Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

17AUG2024
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Ich schließe mein Fahrrad am Bahnhof an und laufe fröhlich Richtung Bahnsteig. Ich bin unterwegs zu meiner Schwester und habe mich extra schick gemacht: mit meinen nagelneuen orangenen Sneakern. Sogar ein wenig geschminkt habe ich mich, das ist echt besonders. Meine Schwester hat mir zum Geburtstag ein Essen geschenkt und ich freue mich auf den gemeinsamen Abend.

Der Regionalexpress nach Mannheim hat heute ca. 10 Minuten Verspätung, ertönt die Stimme aus dem Lautsprecher als ich auf dem Gleis ankomme. Ich rege mich fast gar nicht auf. Ich fahre sehr viel Bahn - was sind da schon 10 Minuten. Allerdings muss ich unterwegs umsteigen – und mit 10 Minuten Verspätung könnte das knapp werden. Jetzt bin ich doch leicht nervös und schaue auf mein Handy auf die Bahn-App. Aber auch die kann sich nicht entscheiden, ob ich den Anschluss nun kriege oder nicht. So laufe hin und her und denke nur noch daran, wie blöd das doch alles wieder ist mit der Bahn. Und ärgere mich gleichzeitig über mich selbst, dass ich mich nicht gelassen und entspannt weiter auf den Abend freue. Ich versuche wieder ruhig zu werden und bitte Gott um die nötige Gelassenheit. Klappt aber nicht.

Als der Zug schließlich kommt, wird es leider auch nicht besser. Ich bleibe nahe an der Tür stehen, um gleich losstürzen zu können, wenn ich umsteigen muss. Ich versuche tief ein- und auszuatmen und denke: „Ach, Gott, bitte, wo bleibt denn meine Gelassenheit?“ Aus dem Augenwinkel beobachte ich, wie eine Mutter ebenfalls auf Ihr Handy und die Bahn-App starrt. Genau wie ich ist sie total nervös und macht sich startklar, um den Anschluss zu erreichen. Da streicht ihr ihr Sohn liebevoll über den Arm. Er könnte 8 Jahre alt sein. „Mama“, sagt er. „Mach dir keine Sorgen. Ich renne gleich los auf Gleis 5 und versuche den Zug für dich aufzuhalten. Du kommst dann nach, so schnell wie du eben kannst. Und wenn ich den Zug nicht aufhalten kann, dann findest du mich auf Gleis 5 und wir nehmen den nächsten Zug.“ Ich lächle und kann mich wieder freuen. „Danke, Gott“, denke ich. Ja, Gott hat manchmal lustige Arten Gebete zu hören.

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