Alle Beiträge

Die Texte unserer Sendungen in den SWR-Programmen können Sie nachlesen und für private Zwecke nutzen.
Klicken Sie unten die gewünschte Sendung an.

Filter
zurücksetzen

Filter

Datum

SWR1

 

SWR2 / SWR Kultur

 

SWR4

   

Autor*in

 

Archiv

SWR4 Abendgedanken RP

"Ist der Siebenschläfer nass, regnet's ohne Unterlass." Wer diese alte Bauernregel kennt, der hat heute ganz besonders auf das Wetter geachtet. Es gibt auch die erfreulichere Variante: "Scheint am Siebenschläfer Sonne, gibt es sieben Wochen Wonne." Diese alten Weisheiten suchen nach Regeln in den Launen unseres Wetters. Über kein anderes Thema komme ich mit wildfremden Menschen so einfach ins Gespräch wie über das Wetter - und da habe ich schon manche Bauernregel gehört!
Über den christlichen Glauben komme ich nicht so leicht ins Gespräch. Dabei versucht der Glaube genauso wie die Bauernregeln, in Worte zu fassen, woran wir uns orientieren können. Unser Leben scheint manchmal fast so willkürlich und unvorhersehbar wie das Wetter. Sonne und Regen wechseln sich ab. "Wie geht's dir?", frage ich - und höre schon einmal als Antwort: "Ach, heiter bis wolkig!"
Bin ich wirklich nur ein Spielball des Schicksals und seinen Launen ebenso ausgeliefert wie den Kapriolen des Wetters? Oder kann ich in meinem Leben eine lenkende und schützende Hand am Werk sehen?
Ich erlebe stürmische und sonnige Zeiten. Aber ich bin gewiss, dass Gott mich darin begleitet. Feste Regeln, an die auch Gott selbst gebunden wäre, sind dabei wohl eher die Ausnahme. Ich glaube, dafür liebt Gott einfach zu sehr die Überraschung. Eine Legende erzählt von sieben jungen Christen in der Zeit der Christenverfolgung im römischen Reich. Sie suchten Zuflucht in einer Berghöhle, wurden jedoch entdeckt und lebendig eingemauert. Aber sie seien nicht gestorben, wird erzählt. Sie hätten nur 195 Jahre lang geschlafen. Am 27. Juni 446 seien sie aufgewacht, hätten den Glauben an die Auferstehung der Toten bezeugt und seien kurz darauf gestorben. Das waren die Siebenschläfer, nach denen unser heutiger Tag benannt ist.
Da fällt mir eine neue Bauernregel ein: "Wird der Siebenschläfer wach, hilft ihm Gott aus Ungemach!"

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10922
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken RP

"Du hast die Wahl!" Was für eine Einladung! Ich darf frei wählen. Die Sache ist nicht längst ausgemacht, sondern es hängt wirklich daran, wie ich mich entscheide.
Die Wahl haben wir nun auch nächsten Sonntag. Mal sehen: "Politik ohne Bart" verspricht die eine Partei. Ihre Kandidatin hat natürlich keinen Bart. Aber ich habe einen. Also fühle ich mich nicht angesprochen.
"Auf gutem Kurs" sei das Land, verkündet eine andere Partei - mit einem bärtigen Mann an der Spitze. Dazu fällt mir ein Lied ein, das wir als Kinder gesungen haben: "Alle die mit uns auf Kaperfahrt fahren, das müssen Männer mit Bärten sein." Das würde mich als Bartträger schon eher ansprechen. Aber Kaperfahrt? Auch wenn sie nur bis zum Nürburgring führt ...
So könnte ich jetzt alle Parteien durchgehen. Es fällt schwer, irgendwo konkrete Inhalte und einlösbare Versprechen zu finden. Was soll ich wählen?
"Du hast die Wahl" ist trotzdem ein schöner Satz. Denn nicht immer haben wir die Wahl. Manchmal werden wir vor vollendete Tatsachen gestellt. Maria ging es so. Die Bibel erzählt, wie der Engel Gabriel zu ihr kam und ihr verkündete: "Du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben." Er versprach der erschrockenen Maria noch, ihr Sohn werde König sein und sein Reich kein Ende haben.
Maria hatte keine Wahl. Sie konnte sich nur fügen in das, was längst beschlossen war. Wie oft geht uns das im Leben so! Da bin ich froh, wenn ich auch einmal eine richtige Wahl habe. Also werde ich auf jeden Fall übermorgen wählen gehen - wie ich das immer getan habe, seit ich einen Bart habe!
Und ich bin auch ein bisschen stolz darauf, dass das Wahllokal in unserem evangelischen Gemeindezentrum liegt. Denn die Wahl in einem demokratisch verfassten Land ist auch eine Sache der Kirche! Diese Wahlfreiheit musste in der Geschichte unseres Landes hart erkämpft werden - leider oft auch gegen die Kirchen. Ich bin froh, dass das heute anders ist. Übrigens: Auf allen mir bekannten Darstellungen trägt Jesus einen Bart!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10312
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken RP

Es gab nicht viel, was unser ältester Sohn als kleines Kind gerne aß. Ein Gericht aber war so bevorzugt, dass er ihm einen eigenen Namen gab: "Sattessen". So hieß bei ihm der Brei aus ganz fein gestampften Kartoffeln, mit einem großen Stück Butter und einem ordentlichen Schuss Milch verrührt.
Dass unser Sohn sich daran satt essen konnte - oder an Pommes frites, die er heute eher bevorzugt - das verdankt er Friedrich dem Großen. Der hätte bestimmt seine Freude an der Bezeichnung "Sattessen" gehabt. Im Jahr 1756, ebenfalls an einem 24. März, erließ er an seine Beamten eine als "Kartoffelbefehl" bekannt gewordene Order: "Als habt Ihr denen Herrschaften und Unterthanen den Nutzen von Anpflantzung dieses Erd Gewächses begreiflich zu machen ... Wo nur ein leerer Platz zu finden ist, soll die Kartoffel angebaut werden."[1]
Aus Sorge vor Hungersnöten ließ der König kostenlose Saatkartoffeln verteilen. Die Bauern konnten sich mit der Knolle zunächst gar nicht anfreunden und gruben sie immer wieder aus. Beamte und Landdragoner mussten den Anbau kontrollieren und die Felder bewachen. Doch später waren die Menschen dem "ollen Fritz" für seine Hartnäckigkeit so dankbar, dass die Sitte entstand, auf Friedrichs Grabstein Kartoffeln abzulegen.
Die gleiche Sorge über die Ernährung seiner Bevölkerung wünschte ich mir von manchem heutigen Regierungschef! Sich satt essen zu können ist ein uralter Menschheitstraum und die Bibel fordert immer wieder, die Menschen nicht mit ihrem Traum verhungern zu lassen. So heißt es im 5. Buch Mose: "Der Fremde, die Waise und die Witwe, die an deinem Ort wohnen, sollen sich satt essen, damit der HERR, dein Gott, dich segnet bei aller Arbeit deiner Hände, die du tust."
Hier geht es nicht um ein Almosen, sondern darum, dass alle ein eigenes Einkommen haben. Dass sich alle satt essen können, ist leider auch heute noch ein Traum. Hilfswerke wie "Brot für die Welt" und "Misereor" arbeiten daran, dass es nicht nur ein Traum bleibt. Unterstützen wir sie mit der gleichen Freude, die Eltern empfinden, wenn sich ihr Kind an einem gesunden Essen satt essen möchte!


[1] zitiert nach dem Wikipedia-Artikel "Kartoffelbefehl"

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10311
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken RP

Alles okay bei Ihnen? Das hoffe ich sehr! Natürlich hätte ich auch einfach fragen können, ob es Ihnen gut geht. Vielleicht rümpfen Sie ein wenig die Nase über dieses amerikanische "okay", das wir ständig hören. Tatsächlich gilt "okay" als das bekannteste Wort der Welt - und war das erste Wort, das auf dem Mond gesprochen wurde.
Jedenfalls als gedrucktes Wort hat "okay" heute Geburtstag. In einer amerikanischen Zeitung, der "Boston Morning Post" vom 23. März 1839, taucht es in einem Bericht auf und wird gleich erklärt: als Abkürzung für "all correct" - "alles richtig". In Amerika gab es damals eine lustige Mode: Man kürzte Worte nicht so ab, wie sie geschrieben wurden, sondern wie man sie aussprach. Bei "all correct" wäre das ein O und ein K - englisch: O.K.
Ich kann damit einen Auftrag bestätigen: "Okay, mach ich!" Ich kann sagen, dass ich etwas gar nicht okay finde. Oder ich kann damit aufmerksam zuhören: "Okay ..." Das klingt doch gleich viel flotter als das langweilige "Mmh ..." Und ich habe eine modische Alternative zum abgegriffenen "Wie geht's?": "Bist du okay?" oder: "Alles okay bei dir?" Nur wenn man wie hier auf dem Hunsrück zum Gruß gefragt wird: "Un wie?" - dann passt "okay" nicht recht als Antwort ...!
In der Bibel gibt es übrigens ein Wort, das ganz eng mit "okay" verwandt ist. Sie kennen es alle: Amen. "Amen" heißt so viel wie: "So ist es! So soll es sein!" Oder eben: "Okay!" Doch bleiben Sie bitte zumindest im Gottesdienst bei einem lauten, klaren "Amen" und ersetzen es nicht durch "okay"! Denn einen Unterschied gibt es doch: Mit "Amen" antworte ich auf Gottes Verheißungen, die weit über diese Welt hinausgehen. Auch wenn wir im Gottesdienst all das vor Gott bringen, was nicht so okay ist, dann antworten wir "Amen!" Und wir hören nicht nur, dass Gott uns ganz okay findet, sondern dass wir Gottes über alles geliebte Kinder sind. Okay? Nein, besser: Amen!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10310
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken RP

"Kleine Blumen, kleine Blätter / Streuen mir mit leichter Hand / Gute junge Frühlings-Götter / Tändelnd auf ein luftig Band."[1]

Diese Verse des jungen Goethe liebte meine Großmutter besonders. Sie liebte Blumen - gerade die kleinen, die sie mit ihrer Gehbehinderung leichter pflegen konnte. Ich glaube, sie hatte das Gefühl, Goethe habe diese Verse extra für sie geschrieben.
Nun war meine Großmutter, die ich nur als alte Frau kannte, ja auch einmal jung - da passte die Fortsetzung dieses Gedichts:

"Zephir, nimms auf deine Flügel, / Schlings um meiner Liebsten Kleid! / Und so tritt sie vor den Spiegel / All in ihrer Munterkeit. / Sieht mit Rosen sich umgeben, / Selbst wie eine Rose jung."

Diese Stelle liebte ich besonders und brauchte dafür gar nicht zu wissen, dass Zephir im alten Griechenland ein Windgott war.
Warum brauchen wir Poesie? Weil Poesie die Welt so beschreibt, dass sie auf einmal ganz anders, ja: wunderbar aussieht. Sie tut das in überraschenden, schön klingenden Worten. Worten, die zu Herzen gehen und das Herz erfreuen - und die man dafür nicht in allen Einzelheiten verstehen muss. Gedichte benutzen diese Sprache, aber auch Psalmen und viele andere Worte aus der Bibel. Die Lieder unseres Gesangbuchs leben von der Sprache der Poesie.
Der französische Literaturnobelpreisträger Albert Camus schrieb einmal über die Kraft schöner Frühlingsgedichte: "Wenn der Mensch Brot und Gerechtigkeit braucht, dann braucht er auch reine Schönheit, die das Brot seines Herzens ist."[2]
Wie Goethe, dessen Todestag sich übrigens heute wieder jährt, haben sich viele Dichter darum bemüht, den Menschen dieses Brot des Herzens zu geben: Worte, die das Herz und die Seele satt machen. Wer solche Gedichte, Gesangbuchlieder oder Bibelworte auswendig kann, hat einen großen Schatz, von dem sich gerade in schweren Zeiten zehren lässt. Meine Großmutter wusste viele solche Worte und gab sie uns gerne weiter. Aber es müssen gar nicht viele Worte sein - ein Tauf- oder Konfirmationsspruch kann schon reichen! Ein Wort, welches das Herz satt macht! Damit lässt es sich leichter leben.


[1] Johann Wolfgang Goethe, Mit einem gemalten Band, in: Goethe, Gedichte, Insel Verlag, Frankfurt, 1998, S. 93
[2] Albert Camus, Carnets II, janvier 1942 - mars 1951, Les Éditions Gallimard, Paris, 1964, S. 180 (Übersetzung: C. H.)

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10309
weiterlesen...

SWR4 Abendgedanken RP

Auf diesen Tag habe ich schon ungeduldig gewartet, jetzt ist er da: Seit heute ist Frühling! Ich spüre einen großen Bewegungsdrang und gehe gespannt und mit ein wenig Abenteuerlust in jeden neuen Tag. Die Tage sollen wärmer und länger werden, ich freue mich auf Blüten und singende Vögel. Ich kann es kaum erwarten, dass die Cafés endlich die Stühle in die Frühlingssonne stellen. Dann kann ich die dicken Sachen im Schrank lassen und mich hell, fröhlich und luftig anziehen.
Nun ist er sogar schon vorbei, der erste Frühlingstag! Wie war er bei Ihnen? Haben Sie etwas bemerkt? Oder warten Sie noch ab - geduldig und klug aus Erfahrung?
Geduldig warten - das fällt mir schwer. Akzeptieren, dass es nicht in meiner Hand liegt, den Lauf der Dinge zu beschleunigen. Hinnehmen, was ich im Moment nicht ändern kann. Abwarten, weil es einfach noch nicht so weit ist.
Wenn ich auf den Frühling warte, dann fällt mir das leichter. Ich weiß ja, dass er kommt. Und freue mich an schönen Wintertagen, während ich warte.
Warten können, warten lernen - das ist etwas ganz Wichtiges. Wer wartet, rechnet letztlich auch mit Gott und vertraut darauf, dass Gott etwas Neues schaffen kann. Die Dinge müssen nicht bleiben, wie sie sind. Leid und Krankheit, Gewalt und Zerstörung, Krieg und Terror - Gott hat uns immer wieder versprochen, dass all das einmal ein Ende haben wird. In Jesu Kreuz hat es schon ein Ende gefunden. Noch ist das Neue, das Gott hier schafft, verborgen. So wie all die Knospen und Triebe noch verborgen sind. Zu sehen ist noch nicht viel vom Frühling!
Ich werde manchmal mutlos, wenn ich die Nachrichten höre. Es fällt mir schwer zu glauben, dass es einmal gut werden soll. Doch dann höre ich wieder, dass sich etwas ändert. Das ist ähnlich wie mit Winter und Frühling: Irgendwann lässt der Frühling sich nicht mehr aufhalten.
Also warte ich weiter. Auch wenn nicht alle meine Erwartungen erfüllt werden. Ich vertraue darauf, dass Gott am Ende sein Versprechen wahr machen wird. Und jeder Frühlingsanfang ist für mich ein Zeichen, dass sich das Warten lohnt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10308
weiterlesen...