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SWR3 Worte




Man soll das Jahr nicht mit Programmen beladen wie ein krankes Pferd.
Wenn man es allzu sehr beschwert, bricht es zu guter Letzt zusammen.
Je üppiger die Pläne blühen, umso verzwickter wird die Tat.
Man nimmt sich vor sich zu bemühen und schließlich hat man den Salat. Es nützt nicht viel sich rot zu schämen. Es nützt nichts, und es schadet bloß, sich tausend Dinge vorzunehmen.
Lasst das Programm! Und bessert euch drauflos!
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SWR3 Gedanken

18SEP2024
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Ich liebe Bücher von Erich Kästner. Schon als Kind konnte ich mich in ihnen verlieren, mit ihnen träumen, die Welt verändern, mich wiederfinden, mit meiner Angst und mit meinem Mut. Jetzt lese ich sie gerade wieder. In diesem Jahr ist nämlich der 50. Todestag von Erich Kästner und sein 125. Geburtstag. Erich Kästner hat Bücher für Große und Kleine geschrieben. Voller Witz und Ironie, voller Mut und Vertrauen in die Menschheit, auch wenn die damals um ihn her durchdrehte und er selbst zum Opfer dieses Wahnsinns wurde. In der Nazidiktatur wurden seine Bücher verbrannt, er selbst wurde ‚verboten‘.

Eines meiner absoluten Lieblingsbücher war und ist Pünktchen und Anton. Das erzählt die Geschichte von zwei Kindern ganz unterschiedlicher Herkunft, die sich befreunden.

Pünktchen ist eine Direktorentochter mit Hausdame und Kindermädchen. Anton lebt allein mit seiner kranken Mutter. Er verkauft nachts auf der Straße Schnürsenkel, damit sie das Notwendigste zum Leben haben. Pünktchen hilft ihm und verkauft Streichhölzer.

Eine Kindergeschichte auch für Erwachsene. So schreibt er in einer ‚Nachdenkerei über die Armut‘ zwischen die anderen Kapitel: ‚Vor ungefähr hundertfünfzig Jahren zogen einmal die Ärmsten der Pariser Bevölkerung nach Versailles, wo der französische König und seine Frau wohnten und riefen: „Wir haben kein Brot! Wir haben kein Brot!“ Die Königin schüttelte verwundert den Kopf: ‚Dann sollen sie doch Kuchen essen!‘ Ihr denkt vielleicht, sie sagte das, um sich über die armen Leute lustig zu machen. Nein, sie wusste nicht, was Armut ist! Sie dachte, wenn zufällig nicht genug Brot da ist, isst man eben Kuchen.‘

Kästner fragt: ‚Glaubt ihr nicht auch, dass die Armut leichter abgeschafft werden könnte, wenn die Reichen schon als Kinder wüssten, wie schlimm es ist, arm zu sein? Und weil er die Hoffnung nicht aufgeben kann, erklärt er ganz zum Schluss: „Die Erde soll früher einmal ein Paradies gewesen sein. Möglich ist alles. Die Erde könnte wieder ein Paradies werden. Alles ist möglich.“

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

29JUL2024
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Bekannt ist er vor allem als Kinderbuchautor geworden: Emil und die Detektive, Das doppelte Lottchen oder auch Drei Männer im Schnee. Bücher, die Erich Kästner berühmt gemacht haben. Heute vor 50 Jahren ist er gestorben – aber sein Werk lebt.

Kästner selbst hat nicht nur gute Zeiten in seinem Leben gehabt. In der Nazi-Diktatur hat er der Verbrennung seiner Bücher zugesehen. Und hat vor der Frage gestanden: bleiben oder auswandern.

Wie es für Kästner wirklich war, wie er sich gefühlt hat, wie er die inneren Kämpfe für sich gelöst hat? Ich weiß es nicht. Aber dass es ihn beschäftigt hat, ist sicher. Sein Buch „Fabian – Geschichte eines Moralisten oder der Gang vor die Hunde“ macht das deutlich.

Ich habe mich schon oft gefragt, wie ich mich damals verhalten hätte in der Nazi-Diktatur. Wäre ich geblieben oder gegangen? Wäre ich im Widerstand gewesen? Hätte ich weggesehen? Oder hätte ich mitgemacht oder gar die Unmenschlichkeit vorangetrieben.

Fragen die mich sehr persönlich treffen: Wer bin ich – wirklich? Wie stark ist meine Haltung?  Was ist mir wichtiger: mein eigenes Wohlergehen oder das aller? Würde ich gehen oder bleiben? Wäre ich bereit, wenn ich nicht kämpfe – dann mein Land zu verlassen. Alles Fragen nach meiner Haltung, nach meinem christlichen Glauben.

Gehen oder bleiben? Was tun, wenn das Klima rauer wird? Wenn die Falschen an der Macht sind, wenn die christlichen Werte unter Druck geraten? Was tun, wenn Bücher verbrannt, Menschen verfolgt, verraten, remigriert oder vernichtet werden?

Gehen oder bleiben? Hinsehen oder wegducken? Fragen eines Moralisten – um es mit Erich Kästner zu sagen. Aber auch Fragen an jede Christin und jeden Christen.

„Liebe Gott und liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ D.h. für mich: Bleibe in enger Beziehung zu Gott, gestalte deine Beziehung zum Nächsten liebevoll und achte dabei auch auf Dich.

Gehen oder Bleiben? Hinsehen oder Wegducken? Ich muss als christlicher Mensch entscheiden. Gehen oder Verändern – wie halten Sie es?

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SWR2 Wort zum Tag

20OKT2022
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Jedes Jahr von neuem packt mich in diesen Tagen ein heftiger Oktober-Blues. Meine Stimmung sinkt in den Keller. Da können die Tage noch so golden sein. Ich lasse das Leuchten nicht an mich heran. Stattdessen werfe ich den Tagen vor, dass sie immer kürzer werden. Mit Grausen zähle ich sie herunter, bis zu jenem letzten Samstag im Oktober, an dem die Uhren nachts wieder verstellt werden und es noch früher dunkel sein wird. Das im Gegenzug geschenkte Tageslicht am Morgen lasse ich nicht gelten. Missmutig schaue ich auf die mit welkem Laub übersäte Terrasse, auf der ich nicht mehr sitzen kann.

Ein Oktober-Gedicht von Erich Kästner schlägt zunächst denselben Ton an: „Fröstelnd geht die Zeit spazieren. Was vorüber schien, beginnt. Chrysanthemen blühn und frieren. Fröstelnd geht die Zeit spazieren. Und du folgst ihr wie ein Kind.“ Ja, genau. Frierend und schmollend gehe ich durch die Tage. Wie ein Kind, das die Mutter hinter sich herziehen muss. Aber ungefähr in der Mitte des Gedichts stolpere ich dann über zwei Zeilen, die mich aufhorchen lassen und auf andere Gedanken bringen. Da steht: „Lass den Herbst nicht dafür büßen, dass es Winter werden wird.“  Ich fühle mich ertappt. Denn genau das ist ja der Kern meines Oktober-Blues: Ich werfe dem Herbst, einer an sich unschuldigen Jahreszeit, vor, dass sie den Winter einläutet. Und damit beraube ich sie all ihrer Chancen, eine Zeit mit eigenem Charme sein zu dürfen. Ihre ganze Schönheit verliere ich aus den Augen, weil ich sie nur als Vorboten von etwas anderem, Üblem, erkennen will.

So eine gedrückte Stimmung nehme ich gerade an vielen Orten wahr. Viele reden vom bevorstehenden Winter. Wie eine dunkle Gewitterwand beherrscht er die Nachrichten. Was werden wir essen, was werden wir arbeiten, wie werden wir uns kleiden und womit werden wir heizen?  Notwendige Fragen, gewiss. Aber sie sind es nicht wert, uns jede Freude an ganz gegenwärtigen Augenblicken zu nehmen. Sie dürfen die lodernden Herbstfarben nicht mit ihrem bleigrauen Schleier verhängen.  

„Sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Monat seine eigene Plage hat.“ Dazu hat Jesus in der Bergpredigt geraten. Und ich übersetze es mir noch einmal in den Worten von Erich Kästner: „Lass den Herbst nicht dafür büßen, dass es Winter werden wird.“

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SWR2 Lied zum Sonntag

31JUL2022
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Musik           

Give thanks with a grateful heart,
give thanks to the Holy One;
give thanks because He's given Jesus Christ, His Son.

„Give thanks“, so heißt unser heutiges Lied zum Sonntag. Es will ein Dank aus ganzem Herzen sein und heißt deshalb: „Give thanks with a grateful heart“. Der Komponist Henry Smith lebt in den USA. Dort, in Williamsburg in Virginia, hat er im Jahr 1978 eine Predigt gehört, die ihn zu diesem Lied inspiriert hat. Es ging dabei um das Thema „arm und reich“ anhand einer Bibelstelle aus dem Neuen Testament. Der Apostel Paulus schreibt der Gemeinde in Korinth, dass Gott in Gestalt seines Sohnes Jesus arm geworden ist, um uns, die Menschen, reich zu machen. Der Größte macht sich klein und schwach, um die Schwachen stark zu machen. Henry Smith bezog das ganz direkt auf sich. Er wollte nicht immer auf das schauen, wodurch ihn andere klein machen, zum Beispiel darauf, dass er schon früh erblindet ist. Sondern er wollte seinen inneren Reichtum erkennen und das allen weitersagen. Im Lied heißt es: „Jetzt lass den Schwachen sagen: Ich bin stark! Und der Arme soll sagen: Ich bin reich!“ Warum ist das so? Weil Jesus so viel für uns getan hat.

Musik          

And now let the weak say: „I am strong“
Let the poor say: „I am rich“,
because of what the Lord has done for us.
Give thanks …

Wenn ich im Lied „Give thanks“ von arm und reich höre, muss ich spontan an den Schriftsteller Erich Kästner denken. Er hat nicht nur Kinderbücher wie „Emil und die Detektive“ oder „Das doppelte Lottchen“ geschrieben, sondern auch nachdenkliche Gedichte. Die Überschrift eines Büchleins heißt „Doktor Erich Kästners lyrische Hausapotheke“. Und ein poetisches Rezept darin handelt vom inneren Reichtum.

Musik           

Eurobrass instrumental: Give thanks …

Kästner schreibt:

„Niemand weiß, wie reich du bist …
Freilich mein ich keine Wertpapiere,
keine Villen, Autos und Klaviere
und was sonst sehr teuer ist,
wenn ich hier von Reichtum referiere.

Nicht den Reichtum, den man sieht
und versteuert, will ich jetzt empfehlen.
Es gibt Werte, die kann keiner zählen,
selbst wenn er die Wurzel zieht.
Und kein Dieb kann diesen Reichtum stehlen.“

„Keiner weiß, wie reich du bist … (und du weißt es manchmal selber nicht.)“ So endet Erich Kästners Gedicht. Genau das will ich mir heute sagen lassen vom Lied und vom Gedicht. Manchmal habe ich die „Armutsbrille“ auf und meine Gedanken kreisen um das, was mir fehlt. Dann komme ich zum Beispiel ins Grübeln, ob ich nicht doch mehr Musik hätte machen sollen, vielleicht sogar ein Instrument studieren. Wenn ich aber die „Reichtumsbrille“ aufsetze, erlebe ich, wie Musik mein Leben bereichert, auch wenn ich eben mehr höre, als dass ich selber spiele. Musik beruhigt mich oft, aber sie inspiriert mich auch und sie kann mich im Alltag aufmuntern. Und das Lied „Give thanks“ von Henry Smith gehört schon lange zu meiner persönlichen „musikalischen Hausapotheke“.

Musik

Eurobrass instrumental

 

Musikquellen:

Musik 1 und 2: CD „Let nothing trouble you. Music of Arundel  & Brighton in Lourdes“, Give thanks (Track 8), Michael Carver (Orgel), Anne Ward (Leitung), LC  62966

Musik 3 und 4: SWR-Archiv M0686648.012 = CD Eurobrass: „Treu ist der Herr / Faithful is the Lord“, Track 12: „Hab Dank“, Gerth Medien, Asslar

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

08APR2022
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Das kann überhaupt nicht gut gehen. Der Junge steht auf einer hohen Leiter. Hält einen aufgespannten Regenschirm hoch und setzt zum Sprung an. „Mutprobe“ heißt die Kunstinstallation, von der ich ein Foto in der Hand halte. „Kenn ich doch“ denke ich. Und ich suche im Bücherregal nach dem „Fliegenden Klassenzimmer“, dem Kinderbuch von Erich Kästner. Und richtig: In meiner Originalausgabe hat der Illustrator Walter Trier genau diese Szene auch festgehalten. Da gibt es kein „zurück“ mehr. Der kleine Uli springt gerade ab. Die ganze Zeit haben sie ihn gehänselt, weil er so klein und auch ein bisschen ängstlich ist. Jetzt wird er allen zeigen, dass er ein echter Kerl ist. Am Ende liegt er bewusstlos am Boden und hat sich ein Bein gebrochen. Macht man ja auch nicht so etwas, oder? Unvernünftig und fahrlässig! Kästner hat eine andere Lehre parat. Er meint, dass ein Beinbruch nicht immer unbedingt ein Beinbruch sein muss. „Vergesst nicht“, lässt er den Lehrer Justus sagen „dass so ein Beinbruch weniger schlimm ist, als wenn der Kleine sein Leben lang Angst davor gehabt hätte, die anderen würden ihn nicht für voll nehmen. Ich glaube wirklich, dieser Fallschirmabsprung war gar nicht so blödsinnig, wie ich zunächst dachte“.

Und Johnny Trotz, der von allen Kindern der Schule die meisten Gedanken und Bilder im Kopf mit sich herum schleppt, erklärt:

„Es gibt schlimme Erlebnisse, die sich nicht umgehen lassen. Wenn Uli nicht das Bein gebrochen hätte, wäre er sicher noch viel kränker geworden.“

Für den "kleinen" Uli wird es tatsächlich ein heilsamer Sprung. Im Nachwort erfahren wir aus dem Mund seines Schulkameraden Johnny: "Uli bleibt zwar klein, aber in ihm steckt eine Kraft, der sich niemand widersetzen kann."

Ja, so ist das. Manchmal wird man erst dadurch stark, wenn man einfach springt. Wenn ich mir mal mehr zutraue, als sonst. Auch ohne hundertprozentig zu wissen, wie und wo ich lande. Und manchmal braucht man gute Dichter wie Erich Kästner, um solche Geschichten zu erzählen. Kein Wunder, dass ich die 183 Seiten des Kinderbuches an einem Abend komplett durchgelesen habe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35182
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SWR2 Wort zum Sonntag

16AUG2009
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Urlaubszeit - Zeit sich an Leib und Seele zu erholen. Erich Kästner hat in den 50er Jahren eine Gedichtsammlung veröffentlicht, die ganz gut in die Urlaubszeit passt. Sie heißt „Die 13 Monate“. Nein, Erich Kästner hat sich nicht verrechnet. Der 13. Monat steht als Symbol für die unerfüllte Zeit, für den Lebenssinn, den wir suchen und doch so oft verfehlen.

Die folgenden Zeilen aus dem Gedichtband stehen unter der Überschrift „Der Juli“, passen aber sicher auch zum August. Dort lese ich:

„Still ruht die Stadt. Es wogt die Flur.
Die Menschheit geht auf Reisen
oder wandert sehr oder wandelt nur.
Und die Bauern vermieten die Natur
zu sehenswerten Preisen.

Sie vermieten den Himmel, den Sand am Meer,
die Platzmusik der Ortsfeuerwehr
und den Blick auf die Kuh auf der Wiese.“

Liebe Hörerinnen und Hörer, da höre ich Spott auf den Tourismus heraus, in dem Natur, Muße und Erholung zum Wirtschaftsfaktor geworden sind. Aber ich denke, Erich Kästner spricht hier auch davon, dass wir uns nach einer heilen Natur zurücksehnen. Einer Natur, die uns fremd geworden ist und der wir fremd geworden sind. Und er will auf die Suche des Menschen nach dem eigenen, nach dem so oft entgleitenden Selbst hinweisen, für das die Natur ein Symbol ist. Er stellt auch ein wenig resigniert fest, dass diese Rückkehr zur Natur eine Illusion ist: Die Natur selbst ist keine Idylle mehr, und oft nehmen wir unsere Unrast, unsere ungelösten Probleme mit, wohin immer wir auch reisen. "Limousinen rasen hin und her", dichtet Kästner weiter, "und finden und finden den Weg nicht mehr zum Verlorenen Paradiese.“

Wo aber Menschen, nicht hin- und herrasen, sondern einander in Liebe begegnen, scheint Lebenssinn auf. Da kommen wir zu uns selbst. Ein wenig vom verlorenen Paradies können wir dort ahnen. Wir müssen gar nicht weit reisen, um dorthin zu gelangen. "Einen Steinwurf von hier“ kann dies geschehen, Kästner. Und es kann doch ein weiter Weg sein, aber es ist ein lohnender Weg.

Ich möchte noch ein anderes, ein viel älteres und genauso modernes Wort aus dem Evangelium hinzufügen: „Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht euch ein wenig aus.“ Das sagt Jesus einmal zu den Jüngern, die vom Stress und den vielen Begegnungen des Tages ermüdet sind. Und auch dieses Wort – erst recht – weist in eine tiefere Bedeutung hinein: Es tut manchmal Not, in die Stille einzutauchen, die Aktivitäten hinter uns zu lassen, zu uns selbst zu kommen. Es ist vielleicht gar nicht immer beruhigend, was wir in der Tiefe unseres Ich vorfinden, es kann manchmal sogar sehr beunruhigend sein. Aber wenn wir das aushalten, wenn wir nicht vor uns selbst davon laufen oder davon fahren, dann spüren wir vielleicht auch, dass wir von einer großen Kraft, von einer tiefen Liebe getragen sind: von Gottes Liebe. Dieses Paradies der Liebe Gottes zu uns ist uns nie verloren gegangen.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie immer wieder aus dem Räderwerk und den vielen Fluchten des Alltags herauskommen und zu sich selbst finden können. Und dass Ihnen Erfahrungen einer starken und tragfähigen Liebe geschenkt werden. https://www.kirche-im-swr.de/?m=6430
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SWR4 Abendgedanken BW

Lasst Euch die Kindheit nicht austreiben! In einer Ansprache an Schulkinder schärft Erich Kästner es einmal ein. Lasst euch die Kindheit nicht austreiben. Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, ist ein Mensch!

Wie keine andere Zeit im Jahr ist die Advents- und Weihnachtszeit geeignet, wieder der eigenen Kindheit zu begegnen. Und den Wünschen der Kindheit.
Mein größter Kinderwunsch war ein Roller mit Ballonreifen, luftgefedert. Der nicht so übers Pflaster knatterte wie mein alter Roller mit den Holzrädern und dem Eisenring. Er ist unerfüllt geblieben, dieser Kinderwunsch – aber vielleicht steckte er hinter meinem späteren Drang zum Motorradfahren. Und das konnte ich mir dann selbst ermöglichen und konnte auch wieder Abstand dazu gewinnen.

Jetzt werden wieder Wunschzettel verfasst. Meinen ersten habe ich wahrscheinlich ganz naiv geschrieben und mit vielen Fehlern, unbekümmert, so wie es mir in den Sinn kam. Je älter man wird, umso komplizierter wird es mit dem Wunschzettel.
Welche Wünsche soll ich aufschreiben und damit man öffentlich machen? Welche Wünsche behalte ich lieber für mich? Denn wenn ich ganz ungeschützt meine Wünsche äußere, mache ich mich angreifbar und verletzbar für spöttische Kommentare: was willst Du denn damit?
Ich muss mich entscheiden: Soll ich viele Wünsche aufschreiben, oder ist es besser, ich beschränke mich auf die wirklich wichtigen? Welcher Wunsch soll ganz oben stehen? Wie schütze ich mich vor Enttäuschungen, wenn ein wichtiger Wunsch nicht erfüllt wird?
Weil’s immer schwieriger wird, lässt man es schließlich sein und behauptet: Wunschzettel schreiben, das ist was für Kinder. So dachte wohl auch meine Mutter damals. Wenn wir sie nach ihrem Wunschzettel fragten, wich sie aus ins Unerfüllbare: Das einzige, was ich mir wünsche, sind liebe Kinder! Aber diese Antwort machte uns eher ratlos und setzte uns unter Druck.

Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, ist ein Mensch, behauptet Erich Kästner.
Der Erwachsene in mir hat gelernt, meine eigenen Wünsche kritisch anzuschauen. Ich bin realistischer geworden, will mich vor Enttäuschungen schützen. Und ich habe gelernt: Auch erfüllte Wünsche können Enttäuschungen in sich tragen.
Das Kind in mir aber sagt: Verlerne trotzdem nicht das Wünschen und vergiss die Wünsche der Kindheit nicht. Vergiss nicht, wie heftig Kinderwünsche sein können. Und wie es nicht nur die Kinderseele verletzen kann, wenn Wünsche lächerlich gemacht werden. Die Wünsche nach Anerkennung und Respekt zum Beispiel oder der Wunsch nach Frieden.
Lasst Euch die Kindheit nicht austreiben! https://www.kirche-im-swr.de/?m=7242
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SWR2 Wort zum Tag

Juli – Sommerzeit, für viele Menschen Ferienzeit. Der Schriftsteller Erich Kästner hat dem Monat Juli ein Gedicht gewidmet. „Still ruht die Stadt“, so beginnt es. „Es wogt die Flur. Die Menschheit geht auf Reisen oder wandert sehr oder wandelt nur. Und die Bauern vermieten die Natur zu sehenswerten Preisen. Sie vermieten den Himmel, den Sand am Meer, die Platzmusik der Ortsfeuerwehr und den Blick auf die Kuh auf der Wiese.“
Spott über den Tourismus? Ein bisschen schon; auch darüber, dass die Schönheit der Natur zum Wirtschaftsfaktor geworden ist. Aber Kästners Zeilen sind tiefsinniger. Sie sprechen von der Suche nach Lebenssinn. Die Natur kann manches in uns zum Schwingen bringen, was verstummt zu sein scheint. Sie lässt uns Geheimnisse ahnen, die uns staunen lassen, obwohl wir sonst „nicht viel von Rätseln halten“, wie Kästner sagt. Die Menschen sehnen sich nach einer – scheinbar – heilen Natur zurück, der sie fremd geworden sind und die ihnen fremd geworden ist. Sie suchen dabei nach dem eigenen, nach dem so oft entgleitenden Selbst, Die Sehnsucht nach der Natur ist Ausdruck dieser Suche nach dem eigenen Selbst. Kästner stellt aber auch ein wenig resigniert fest, dass diese Rückkehr zur Natur eine Illusion ist: Die Natur ist keine Idylle mehr, und wir nehmen unsere Unrast, unsere ungelösten Probleme mit, wohin immer wir auch reisen. „Limousinen rasen hin und her“, sagt Kästner weiter, „und finden und finden den Weg nicht mehr zum Verlorenen Paradiese.“ Wo finden wir noch Erfüllung und Sinn?
Da sagt Kästner etwas sehr Schönes: „Einen Steinwurf von hier beginnt das Märchen. Verborgen im Korn, auf zerdrücktem Mohn ruht ein zerzaustes Liebespärchen. Hier steigt kein Preis, hier sinkt kein Lohn. Hier steigen und sinken die Lerchen.“
Es ist das uralte Geheimnis: wo Menschen einander in Liebe begegnen, scheint Lebenssinn auf. Ein bisschen wenigstens vom verlorenen Paradies lässt sich ahnen. Man muss dazu gar nicht weit reisen: „Einen Steinwurf von hier beginnt das Märchen“, sagt Erich Kästner. Ich wünsche Ihnen in dieser Urlaubszeit Erfahrungen von Liebe, Begegnungen, die Sie spüren lassen, wie schön und sinnvoll das Leben sein kann. Ob Sie reisen oder hier bleiben: Es spielt keine Rolle, wo Sie sich aufhalten. Sie können es überall erfahren.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4129
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SWR2 Wort zum Tag

Das neue Jahr ist noch jung und die Gewohnheit, statt der 2006 eine 2007 zu schreiben, noch nicht eingespielt. Nur die Erkenntnis, dass schon wieder ein Jahr hinter uns und ein neues vor uns liegt, die ist noch ganz frisch.
Erich KÄSTNER beschreibt in seinem Gedicht Eisenbahngleichnis das im Eiltempo dahineilende Leben. Dass wir alle im gleichen Zug sitzen und quer durch die Zeit reisen. Dass wir manchmal unsere Augen am liebsten verschließen würden vor dem, was wir sehen. Dass hin und wieder die Toten aussteigen, und dass niemand weiß, wie weit die Reise noch ist.
„Wir packen aus“, heißt es dann. „Wir packen ein/Wir finden keinen Sinn/ Wo werden wir wohl morgen sein?/Der Schaffner schaut zur Tür herein und lächelt vor sich hin.“
So ähnlich ist es doch, denke ich, das Leben ist eine Reise: ein ständiges Kommen und Gehen, Einpacken und Auspacken, Ankommen und Aufbrechen. Andererseits: Irgendwie mag ich nicht einstimmen in den melancholisch-pessimistischen Ton des Ganzen.
Wenn ich das Ziel nicht kenne, heißt das ja noch nicht, es gäbe keins. Sicher, es gibt im Leben Zeiten, wo Sinn und Ziel des Lebens schwer greifbar sind. Eine Krankheit stellt sich mir in den Weg. Der Verlust einer Beziehung wirft die Frage auf: wie jetzt weiter?
Dann ist es gut, einen Blick zu haben, der über das Hindernis auf meinem Weg hinausreicht. Hoffnung, sagt der Glaube dazu. Eine Haltung, die mich hinüberträgt zu dem Ziel und dem Sinn, den ich in meinem Leben gerade nicht finden kann.
Jochen KLEPPER, einem Zeitgenossen von Erich KÄSTNER, gelingt es in einem Lied zur Jahreswende, seine Lebensreise anders zu sehen. Nicht weil er in seinem Leben grundsätzlich andere Erfahrungen gemacht hätte. Aber weil er seine Erfahrungen mit der Zuversicht des weiter reichenden Blickes verbinden kann.
Im Fluge unserer Zeiten vertraut er sich einer Mitte an, in der alle Bewegung zur Ruhe kommt. Wenn die Jahre auch veralten wie Gewänder einer kurzlebigen Mode, es bleibt ja die Zeit Gottes, zu der der Glaube Ewigkeit sagt.
Diesen Urgrund allen Seins spricht Jochen KLEPPER an mit Worten, die gut sind und stark, die einen begleiten können auf der Reise durch das neue Jahr: „Der du allein der Ewge heißt/und Anfang, Ziel und Mitte weißt/im Fluge unserer Zeiten:/bleib du uns gnädig zugewandt/und führe uns an deiner Hand,/damit wir sicher schreiten.“ https://www.kirche-im-swr.de/?m=463
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