Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

09OKT2024
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Ich habe – offen gestanden – das Gefühl lange nicht gehabt, dass es mir hilft, in der Bibel zu lesen. Ich hätte eher gesagt: „Interessant, was ich da lese“ oder auch „Ja, da finde ich gute Orientierung.“ Aber wirklich „geholfen“?

Aber als ich dieser Tage die Nachrichten, die schrecklichen Kriegsbilder und die Berichte von Angst und Elend zwar im Fernseher ausschalten konnte, aber nicht in meinem Herzen: Da hat mir ein altes biblisches Gebet geholfen. Der Druck ist von meinem Brustkorb gewichen als ich – ganz gezielt – Psalm 34 aufgeschlagen und gelesen habe. Da heißt es:

„Die Augen Gottes schauen freundlich, wenn sein Blick auf die Gerechten fällt. Seine Ohren sind offen für ihre Hilfeschreie.“ (Ps 34,16 Basisbibel)

Gottes Augen sehen hin, und er hört, wenn jemand um Hilfe schreit. Das zu lesen war für mich ein Moment der Hoffnung. Zu lesen, dass die Opfer von sinnloser Gewalt nicht anonym bleiben, und ihr Schicksal nicht unbemerkt.

Natürlich haben mich die Zweifel dann sofort wieder eingeholt: Warum hilft Gott nicht? Warum hört die Gewalt nicht endlich auf? Trotzdem hat mich dieser Moment des Aufatmens - dieser Hoffnungsschimmer - nicht ganz verlassen. Es bleibt die Hoffnung, dass Gott das Schicksal jedes einzelnen Menschen nicht egal ist. Dass die Welt, und alles, was in ihr geschieht, getragen ist von einer guten Kraft, die das Gute will, Glück und Leben! Dass Gott da ist, hinsieht und hinhört und nicht zulässt, dass die Opfer anonym bleiben, und ungesehen im Nichts verschwinden.

Ich bin froh, dass mich dieser kleine Hoffnungsschimmer erreicht hat - wie ich dasaß vor meinem ausgeschalteten Fernseher, mit eingeschnürtem Atem und den Bildern im Kopf, die ich nicht einfach per Knopfdruck wegbekomme. Der Moment des Aufatmens hat mich nämlich selbst wieder aufsehen lassen. Ich wollte die Bilder gar nicht mehr verdrängen – auch wenn sie immer noch schwer auf der Seele lasten.

Mir gelingt es gerade nur, weil mich dieser kleine Hoffnungsschimmer erreicht hat, dass Gott hinsieht. Dass da eine Macht ist, die die Welt trägt und die das Gute will. Kein Schicksal bleibt ungesehen und kein Leiden anonym. Selbst dann nicht, wenn wir Menschen nicht mehr hinsehen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40822
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