SWR Kultur Wort zum Tag

14SEP2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Die Welt ist voller Gewalt, das bekommen ja alle zu spüren - angefangen bei der alltäglichen Gereiztheit bis zur raffiniertesten Ausbeutung und Unterdrückung. Nein, ich will hier das Leben nicht anschwärzen und Trübsal blasen, am Morgen eines Tages schon gar nicht. Aber dass es eine Überlebensaufgabe ist, den Gewaltpegel wenigstens zu senken, dürfte niemand bestreiten. Im Prinzip jedenfalls. Im Grunde ist es das alte Lied seit Kain und Abel, aber derzeit steht weltweit besonders viel auf dem Spiel: die ökologische Balance nämlich und damit die Frage, wie wir der Um- und Mitwelt weniger Gewalt antun, und uns selber auch.

Ich kenne – im Ernst – kaum eine Religion, die das Thema Gewaltüberwindung derart in den Mittelpunkt stellt wie der christliche Glaube. Immerhin geht es da zentral um einen unschuldig Gekreuzigten, das Opfer mitmenschlicher Gewalt. Dass der gute Jesus derart brutal beseitigt wurde, hängt ja zentral mit seiner Botschaft der Feindesliebe zusammen; man wollte den Störenfried loswerden und sein Plädoyer für Gewaltlosigkeit auch. Aber der Kick am christlichen Glauben heißt Ostern: Gott hat diesen Jesus aus dem Tod erweckt und ihm für immer Recht gegeben. Nie hat Gewalt das letzte Wort, und immer produziert sie Leiden. Glaubhaft ist nur Liebe.

Deshalb ist mir das heutige Kirchenfest so wichtig: Kreuz Erhöhung. Äußerer Anlass dafür war die Legende, dass damals die Kaiserin Helena das Kreuz Jesu in Jerusalem gefunden habe, gut 300 Jahre nach der Hinrichtung Jesu. Viel wichtiger ist mir die innere Botschaft dieses Festes: das Kreuz Jesu erhöhen, heißt ja: dessen Leben und Werk in den Mittelpunkt stellen und großmachen. „Sie werden auf den schauen, den sie durchbohrt haben“, heißt es dazu im Johannes-Evangelium (Joh 19,30). Also genau hinschauen auf dieses Opfer von Gewalt und Folter, auf das globale Ausmaß von Gewalt überhaupt – aber eben nicht wie die Maus auf die Schlange, sondern mit den Osteraugen der christlichen Hoffnung. Weil mit der Auferweckung Jesu der verfluchte Bann tödlicher Gewalt prinzipiell gebrochen ist, können wir endlich illusionslos und angstfrei hinschauen, auch auf uns selbst in den Spiegel. Wir brauchen nicht länger Blinde Kuh zu spielen, wir können hinschauen und vor allem anpacken wie dieser Jesus. Sein Kreuz wird zum Siegeszeichen, zum Notenschlüssel, zum Durchbruch in eine gewaltfreie Welt. Feindesliebe ist möglich.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40487
weiterlesen...