Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

26SEP2024
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„Ein kleiner Einstein“ habe ich damals unter das Foto geschrieben. Mein ältester Sohn ist darauf vielleicht fünf Jahre alt und hat sich die viel zu große Brille seines Vaters auf die Nase gesetzt. Dadurch blickt er nun sehr gelehrt in die Welt. Und sieht aus wie ein kleiner Einstein.

Was auf dem Foto wie ein Scherz daherkommt, war vor zwanzig Jahren in vielen Kindertagesstätten im Land Programm. Beim sogenannten „Einstein-Konzept“ gab es für jedes Kind einen individuell abgestimmten Bildungsplan. Die Stärken sollten gezielt gefördert, die Schwächen ausgeglichen werden. Der Blick auf das einzelne Kind, seine Interessen und Bedürfnisse stand im Mittelpunkt. Zwei Jahrzehnte später schlägt das Pendel nun wieder in die andere Richtung aus: „Wir brauchen mehr Gemeinschaftssinn, mehr wir“, sagt die Leiterin einer Stuttgarter Kita. „Mehr Rituale, mehr gemeinsames Singen und Spielen, mehr verlässliche Strukturen im Kindergartenalltag.“ Mit Sorge blickt sie auf eine erwachsene „Ich-Gesellschaft“, in der vor allem die Frage zählt „Was nützt es mir?“

Ich schaue wieder das Bild in meinem Fotoalbum an: Aus dem kleinen Einstein ist später ein begeisterter Pfadfinder geworden und heute ein junger Mann, der eigene Interessen verfolgt und sich neben seinem Studium ehrenamtlich in einem Berliner Gemeinschaftsprojekt engagiert. Und ich denke, es braucht doch wohl immer beides: Eine gute individuelle Förderung und eine, die die sozialen Kompetenzen auch nicht aus dem Auge verliert. Lauter kleine Einsteins, das kann ja nicht funktionieren.

Im neuen Testament findet sich ein schönes Bild für eine gelingende Gemeinschaft. Der eine Stein, der Einstein, auf den es da ankommt, ist Christus. Er bildet ein tragfähiges Fundament. Und von den Menschen, die auf ihn bauen, heißt es: Lasst euch selbst als lebendige Steine zu einer Gemeinschaft aufbauen. So wird ein Haus draus.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40701
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