Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

17JUL2024
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Vor etwas mehr als einer Woche sind Klimaaktivisten auf den Turm des Ulmer Münsters geklettert und haben in 70 Metern Höhe ein Transparent entfaltet mit der riesengroßen Aufschrift: „Wäre Jesus Klimaaktivist?“

Das wäre er, würde ich sagen. Alles, was wir aus den biblischen Schriften über Jesus erfahren, weist darauf hin, dass er ein sehr politischer Mensch gewesen ist. Es ist also keine besonders steile These, wenn ich sage: Auch heute würde Jesus sich für mehr Gerechtigkeit einsetzen und für den Schutz der Schöpfung und auch des Klimas. Die spannende Frage dabei ist doch: Wie würde er das machen?

Wäre Jesus heute also wirklich Klimaaktivist? Wäre er nicht, würde ich sagen – jedenfalls nicht in dem Sinne, wie es die Kletterer vom Ulmer Münster sind. Ihre Aktion war provokant und aufrüttelnd - das war Jesus auch. Die Kletteraktion hätte aber auch Schaden verursachen können. Und sie war gefährlich: für die Kletterer selbst, aber auch für die Zuschauer und nicht zuletzt für die Einsatzkräfte, die extra ausrücken mussten. Deshalb hat der Dekan des Münsters auch Anzeige erstattet.

Und ich denke, hier wäre Jesus nicht dabei gewesen. Offenen Streit hat er nur mit denen gesucht, die ihre Macht mutwillig missbraucht haben. Alle anderen hat Jesus versucht, für sich und seine Sache zu gewinnen: Mit klaren Worten und immer unterwegs, um mit anderen auf Augenhöhe ins Gespräch zu kommen.

Und das vermisse ich persönlich bei der Aktion der Klimaaktivisten am Ulmer Münster: Die Augenhöhe. Und den Respekt vor dem Einsatz, den die Kirchen für den Klimaschutz bereits leisten: In den einzelnen Kirchengemeinden, von Ehrenamtlichen und auch in den Beschlüssen der Synoden und Kirchenparlamente . Die sagen heute glasklar: Es ist christliche Pflicht, sich für den Schutz der Schöpfung einzusetzen.

Mag sein, dass die Aktivisten vom Ulmer Münster recht haben, und dass wir Kirchen noch viel mehr tun müssten. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass die heutigen Klimaaktivisten Jesus nicht unsympathisch gewesen wären. Aber sein Weg wäre wohl doch ein anderer gewesen: Nämlich zuallererst das Gespräch zu suchen und zu fragen: Was tut ihr bereits? Könnte es noch mehr sein? Und wie können wir an einem Strang ziehen?

Es gibt viele Wege, sich fürs Klima einzusetzen und aktiv zu sein. Und selbst, wenn wir uns bei den Methoden nicht immer einig sind, sollten wir das gemeinsame Ziel nicht aus den Augen verlieren. Ganz nach einem Grundsatz von Jesus: Wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40289
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