Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

06SEP2024
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In einer Legende aus dem 14. Jahrhundert terrorisiert ein Problem-Wolf eine ganze Region im oberitalienischen Gubbio. Er reißt nicht nur Schafe und Ziegen, sondern fällt auch über Kinder und Erwachsene her. Sein Tod ist bereits beschlossene Sache. Da betritt der Bettelmönch Franz von Assisi die Bühne und bietet sich als Vermittler an. Allen Warnungen zum Trotz nähert er sich todesmutig und unbewaffnet diesem zähnebleckenden Höllenhund und spricht ihn an: „Komm her zu mir, Bruder Wolf! Im Namen Jesu Christi befehle ich Dir, weder mir noch andern ein Leid anzutun“.

Kaum zu fassen: Lammfromm legt sich der Wolf dem Heiligen zu Füßen. Dann prasselt eine Strafpredigt auf ihn nieder: „Du Räuber, du Mörder, du hast den Tod verdient. Aber hör zu: ich will zwischen dir und den Menschen Frieden stiften.“ Der Wolf habe mit dem Kopf genickt, erzählt die Legende, und Franziskus die Tatze gereicht. Dann folgte er ihm in die Stadt, die ihm nun umsonst Kost und Logis gewährte. Und seitdem war Friede.

Eine Legende – zu schön, um wahr zu sein. Aber sie verrät, wie Frieden geht. Wahrer Friede ist immer ein Verhandlungsfrieden, denn ein Sieg- oder Unterwerfungsfriede mit Gewinnern und Verlierern ist reiner Etikettenschwindel. Franz von Assisi brennt für den Frieden und weiß Gott an seiner Seite. Das macht ihn mutig und stark, beiden Kontrahenten entgegenzutreten und ihnen erst mal den Marsch zu blasen. Dann aber macht er vernünftige Angebote. Die gibt’s zwar für keine Seite zum Nulltarif. Aber lieber einen Kompromiss, als sich weiter zu zerfleischen. Und siehe da: Beide können nun in Frieden miteinander leben.  

Hat ein Wolf mehr Grips im Schädel als wir Menschen? Die gegenwärtigen Kriege lassen mich am gesunden Menschenverstand zweifeln. Immer noch Granaten statt Diplomaten! Das wird nichts!

„Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“, forderte vor bald 300 Jahren der große Denker und Philosoph Immanuel Kant. Für ihn war klar: Friede fällt nicht vom Himmel, er müsse vielmehr „stets neu gestiftet“ werden.

Der Meinung ist auch Jesus von Nazareth: „Glücklich sind, die Frieden stiften“, sagt er, „denn Gott wird sie seine Kinder nennen“ (Matthäusevangelium 5,9 – Elberfelder Bibel).

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40609
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