Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

03OKT2024
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Eine meiner Lieblingsszenen spielt im Monty Python Kultfilm „Das Leben des Brian“. Da predigt der Protagonist Brian vom Fenster aus zu einer großen Menschenmenge, die sich unten in den Gassen von Jerusalem versammelt hat. Er ruft ihnen zu: „Ihr seid alle Individuen.“ Die Menschen antworten allesamt wie aus einem Mund „Ja, wir sind alle Individuen!“

Das witzige an der Szene ist, dass sie es so synchron brüllen wie bei einer Militärparade. Brian merkt, dass das irgendwie nicht zusammenpasst und versucht es nochmal: „Und ihr seid alle völlig verschieden!“ Die Menge antwortet wieder im Chor: „Ja, wir sind alle völlig verschieden!“

Auf den ersten Blick bilden sie eine wunderbare Einheit, aber eine, bei der die einzelnen Individuen nichts gelten. Die Einheit ist zur Schau gestellt und wirkt verordnet, wie etwa bei chinesischen Parteitagen.

Echte Einheit sollte anders aussehen, und zwar so, wie es Brian schon sagt: Sie besteht aus Individuen, die alle völlig verschieden sind. Und genau das macht Einheit so kompliziert und gleichzeitig so schön. Sie kann gelingen, wenn sich alle oder viele aktiv beteiligen, wenn sie Kompromisse aushandeln, sich zusammenraufen und um eine gute Lösung ringen. Dieser gemeinsame Weg hat natürlich Höhen und Tiefen und kann ganz schön zusammenschweißen.

In einer Demokatie ist das eigentlich ganz gut erreichbar. Aber inzwischen teilt sich unsere Gesellschaft in immer mehr Grüppchen und soziale Blasen, die praktisch nichts voneinander wissen, auch weil sie im Internet nur ihre eigenen Interessen angezeigt bekommen. Zum Beispiel Klimaschützer, Rechtspopulisten, bestimmte Milieus oder religiöse Orientierungen.

Auch Jesus war Einheit ein großes Anliegen. Im Johannesevangelium betet er kurz vor seinem Tod zu Gott und sagt: „Alle sollen eins sein.“ Und dann fügt er hinzu: „Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch alle in uns sein.“ Hört sich erst mal etwas kryptisch an, aber ist gar nicht so kompliziert. Einheit besteht immer aus vielen – Jesus, Gott, die Menschen. Und der Schlüssel zur Einheit heißt wohlwollend und rücksichtsvoll sein, den anderen beachten und anerkennen, oder einfach: die Menschen lieben.

Aber das macht Einheit auch schwieriger, denn man kann sie genauso wenig verordnen wie die Liebe. Gemeinschaft und Einheit entstehen nur dort, wo Menschen sich zuhören, sich füreinander interessieren, für ihre Sache einstehen können ohne andere zu verletzen, wo alle frei zustimmen und sich einbringen können - und das ist anstrengend. Aber was mit so viel Mühe ausgehandelt wurde, das kann am Ende auch wirklich tragen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40759
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