Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

20JUL2024
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In letzter Zeit habe ich immer wieder den Satz gehört: Religion ist Privatsache. In der Politik hat sie nichts zu suchen.

Mal sehen, ob diese These stimmt. Ich fange mal mit einmal ein Blick auf die Anfänge an: Der Prophet Moses aus dem Alten Testament zum Beispiel, der war laut Bibel ein politischer Anführer, der das Volk der Israeliten aus der Sklaverei befreit hat. Jesus – im neuen Testament - hat sich ständig mit der korrupten politischen Führungselite seiner Zeit angelegt – solange, bis er unter einem Vorwand verhaftet worden ist und als politischer Gefangener hingerichtet worden ist.

Von Mohamed, dem Begründer des Islam wird überliefert, dass er ebenfalls Einfluss genommen auf die Gesellschaft seiner Zeit. Und auch er hatte mit politischer Verfolgung zu kämpfen. An einer anderen Ecke der Welt haben die Lehren von Buddha die Geschicke der Menschen beeinflusst. Ähnliches gilt für Reformbewegungen in der Geschichte: Wie zum Beispiel für Martin Luther und die Reformation oder auch für den Kampf gegen die Rassentrennung rund um Martin Luther King und Malcom X in den USA der 60er Jahre .

Wenn ich mir das so ansehe, dann ist es für mich eigentlich nicht zu begreifen, wie jemals jemand auf die Idee kommen konnte zu sagen: „Religion hat in der Politik nichts zu suchen.“ Denn das gehört zum Glauben wohl einfach dazu: Dass man sich für das einsetzt, wovon man überzeugt ist und woran man aus tiefstem Herzen glaubt.

Leider gilt das aber auch für sehr fragwürdigen Glaubensüberzeugungen. Zum Beispiel für den Glauben, dass andere weniger wert sind als man selbst. Oder dass eine Religion das Recht hätte, eine andere zu verfolgen und zu bekämpfen. Leider haben auch die Kirchen im Laufe ihrer Geschichte solche Überzeugungen gelebt – und haben viel Schuld auf sich geladen.

Wenn ich daran denke, wird mir bewusst, dass ich meinen eigenen Glauben und meine Überzeugungen immer wieder auf den Prüfstand stellen muss. Und ihn von anderen in Frage stellen lassen muss. Das ist anstrengend, und manchmal wünsche ich mir deshalb insgeheim, dass es doch anders wäre und Glaube und Politik nichts miteinander zu tun hätten. Aber so funktionieren Religion und Glaube nun mal nicht. Woran ich glaube und wovon ich überzeugt bin, das hat Einfluss darauf, wie ich lebe, welche Partei ich wähle oder für welche Sache ich mich engagiere. Religion aus der Politik herauszuhalten – ich denke, das ist gar nicht möglich.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40292
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