Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

23SEP2024
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Gestern haben auf vielen Tischen wieder die Sonntagsbraten gedampft. Und es ist ja auch lecker. Als ich ein Kind war, hatten wir Kaninchen. Keine Zwergkaninchen, sondern eher das Gegenteil: Deutsche Riesen, so heißt die Rasse. Wir hatten immer mindestens zwei Zippen, also weibliche Kaninchen, und einen Bock. Und im Frühling gab es Nachwuchs. Das war immer sehr niedlich. Aber wir hatten die Kaninchen nicht zum Kuscheln. Einmal im Jahr wurde geschlachtet. Und dann waren die Kaninchenställe leer und die Tiefkühltruhe voll. Heute bin ich Vegetarierin. Aber das hat gar nicht so viel mit den Kaninchen von damals zu tun. Heute esse ich kein Fleisch, weil ich die Vorstellung von Massentierhaltung und industriellen Schlachthöfen nicht ertrage. Bei uns zu Hause habe ich dagegen den ganzen Kreislauf mitbekommen. Ich habe die Kaninchen aufwachsen sehen. Ställe gemistet, Grünfutter geschnitten und die Tiere vom Freigehege zurück in die Ställe getragen. Und am Tag der Schlachtung herrschte bei uns eine besondere Atmosphäre. Es war stiller.  Denn es war klar: Was heute passiert, ist schrecklich. Meinem Vater ist das Schlachten nicht leichtgefallen. Aber er wollte nicht auf Fleisch verzichten und so war das für ihn die notwendige Konsequenz.

Ich vermute, wenn alle Menschen ihr Fleisch selbst erlegen müssten, dann würde sich das mit Massentierhaltung von selbst erledigen. Ich kenne nämlich viele Menschen, die lieber vegetarisch leben würden, als ein Tier zu schlachten. Jesus hat Fleisch gegessen. Und ganz sicher war er mit dem Schlachten und allem, was dazu gehört, vertraut. Viele seiner Jünger waren Fischer. Auch die wussten: Wer einen Fisch essen will, muss einen Fisch töten.

Ich bin mir also nicht sicher, ob Jesus heute Vegetarier wäre. Aber ich bin mir sicher, dass er den industriellen Umgang mit den Tieren nicht gut finden würde. Als gläubiger Jude wusste er sich eingebunden in die Schöpfung, verbunden mit allen Kreaturen. Er hätte nicht gewollt, dass eine davon unnötig leidet.

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