SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

15SEP2024
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Die Zeit anhalten. Das würde ich manchmal echt gerne tun. Wenn es rundum schön ist und ich glücklich bin. Aber das geht halt nicht. Oder vielleicht doch?

Ich war mit meinem Mann an der Ostsee unterwegs. An einem Abend hatten wir es uns auf einer Bank gemütlich gemacht. In Sichtweite war ein Restaurant und die Terrasse voll mit Gästen besetzt. Der Kellner hatte alle Hände voll zu tun, die Wünsche zu erfüllen und alle Tische zu bedienen. Und dann sehe ich, wie der Kellner plötzlich inmitten aller Gäste alles stehen und liegen lässt und aus heiterem Himmel anfängt zu singen. Das Lied des Vogelfängers aus der Oper „Die Zauberflöte“. Die Leute schauen auf, sind total überrascht und erstaunt. Und dann lächeln sie. So wie ich. Weil der Kellner echt gut singen kann und sich alle über diese spontane und fröhliche Gesangseinlage freuen. Zum Schluss bekommt er Applaus. Und so rasch wie er alles stehen und liegen gelassen hat, greift er wieder nach seinem Tablett und verschwindet in der Küche.

Ich fand das Ganze einfach klasse und mir ist die Szene in der letzten Zeit noch ein paar Mal in den Sinn gekommen. Der Kellner hat zwar nicht die Zeit angehalten, aber für ein paar Minuten die Arbeit. Er ist stehen geblieben, hat haltgemacht, sich kurz gesammelt und voll Inbrunst dieses Lied in den Abend hinein geschmettert. Bei mir ist dabei hängen geblieben: Die Routine unterbrechen, gerade dann, wenn jede Menge ansteht. Einfach mal tun, was mir spontan in den Sinn kommt und worauf ich Lust habe,- gerne auch mal was Verrücktes. Und sei es nur für einen kurzen Moment. Die Zeit anhalten, wenn es so schön ist, - das klappt halt nicht. Aber die Arbeit und den Alltag mal kurz zu unterbrechen, mutig das tun, was mich freut und mich wieder in Schwung bringt, das geht. Nicht nur sonntags.

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