und gehst in die völlig verkehrte Richtung!

Einer, dem der Teufel so etwas gerne gesagt hat, das war Martin Luther. Bis es dem gereicht hat. Ein Tintenfass soll er nach dem Teufel geschmissen haben. Auf der Wartburg, als er sich vor seinen Feinden verstecken musste. Genau in dieser schweren Zeit ist der Teufel vorbeigekommen. Der wollte Luther einflüstern, dass der alles aufgibt. Da hat er Luthers Tintenfass an den Kopf gekriegt. An der Wand gab es einen  Riesentintenfleck.

Dabei hat Luther eigentlich eine viel bessere Methode gegen den Teufel gehabt. Immer, wenn er das Gefühl hatte: Jetzt steht der Teufel neben mir, der will was von mir, was ich nicht will – und was ich auch um Gottes Willen nicht tun sollte! Immer dann hat Luther sich einen kurzen lateinischen Satz aufgeschrieben: baptizatus sum. Auf Deutsch: Ich bin getauft. Das war wie eine Zauberformel. Wenn ihn Angst oder Schwermut überfiel: baptizatus sum. Wenn er sich vom Teufel und Dämonen verfolgt fühlte: baptizatus sum – ich bin getauft. Das hat er auf einen Zettel geschrieben oder mit Kreide vor sich auf den Tisch.

Als Zauberspruch hätte Luther das nicht bezeichnet. Die Taufe ist ja auch keine Zauberei, kein Wundermittel, das alles Böse fernhält. Aber mich erinnert Luthers Satz an die Bücher über den jungen Zauberer Harry Potter. Da gibt es einen Zauberspruch gegen alles Böse und Gefährliche: expecto patronum. Auf Deutsch: Ich erwarte meinen Schutzherrn. Dann kommt ein guter Zauber und vertreibt den bösen.

Nein, so funktioniert es für Martin Luther nicht. Er ruft seinen Schutzherrn nicht mit einem Zauberspruch herbei. Aber Luther hat einen: Jesus Christus. Mit ihm ist er durch die Taufe verbunden: baptizatus sum – ich bin getauft. Das drückt ein ganz tiefes Vertrauen aus: Ich bin nicht allein. Ich bin behütet. Selbst in einer schlimmen Zeit verlässt Gott mich nicht. Jesus selbst steht mir zur Seite.

Aber was hat es mit der Taufe nun genau auf sich?

Nachher um elf werde ich ein kleines Mädchen taufen. Ich freue mich, wenn junge Eltern ihr Kind unter Gottes Schutz stellen wollen. Sie vertrauen es Gott an, ein Leben lang. Wer weiß, was das Kind alles erleben wird! Bestimmt wird da nicht alles glatt gehen. Und es wird Tage geben, da geht einfach alles schief. Als hätte der Teufel seine Finger im Spiel. Vielleicht wird dieses Mädchen sogar einmal am eigenen Leben zweifeln. Hoffentlich wird es dann seine Taufe spüren, auch als erwachsene Frau. Hoffentlich wird sie wie Martin Luther dieses tiefe Vertrauen haben: Gott ist für mich da.

In vierzehn Jahren wird sie vielleicht konfirmiert. So wie ihre Mutter. Die habe ich vor einigen Jahren konfirmiert, und meine Frau hat sie als kleines Kind getauft. Und davor deren Eltern getraut. Wir sind jetzt so lange in unserer Gemeinde und begleiten diese Familie schon so lange. Das zu sehen macht mir klar, wie die Taufe alle Christen miteinander verbindet. Über die Zeiten hinweg. Seit bald 2000 Jahren vertrauen Menschen ihr Leben Gott an und lassen sich taufen. Und bei jeder Taufe spricht die Gemeinde das Glaubensbekenntnis. Die uralten Worte verbinden die Menschen über die Zeiten hinweg in einem Glauben.

Baptizatus sum. Vielleicht lernt das kleine Mädchen, das ich taufe, einmal diesen Spruch. Für Mädchen und Frauen heißt er: baptizata sum. Ich gehöre zu Jesus. Auf seinen Namen bin ich getauft. Der wird mich begleiten, auch in Not und Gefahr. Das Schlimme muss ich trotzdem durchmachen. Aber ich bin nicht allein. Mein Schutzherr ist bei mir. Bis in den Tod, und darüber hinaus. Alle Tage, bis an der Welt Ende. Das hat er versprochen. Das wiederholen wir bei jeder Taufe.

Und es tut gut, sich daran immer wieder zu erinnern. Luther hat das gemacht und die Worte vor sich auf den Tisch geschrieben: Ich bin getauft. Junge Leute erinnern sich daran bei ihrer Konfirmation. Meine älteste Konfirmandin war übrigens fast 70. Eine sehr fromme Frau, die als Kind in der früheren Sowjetunion gelebt hatte. Sie wollte unbedingt ihre Taufe bestätigen. Baptizata sum, ich bin getauft. Das war ihr ganz wichtig.

Ja, es mag sein, dass der Teufel vorbeischaut. Aber dann müssen wir keine Tintenfässer nach ihm schmeißen. Wir können ihn anders auf seinen Platz verweisen.

Ich wünsche Ihnen Schutz und Segen an diesem Sonntag!

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SWR2 Lied zum Sonntag

29MAI2022
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“O komm, du Geist der Wahrheit!“ Ein Stoßseufzer, wenn die Wahrheit sich versteckt. Im Hin und Her und Für und Wider der Argumente. Was ist richtig, was ist falsch? Wie sollen wir die Lage verstehen, und was folgt daraus? Es ist alles so unklar …
„O komm, du Geist der Wahrheit! Verbreite Licht und Klarheit! Verbanne Trug und Schein!“ Aus diesem Stoßseufzer, aus diesen Hilferufen hat Philipp Spitta ein ganzes Lied gemacht. Fast 200 Jahre alt ist das – und hochaktuell:

Musik

Der Geist der Wahrheit bewirkt für Spitta, „… dass jeglicher getreuer den Herrn bekennen kann.“ Also Jesus, der von sich selbst sagt: „Ich bin die Wahrheit.“ Jesus hat hier wahrscheinlich das hebräische Wort ämät benutzt. Das kann auch gut mit „Treue“ übersetzt werden. So meint das Lied: Wahrheit ist, Jesus die Treue zu halten, gegen allen „Trug und Schein“.
Was ist wahr? Und wie finde ich einen Punkt, dem ich treu bleiben kann? Wie hilft mir dabei der Glaube an Jesus? Gerade jetzt – zwischen Krieg, Pandemie und Klimakrise?

Musik

Schlaff und glaubensarm – so sehen manche auch unsere Zeit. Und Glaube wäre so nötig! Nämlich Vertrauen, unverzagte Zuversicht.
Das Lied spricht nun geradeheraus von Waffen. Eine geistliche Waffenlieferung! Würde die heute auch helfen? Die Waffen der ersten Christen haben sicher niemandem Angst gemacht. Sie haben Angst genommen. In Not und Verfolgung hat der Glaube Zuversicht und Vertrauen gegeben, Mut gemacht und Kraft geschenkt. Vertrauen, Mut, Zuversicht und Kraft: Diese Waffen helfen auch heute gegen Verunsicherung, Mutlosigkeit und Angst!

Musik

Als Christ muss ich mich nicht verkriechen. Vertrauen ist meine starke Waffe. Mit der trete ich in eine Welt voll Angst, Zweifel und Unsicherheit. Ich weiß gar nichts besser. Ich habe auch Angst. Aber keine Scheu. Ich vertraue auf den Geist, der mich stark macht. Der gibt mir Mut in einer gefährdeten Welt.

Musik

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Volksweise; Spitta, Karl Johann Philipp;
O komm, du Geist der Wahrheit
Kaiser, Sarah
Geistesgegenwart.

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SWR4 Sonntagsgedanken

24APR2022
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Erinnern Sie sich an Quasimodo? Den buckligen „Glöckner von Notre Dame“? Das ist die Hauptfigur von einem prächtigen alten Hollywood-Schinken. Als ich ein Kind war, lief der oft im Fernsehen. Was hab ich mich gegruselt, als ich Quasimodo zum ersten Mal gesehen hab! Der ist wirklich abgrundtief hässlich! Schief und krumm gewachsen und das Gesicht völlig missgestaltet. Aber was in Wirklichkeit das Hässliche ist: Seine Mitmenschen schließen von seinem Äußeren auf sein Inneres. Sie verachten ihn und schließen ihn aus. Nur als Spottfigur hat er einen Platz bei ihnen.

Dabei hat Quasimodo ein ganz weiches und gutes Herz. Er verliebt sich in die schöne Tänzerin Esmeralda. Für sie würde er alles tun. Was wäre das für eine Chance! Wenn er mit ihr ein neues Leben anfangen könnte! Wenn er dazugehören würde! Wenn er nicht mehr ausgelacht würde!

Aber da wird leider nichts draus. Am Ende hat Quasimodo nicht nur seine Esmeralda verloren, sondern auch sein gutes unschuldiges Herz.

Heute muss ich an Quasimodo denken. Er hat seinen Namen vom heutigen Sonntag: dem Sonntag Quasimodogeniti. Das ist der Sonntag nach Ostern. An diesem Tag ist Quasimodo gefunden worden, erzählt die Geschichte. Als Findelkind auf den Stufen von Notre Dame. Quasi modo geniti infantes – das sind die lateinischen Anfangsworte von einem Bibelvers. Auf Deutsch: Wie die neugeborenen Kinder. Es geht darum, dass wir Christen durch unsere Taufe wie die neugeborenen Kinder werden. Alles, was in unserem Leben schlecht und böse ist, können wir ablegen. Was für eine Chance! Wer getauft ist, kann wie ein neu geborenes Kind noch einmal ganz neu anfangen. Gott fängt mit ihm noch einmal von vorne an.

Früher wurden an diesem Sonntag viele Menschen getauft und in die Gemeinschaft der Christen aufgenommen. Daran erinnert die katholische Tradition der Erstkommunion. Viele Kinder gehen heute zum ersten Mal zum Abendmahl. Die Mädchen tragen weiße Kleider. Wie ein Taufkleid! Das ganze Fest erinnert daran: Christen haben eine große Chance. Sie können noch einmal ganz von vorne anfangen. Alle Fehler hinter sich lassen.

Quasimodo trägt kein weißes Kleid. Aber er trägt den Namen von diesem Sonntag. Und er ist arglos und unschuldig wie ein neugeborenes Kind. Doch kein Mensch bleibt unschuldig, auch nicht Quasimodo.

Das merke ich selbst, wenn ich mein eigenes Leben angucke: Ich werde immer wieder schuldig. Ich sage etwas oder tue etwas, was nicht gut ist. Was andern weh tut oder vielleicht sogar schadet. Und andere haben vielleicht mir weh getan. Kein Mensch kommt durchs Leben, ohne schuldig zu werden.

Das können auch Taufe und Kommunion nicht verhindern. Aber können sie trotzdem helfen? Kann ich noch einmal neu anfangen?

Ohne Neuanfänge können wir eigentlich gar nicht miteinander leben. Das müssen gar nicht große Dinge sein. Grund zum Neuanfangen gibt es jeden Tag. Die Bibel gibt ja viele gute Ratschläge. Einer heißt: Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen. Ja, wir Menschen reizen einander zum Zorn. Es gibt Streit, es gibt heftige Zerwürfnisse. Aber so zerstritten sollte man den Tag nicht enden lassen. Das letzte Wort sollte nie ein Schimpfwort oder ein Vorwurf sein. Wenn ihr euren Weg gemeinsam weitergehen wollt, sagt die Bibel – ja, dann klärt die Sache, bevor die Sonne untergeht.

Und wenn es dann geklärt ist, dann ist das doch ein Neuanfang. Dafür braucht es manchmal sehr viel Mühe. Da sind die Gräben so tief, die Verletzungen so gewaltig. Doch auch dann geht es. Und wenn es gelingt, dann ist das ein großes Geschenk. Eine große Chance! Ich habe das in meinem Leben schon mehrmals erlebt. Bestimmt könnten Sie auch davon erzählen!

Neuanfänge brauchen wir eben alle. Ich finde es wichtig, das nie zu vergessen. Ich bin darauf angewiesen, dass andere Menschen mit mir neu anfangen wollen. Weil ich das weiß, kann ich auch mit ihnen neu anfangen. Und die Bibel sagt von Anfang bis Ende: Nur weil Gott mit uns Menschen immer wieder neu anfängt, nur darum geht es überhaupt weiter. Das zieht sich durch das ganze dicke Buch hindurch: Gott hat Adam und Eva aus dem Paradies geworfen. Aber draußen mit ihnen neu angefangen. Und nach der Sintflut hat Gott mit den Menschen und Tieren noch einmal neu angefangen. So geht das immer weiter. Jesus hat mit allen möglichen Menschen neu angefangen. Gerade mit denen, mit denen keiner was zu tun haben wollte. Die ausgestoßen waren – wie Quasimodo, der Glöckner von Notre Dame. Ja, ich glaube, um Quasimodo hätte Jesus sich richtig gekümmert!

Niemand kommt ohne Fehler durchs Leben. Auch ich habe keine weiße Weste. Aber ich darf mir sagen: Ich bin getauft. Wie ein neu geborenes Kind kann ich neu anfangen - immer wieder aufs Neue. Ich bin kein kleines Kind mehr, wie bei meiner Taufe. Aber vor Gott stehe ich im Grunde immer noch genauso da. Darauf vertraue ich. Und darum traue ich mich auch selbst, immer wieder neu anzufangen. Jeden Morgen. Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag!

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SWR2 Lied zum Sonntag

03APR2022
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Musik

„Da wohnt ein Sehnen tief in uns, o Gott, nach dir, dich zu sehn, dir nah zu sein.“ Die englische Komponistin Anne Quigley hat dieses Lied 1973 geschrieben, von ihr ist auch die passende sehnsuchtsvolle Melodie. Der deutsche Pfarrer und Liederdichter Eugen Eckert hat es einige Jahre später übersetzt.
„There is a longing in our hearts“ – in unseren Herzen ist eine Sehnsucht, ein brennendes Verlangen. Im deutschen Text „wohnt“ das Sehnen „tief in uns“. Es hat einen festen Platz in unseren Seelen, ist dort tief verankert. Es ist geradezu ein „Durst nach Glück, nach Liebe, wie nur du sie gibst.“

Musik

Frieden, Freiheit, Hoffnung – an vielen Orten der Welt wird diese Bitte gerade laut. Und das Lied begnügt sich nicht mit dem Sehnen. Sehnsucht allein wäre viel zu wenig! Friede und Freiheit sollen Wirklichkeit werden. Das, wonach die Sehnsucht dürstet, soll spürbar werden in der Welt. Gott selbst möge da sein, möge den Betenden nahe sein. Dann wird sich alles erfüllen, wonach sie sich sehnen.

Musik

So sanft dieses gesungene Gebet auch daherkommt – es benennt die negativen Seiten des Lebens genau. Sorge und Schmerz werden nicht beschönigt. Es ist ein Gebet um Heilung und Ganzsein in Ohnmacht und Todesangst. Um Zukunft in einer Welt, in der viele nur noch von einem Tag zum andern leben.
Die sanfte Melodie ist das genaue Gegenstück zu einem Schlachtgesang. Wo ein Krieg grauenvolle Realität schafft, werden solche Töne leicht übertönt. Da haben die Lauten und Harten das Sagen. Doch Leben ist weich, zart, zerbrechlich. Es kann sich zwar panzern. Doch das ist kein wirklicher Schutz vor Angst. Es ist eher ein Ausdruck von Angst.
Gottes Friede kommt sanft und leise daher. Und macht Herzen doch stark und fest – stärker und fester als jede Panzerung. Weil Gott nahe ist, können Menschen Angst aushalten. Weil Gott da ist, sehen sie mehr als Ohnmacht, Schmerz und Tod. Es gibt Hoffnung – in allem Schrecken. Es gibt Grund zum Vertrauen – wie groß die Angst auch ist. Die Sehnsucht des Herzens schlägt eine Brücke von der unvollkommenen Welt in den Himmel. Das Gebet betritt diese wolkenleichte Brücke voll festem Vertrauen – auf der Suche nach der Welt, die Gott uns allen verspricht.

Musik

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„Da wohnt ein Sehnen tief in uns“
Text: Eugen Eckert, Melodie: Anne Quigley


OCP Publications...
Oberstimme: Klaus Wallrath, Carus-Verlag
Junge Solisten der Lutherana Karlsruhe:
Alexa Ettwein, Judith Monninger, Hannelie Grabe, Mareike Monninger
Klavier und Musik. Leitung: KMD Dorothea Lehmann-Horsch, Kantorin an der Lutherkirche in Karlsruhe
Aufnahme und Schnitt: Jörg Stumpp

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SWR2 Lied zum Sonntag

06FEB2022
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Jesus schläft. Die Wellen schlagen immer höher und bedecken das Boot. Jesus liegt auf einem Kissen und verschläft das Brausen des Wassers und die Todesangst seiner Jünger.

Diese Szene gehört zum festen Bestandteil jeder guten Kinderbibel. Sie lässt sich wunderbar malen. Auch mit Tönen. In einem Lied im Evangelischen Gesangbuch rufen die Jünger ängstlich: „Wach auf, wach auf, ‘s ist hohe Zeit, Christ, sei mit deiner Hilf nicht weit!“

Der junge Komponist und Chorleiter Karl Hänsel hat daraus eine eindrucksvolle Motette gestaltet. Die Jünger rufen und rufen. Noch ist keine Hilfe in Sicht:

Musik

Die Rufe der Jünger erinnern mich an die stürmisch bewegten Wellen. Immer höher geht es, immer mehr reiben sich die Stimmen. Mitten hinein in diese Unruhe platziert der Komponist die erste Strophe des alten Kirchenliedes.

Karl Hänsel leitet die Knabenkantorei an der Marienkirche in Lübeck. Mit ihr hat er die Motette aufgeführt. Der zugrundeliegende Choral wird selten gesungen. Er ist das Sonntagslied für den heutigen 4. Sonntag vor der Passionszeit, den es auch nur in wenigen Jahren gibt. Der Text des Liedes ist von Ambrosius Blarer, dem Konstanzer Reformator. Erst Jahrhunderte später wurde der Text mit der Melodie eines ebenfalls alten Morgenchorals von Melchior Vulpius verbunden.

Der Streit und die Kämpfe der Reformationszeit: das war für Ambrosius Blarer der Sturm, in dem er zu Christus ruft. Wütender Streit, Spaltung, Hass und Hetze: das gibt es heute genauso. Der Hilferuf passt immer noch. Aber auch das in Christus gesetzte Vertrauen: „Bedroh der Wellen wild Gebrüll, so legt es sich und wird ganz still.“

Das ist das Entscheidende in der biblischen Geschichte, aber auch in dem Choral: Ich bin dem Sturm nicht hilflos ausgeliefert. Die Geschichte und das Lied zeichnen keine Helden, sondern verzweifelte Menschen. Aber die erfahren Hilfe. Ein Sturm braucht nicht immer Heldentum – sondern Vertrauen und Gewissheit. Das muss ich lernen, so wie die Jünger es lernen mussten. Mit Gottes Hilfe kann ich das.

Musik

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"Wach auf!" – Choralmotette nach EG 244
Komponist: Karl Hänsel (geb. 1993)
Ausführende: Lübecker Knabenkantorei unter der Leitung von Karl Hänsel, Live-Mitschnitt vom 21.10.2017 aus der Dresdner Kreuzkirche

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SWR4 Sonntagsgedanken

16JAN2022
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Kann man sich überhaupt noch auf etwas freuen? Lohnt es sich überhaupt noch, etwas Schönes zu planen? Was musste ich in den letzten zwei Jahren alles absagen! Verabredungen mit Freunden, Ausflüge. Und erst bei meiner Arbeit, in der Kirche: Da hatten sich junge Paare auf ihre Hochzeit gefreut. Familien auf die Taufe oder Konfirmation ihres Kindes. Meine Gemeinde hatte ein schönes Konzert geplant, einen interessanten Vortrag. Oder die Jugendbegegnung in Israel: verschoben, neu geplant, wieder gestrichen. Oft sind mir da die spöttischen Verse von Bert Brecht eingefallen: „Ja, mach nur einen Plan! Sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch ’nen zweiten Plan. Gehn tun sie beide nicht.“

Das ist die eine Seite, wenn ich auf die letzten zwei Jahre zurückschaue. Aber auf der anderen Seite: Was hab ich alles gelernt! Hochzeiten lassen sich auch in Nachbars Garten feiern. Und Treffen am Computerbildschirm – die kriegen wir inzwischen richtig gut hin! Beruflich wie privat. Man sagt ja: Not macht erfinderisch. Gerade wenn ich mit älteren Menschen spreche, höre ich zwischen der Angst und Sorge auch viel Gelassenheit. Besonders bei denen, die sich noch an den Krieg und die Nachkriegszeit erinnern können. Wo die Not Alltag gewesen ist. Und man trotzdem gelebt hat. Da ist viel Gottvertrauen. So wie es die älteren noch aus einem alten Satz aus der Bibel kennen: „Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg; aber der HERR allein lenkt seinen Schritt.“

Die flapsigen Verse von Bert Brecht bringen es schon auf den Punkt. Natürlich planen wir in unserem Leben. Aber nicht jeder Plan funktioniert. Dafür muss ja nicht erst ein Virus kommen und die ganze Welt auf den Kopf stellen. Meine Pläne können doch auch jeden Tag aus anderen Gründen durchkreuzt werden. Was hatten meine Frau und ich uns letztes Jahr auf einen bestimmten Ausflug gefreut! Aber just an dem Tag ging etwas Entscheidendes an unserem Auto kaputt. Und der Mechaniker in der Werkstatt meinte: „Lassen Sie den Wagen lieber stehen. Übermorgen kann ich Ihnen einen Termin geben.“ Wir haben dann einen wunderschönen Ausflug mit den Rädern gemacht.

Solche Beispiele fallen Ihnen bestimmt auch ganz viele ein! Das Rezept dahinter heißt: Mach dich nicht abhängig von deinen Plänen. Und auch nicht von deinen Erwartungen. Arbeite dich nicht an deiner Enttäuschung ab, sondern mach was draus!

Ich gebe ja zu: Das ist oft leichter gesagt als getan! Vor allem, wenn es nicht nur um einen Ausflug oder eine verschobene Feier geht. Sondern um richtig ernste Dinge. Aber auch da gilt: Lass dich nicht von gescheiterten Plänen beherrschen. Wage einen neuen Schritt. Wie kann der aussehen

Ich lebe auf dem Hunsrück und bin gerne draußen unterwegs. Da kommt es schon mal vor, dass ein Waldweg einfach aufhört. Da war vielleicht mal ein Weg. Jetzt ist da nur noch Gestrüpp und Geröll. Ich muss also einen anderen Weg finden. Und zwar aus dem, was da ist. Wo kann ich treten und rutsche nicht ab? Wo kann ich mich festhalten, wo kann ich mich abstützen? Was kann mir als Weg dienen, bis ich wieder auf einen richtigen Weg stoße?

In den letzten zwei Jahren haben viele Menschen sich so durchgehangelt. Genommen, was da war. Etwas benutzt und weiterentwickelt. Und das ging überraschend gut!

Wenn ich so unterwegs bin, abseits der gewohnten Wege, dann brauche ich Vertrauen. Vertrauen darauf, dass es weitergeht. Auch wenn ich gerade nicht sehen kann, wie. Dass ich rauskomme aus dem unwegsamen Gelände. Ich habe vorhin einen alten Satz aus der Bibel zitiert. Der erinnert daran, was der Grund für so ein Vertrauen ist: „Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg; aber der HERR allein lenkt seinen Schritt.“

Ich mache große Pläne. Ich setze mir Ziele. Das soll ich auch ruhig tun. Ich denke mir einen Weg aus. Aber es ist Gott, der meine Schritte lenkt. Vielleicht geht es über Stock und Stein. Vielleicht habe ich Angst vor dem Abgrund, der sich neben mir auftut. Aber ich habe das Vertrauen, dass Gott mich führt. Ich vertraue mich ihm an. Er wird mir zeigen, wo ich hintreten und weitergehen kann. Ich werde sicher und habe keine Angst mehr.

Bis jetzt habe ich aus jedem Wald wieder herausgefunden. Und habe dabei Dinge gefunden, die ich sonst nicht gesehen hätte. Ich habe Vertrauen geübt und Sicherheit gelernt. Und ich habe unterwegs einiges gefunden, über das ich mich freuen konnte. Ganz überraschend, ungeplant.

Das hilft mir auch auf den Wegen, die gut weitergehen. Die gehe ich ohne Angst. Auch wenn sie aufhören: ich werde wieder einen Weg finden.

Und das hilft mir auch in Situationen wie jetzt der Pandemie. Ich weiß nicht, wie es weitergeht. Der Weg hat aufgehört. Vor mir ist Gestrüpp und Geröll. Meine Pläne kann ich vergessen. Aber es wird weitergehen. Gott wird mir einen Weg zeigen. Und wird ihn mich führen, Schritt für Schritt. Und wird mir Überraschendes zeigen, über das ich mich freuen kann.

Ich wünsche Ihnen gesegnete Wege!

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SWR2 Lied zum Sonntag

26DEZ2021
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Mögen Sie Rätsel? Hier ist eins: Gott will die Welt erlösen – und gibt sich dafür selbst in unsere Hände als kleines Kind. Wer soll das verstehen! Aber für mich macht dieses Rätsel das Geheimnis von Weihnachten aus.
Wie groß ist das, was Gott hier in Menschenhände legt! Ob selbst seine Mutter Maria das wirklich verstanden hat? Auch wenn sie den Engel und die Hirten gehört hatte: War ihr wirklich klar, was das bedeuten sollte? Ein neueres amerikanisches Lied geht dieser Frage nach: „Mary, did you know?“ Hast du das gewusst, Maria?

Musik

Hast du gewusst, Maria, dass dein kleines Kind einmal übers Wasser gehen wird? Dass der kleine Junge, dem du das Leben geschenkt hast, einmal dir Leben schenken wird?

Der Textdichter, Mark Lowry, erzählt, wie es zu dem Lied gekommen ist. Als junger Mann wurde er von seinem Pfarrer gebeten, ein paar Zwischentexte für ein Weihnachtsspiel zu schreiben. Die sollten dann zwischen den Weihnachtsliedern gesprochen werden. Er hat sich überlegt, was er Maria bei einer Tasse Kaffee alles gerne fragen würde. Ob sie das kleine Baby in ihren Armen mit der gewaltigen Botschaft zusammenbringen konnte.
Als Lowry die Texte fertig hatte, fand er, dass sie eigentlich auch ein gutes Lied abgeben würden. Aber es hat dann noch sieben Jahre gedauert, bis er den richtigen Musiker dafür gefunden hat. Buddy Greene dagegen hat nur eine halbe Stunde gebraucht, bis er seine Melodie Lowry am Telefon vorsingen konnte. Seit 30 Jahren geht das Lied nun um die Welt.

Musik

Hast du gewusst, Maria, dass dein kleines Kind einen Blinden heilen und einen Sturm stillen wird? Und wenn du dein Baby küsst – hast du gewusst, dass du dann Gottes Angesicht küsst?

Darin besteht wohl das Geheimnis von Weihnachten. Das Geheimnis Gottes in dieser Welt: Was in der Welt groß und mächtig ist, was mit Angst und Gewalt regiert: Das lässt Gott links liegen. Er fängt noch einmal ganz neu an. In den Armen einer jungen Mutter liegt dieser Neuanfang. Von hier geht aus, was die Welt heil machen wird.
Doch so klein Gott sich macht, so sehr er sich in unsere Hände begibt – er bleibt groß. Darum singt die biblische Maria: „Seine Barmherzigkeit währet für und für bei denen, die ihn fürchten.“
Das Geheimnis Gottes geht zu Herzen. Aber wir Menschen werden nicht schnell damit fertig. Gott bleibt Gott. Mir als Mensch bleibt ehrfürchtiges Staunen. Doch dann mache mich auf den Weg. In den Fußspuren dieses Kindes. In den Fußspuren von Jesus, Gottes Sohn. Im Widerschein des Himmels auf der Erde.

Musik

Hast du gewusst, Maria, dass dein kleiner Junge der Herr der ganzen Schöpfung ist? Dass das schlafende Kind in deinen Armen der ist, der sagen wird: Ich bin? Ich bin das Licht der Welt, die Auferstehung und das Leben, der Weg und die Wahrheit?

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Musik:

Mary, Did You Know (Mark Lowry / Buddy Greene)

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34526
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