Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

16JUL2024
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Letzte Woche auf der Titelseite der Südwestpresse: „Unter Tränen hat Fußball-Bundestrainer Julian Nagelsmann an die Deutschen appelliert, den Spirit seines Teams zu übernehmen und in schweren Zeiten zum Gemeinsinn zu finden, statt im Meckern und Egoismus zu verharren.“ Und wörtlich hat ihn die Zeitung zitiert: „Ich wünsche mir für dieses Land, dass wir verstehen, dass es gemeinsam einfach besser geht.“

Wo der Mann Recht hat, da hat er Recht, würde ich sagen. Der Spirit und der Einsatz der ganzen Mannschaft beim Spiel gegen Spanien hat sogar mich gepackt – und ich habe von Fußball so was von keine Ahnung. Der Deutschen Mannschaft zuzusehen, wie sie nicht aufgegeben hat – wie die Spieler als Team GEMEINSAM nicht aufgegeben haben, das hat tatsächlich gutgetan. Ich fand’s tatsächlich inspirierend.

Andererseits kann ich unserem Bundestrainer trotzdem nicht so ganz zustimmen. Ich glaube nicht daran, dass man den Team-Spirit einer Fußball-National-Elf so einfach auf den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft übertragen kann. Klar geht es besser gemeinsam, wenn man ein Ziel erreichen will. Im Fußball ist das aber auch einfach, weil das Ziel klar ist: nämlich das Spiel zu gewinnen. Aber welche Ziele wollen wir in unserer Gesellschaft erreichen? Das müssten wir erst einmal klären. Die Spieler einer Mannschaft haben außerdem wunderbar klare Regeln, nach denen sie sich während des Spiels richten können. Und jeder hat seinen Platz: Verteidigung, Rechts Außen, Torwart usw… In unserer komplexen Gesellschaft muss sich jeder einzelne seinen Platz erst einmal selbst suchen – auch nicht gerade einfach.

Ich fürchte deshalb, dass der Appell von Nagelsmann ein Stück weit verpuffen wird. Einfach, weil ich denke, dass etwas fehlt in seinem Vergleich: Nämlich die klaren Regeln, die im Fußball gelten; und dass alle Mitglieder des Teams ihren Platz im Gemeinschaftsgefüge genau kennen. Vor allem aber: dass alle das gleiche Ziel vor Augen haben. Ich meine, wenn wir diese Seite mit einbeziehen, dann können wir uns von unserer Fußball-Nationalmannschaft tatsächlich inspirieren lassen und anfangen, zu fragen: Wo wollen wir den eigentlich gemeinsam hin? Was ist das Ziel, das die Menschen in unserem Land zu einer Mannschaft werden lässt? Ich glaube, mit diesen Fragen im Kopf kann sich wirklich wieder so etwas wie Teamgeist in unserer Gesellschaft entfalten. Und helfen, dass wir verstehen, dass es gemeinsam einfach besser geht.

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