Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

10AUG2024
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Mit zwei Enkelinnen, sieben und fünf Jahre alt, bin ich in der Stadt unterwegs. Am Straßenrand sehen wir einen Mann, der dort sitzt und bettelt. Der fasziniert und irritiert die Kinder zugleich. Warum sitzt er da, was will er haben – das Gespräch führt schließlich zu der Frage: Wie können wir ihm helfen? Das ältere Mädchen meint: Ich würde ihm Geld geben. Meine jüngere Enkelin sagt: Ich würde ihn mit nach Hause nehmen. Diese Antwort verblüfft mich. Ich dachte eigentlich mehr an Sozialstaat, Caritas und Ehrenamt. Aber ihn mit nach Hause nehmen?
Ohne es zu wissen hält sie mir einen Spiegel aus der Bibel vor, wo es auch darum geht, wen ich zu mir einlade: Dort wird erzählt, Jesus ist bei einem führenden Pharisäer eingeladen und schaut sich die übrigen Gäste an. Vermutlich alles so ehrenwerte angesehene Menschen wie der Gastgeber. Eine Gesellschaft, in der man sich gerne aufhält. Doch Jesus sagt zu dem Gastgeber: Wenn Du ein Essen gibst, lade nicht deinesgleichen ein. Die laden dann dich wieder ein und alles ist ausgeglichen. Lade lieber Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein, die es dir nicht vergelten können, und vertraue darauf, dass es Dir von Gott vergolten wird.

Ich gestehe ein, ich schaffe das nicht, die Menschen vom Straßenrand zu mir einzuladen. Natürlich haben sich die Zeiten geändert. Zur Zeit Jesu wäre die Einladung zu einem Essen für viele Arme die einzige Möglichkeit gewesen, überhaupt zu einer Mahlzeit am Tag zu kommen. Heute gibt es – wie gesagt – Sozialstaat, Caritas und Ehrenamt. Aber die Antwort meiner Enkelin piekst mich wie ein Stein im Schuh. In ihrer spontanen Reaktion macht sie darauf aufmerksam: Es geht um mehr als Essen. Es geht um Zugehörigkeit und Zuwendung, um Anerkennung und Respekt. Deshalb schlägt Jesus dem Pharisäer vor, Arme und Kranke zu sich einzuladen. Nicht damit sie abgefüttert werden, sondern damit sie dazu gehören.

Staatliche und gesellschaftliche Hilfe, Suppenküchen und Sozialämter sind hilfreich und bis auf weiteres unersetzlich. Keine Frage. Aber trotzdem bleibt etwas offen, mit dem ich noch nicht fertig bin und das in der Antwort meiner Enkelin liegt, wenn sie zu mir sagt: Ich würde ihn mit nach Hause nehmen.

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