SWR3 Gedanken

19JUL2024
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Die alte Dame, die ich besuche, hadert mit sich und ihrem geschwächten Körper. Mit all dem, was sie mal konnte und was jetzt einfach nicht mehr geht. Schließlich hadert sie auch mit Gott. Fast täglich sei sie doch in die Kirche gegangen, erzählt sie mir. Habe sich engagiert in der Gemeinde und im Kirchenchor. Und nun das! Dass Gott sowas zulässt. Dass ausgerechnet sie es ist, die so schwer erkrankt. Sie kann das nicht begreifen. Warum sie und warum nicht andere, die in ihren Augen nicht so gut, nicht so fromm gelebt haben wie sie.

Es sind diese Warum-Fragen, auf die es keine Antworten gibt. Auch von mir nicht. Weil es diesen Tauschhandel eben nicht gibt: Moralisches Wohlverhalten gegen Glück und Gesundheit. Ich habe sie schon oft gehört, diese Frage: Warum? Warum geht es nach unseren Maßstäben so ungerecht zu in der Welt? Und warum unternimmt Gott, wenn es ihn gibt, da nichts? Ich weiß das auch nicht.

Aber ein Satz aus der Bibel hilft mir zumindest etwas weiter. Er steht beim großen Propheten Jesaja: „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege“, lässt Gott da ausrichten. Ein Gott, der nicht berechenbar ist. Keiner mit dem man Deals machen könnte. Und offenbar so ganz anders, als viele Menschen sich Gott vorstellen.

Am Ende unseres Gesprächs habe ich mit der alten Frau dann noch zusammen gebetet. Zu genau diesem Gott, den wir zwar oft nicht verstehen. Auf den wir aber trotzdem hoffen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40297
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